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APIER=VERARBEITUNG Bu ch Gewerbe ö Friedensschluß im Steindruckgewerbe Die Verhandlungen am Streikort Breslau, haben am Sonnabend, i. September, stattgefunden und zu voller Einigung über die Lohnsätze geführt. Die Verhandlungen am Streikort Hannover fanden am Dienstag, 4. September, statt. Ueber ihr Ergebnis werden wir in nächster Nummer berichten. Tarif-Erneuerung im Buchdruckgewerbe Ein Schlagwort, das Tausende mit Begeisterung erfaßt, andere aber auch mit Entrüstung erfüllt hat, und in jedermanns Munde ist, lautet »von Organisation zu Organisation«. Bis jetzt war der jeweilig neue Tarif immer von der Allgemeinheit abgeschlossen worden. Dies ist ein großer Unterschied. Gleichviel, ob die Prinzipale dem Deutschen Buchdrucker-Verein angehörten oder nicht, oder ob die Gehilfen Verbandsmitglieder waren oder nicht: der Tarif galt für alle. Das soll indessen durch die neue Form, wenn nicht alle Zeichen trügen, anders werden. Der Deutsche Buchdrucker-Verein als Prinzipals-Organisation und der Verband der Deutschen Buchdrucker und Schriftgießer als Gehilfen- Organisation sind die beiden Vertragsabschließenden, alle diesen beiden Vereinigungen Fernstehenden haben nichts mehr zu sagen, sie werden gewissermaßen mit einem Schlage rechtlos gemacht. Denn der Vertrag geht doch offenbar dahin, daß sich die Mitglieder des Deutschen Buchdrucker-Vereins verpflichten, nur Gehilfen, welche Verbandsmitglieder sind, zu beschäftigen, während die Gehilfen wiederum die Verpflichtung eingehen sollen, nur bei Mitgliedern des Deutschen Buchdrucker-Vereins in Stellung zu treten. Da nun viele tariftreue Prinzipale auch Nichtverbandsmitglieder beschäftigen, so müßten sie diese, wenn der Sinn des Vertrages dahin lautet, entweder entlassen oder sie zwingen, in den Verband einzutreten. Da ferner sehr viele Gehilfen bei Prinzipalen arbeiten, die der Arbeitgeber-Organisation nicht angehören, so hätten sie logischerweise diesen die Arbeit zu verweigern, oder sie müßten sie veranlassen, dem Deutschen Buchdrucker-Verein beizutreten. Bei Stellungsangebot und -nach- frage würden also als erste Fragen zu beantworten sein: »Sind Sie Verbandsmitglied?« und »Gehört Ihre Firma dem Deutschen Buchdrucker-Verein an?« Trifft dann beides zu, so ist ohne weiteres festgestellt, daß das abzuschließende Arbeitsverhältnis auf tariflicher Grundlage beruht. Die Idee dieses Vertrags ist so genial, daß trotz aller gegen teiligen Behauptungen dem Urheber desselben ungeteilte Be wunderung gezollt werden muß, die sich noch steigern wird, wenn dieser Vertrag wirklich zum Abschluß gelangt. Man wird ja allerdings auf den ersten Blick nur die Härten sehen, die dieser Vertrag im Gefolge haben muß, und geneigt sein, seine wirtschaftlichen Folgen zu unterschätzen, oder sie nicht gelten zu lassen. Gewiß, für die dem Gehilfenverband Fernstehenden bedeutet es eine Härte, ihre etwaige andere Organisation aufzugeben und sich einem Verband anzuschließen, dem sie jahrelang fern gestanden haben, und von dessen Mitgliedern sie bisher aufs heftigste bekämpft wurden. Aus den bittern Feinden von gestern sollen mit einemmale gute Freunde von heute werden. Ohne gegen seitige Heuchelei kann es dabei nicht abgehen, denn es ist doch ein Unsinn, daß der nichtorganisierte Gehilfe, der bisher aber bei einer tarifmäßige Löhne zahlenden Firma in Arbeit stand und dementsprechend entlohnt wurde, erst dann als tariftreu gelten soll, wenn er sich dem Verband anschließt. Und ähnlich liegen die Dinge für den Prinzipal. Wir haben rund 5600 Buch druckereien, die als tariftreu gelten, von denen aber nur, soweit mir bekannt, etwa 3400 dem Prinzipalsverein angehören. Wollte man nun der scheinbaren Logik des Vertrags folgen, so wären die übrigen 2200 Prinzipale nur solche 2. Klasse. Es ist nicht denkbar, daß diese Auffassung als maßgebend gelten soll. Die leitenden Kreise sind sich auch der Schwierig keit bewußt, die ihnen erwächst, alle ihren Organisationen noch Fernstehenden diesen zuzuführen. Darum rechnet man wohl auch mit der Uebergangszeit von 2—3 Jahren und hofft, inner halb dieser Zeit das große Werk des allgemeinen Zusammen schlusses vollendet zu haben. Und was soll nun der Zweck sein dieses Zwanges, jeden, der sich bis jetzt als freier Mann fühlte, in einen ihm un sympathischen Verein zu zwingen? so wird mancher empört ausrufen. Nun der Zweck ist nach allem, was hüben wie drüben schon gesagt worden ist, mit wenigen Worten klargelegt. Man erstrebt damit eine Hebung des Gewerbes in seiner Gesamtheit. Denn anders lassen sich die Andeutungen, die man in den ver schiedenen Versammlungen sowohl der Prinzipale wie der Ge hilfen gemacht hat, nicht erklären. Jeder weiß, welche Blüten heute das Submissionswesen, der Verkehr mit der Kundschaft gerade im Buchdruckgewerbe treibt. Man möchte sagen, von der Visitenkarte bis zum glänzend aus gestatteten Prachtwerk — alles wird submittiert. Der Kunde fragt erst bei einem Dutzend Drucker an, ehe er einem — meist dem billigsten — den Auftrag erteilt; und die Drucker geben auf jede Anfrage eine Preisanstellung ab, jeder sucht so niedrig wie möglich zu liefern, um den Auftrag zu erhalten. Das geht seit Jahren schon so und hat dazu geführt, daß das elendeste Schleuderunwesen im Gewerbe herrscht. Und wie helfen sich diese Preisschleuderer? Indem sie billige Arbeitskräfte be schäftigen, denen sie nicht den Tarif zahlen, oder sie zahlen ihn nur dann, wenn es einmal garnicht anders geht. Darüber ist schon manche Rede gehalten, manches Tintenfaß geleert worden, aber alles war vergebens. Will man ernstlich die Zustände bessern, dann muß man endlich herzhaft zugreifen und den Baum von der Wurzel aus säubern. Dies wird und muß durch den neuen Tarifvertrag möglich sein. Der Prinzipal, der bis jetzt noch nicht rechnen konnte, wird gezwungen werden, dies nunmehr zu tun; er muß in erster Linie die höheren Löhne, die er zu zahlen hat, in Betracht ziehen und auf diesen seine Rechnung aufbauen. Und er wird dies tun, wenn er weiß, daß es keine billigen Arbeitskräfte mehr gibt. Es müssen dann solidere Grundsätze im Geschäftsleben wieder Geltung gewinnen, denn der Auftraggeber, der weiß, daß die Preise überall die gleichen oder doch fast gleichen sind, läuft nicht erst bei einem Dutzend Firmen herum, er geht einfach wieder zu seinem Drucker. Preisunterbietungen, wie sie heute gang und gäbe sind, werden dann nicht mehr möglich sein. Daß sich dieser wünschenswerte Zustand nicht von heute auf morgen erreichen läßt, leuchtet ein; das wissen aber die Väter dieses künftigen Tarifvertrages auch, und deshalb rechnen sie mit einer längeren Uebergangszeit. Jeder aber, der es ehr lich mit seinem Berufe meint, muß diesen Plan begrüßen und wünschen, daß er auch zum Wohle des ganzen Gewerbes in Er füllung geht. Um deswillen also kann man sich schon mit den unvermeidlichen Härten des Vertrages abfinden. Ig. Tarifbewegung der Notendrücken Die Leipziger Notendrucker beauftragten in einer am 28. August abgehaltenen Versammlung die Tarifkommission, bei der Revision des bis Ende 1906 geltenden Tarifvertrags verschiedene Verbesserungen zu beantragen, ins besondere Erhöhung des jetzt 21—24 M. betragenden wöchent lichen Mindeststaffellohnes um 1 M., Vergütung der Ueberstunden- arbeit mit einem Zuschlag von 25—50 v. H., volle Bezahlung der gesetzlichen Feiertage, Abänderung der Lehrlingsskala, Reglung und Herabsetzung der Kündigungsfristen, Beseitigung der Akkordarbeit usw. Weiter beschloß die Versammlung, die von einer größeren Leipziger Firma noch ausgesperrten Noten drucker mit erhöhten Sätzen zu unterstützen und für deren Wiedereinstellung einzutreten.