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Preisschleuderei eines Warenhauses Reichsgerichts-Entscheidung Die Entscheidung des Reichsgerichts, wonach es ver boten ist, Hefte von Reclam’s Universalbibliothek unter Preis zu verkaufen, hat im Schreibwarenhandel die Hoffnung erweckt, daß nunmehr denjenigen, welche Waren unter dem vom Hersteller vorgeschriebenen Einzelpreis ver kaufen, das Handwerk gelegt werden kann. Auf der Nürn berger Hauptversammlung des DeutschenPapiervereins kam diese Hoffnung zum Ausdruck. Wie wenig jedoch dieses Reichsgerichts-Urteil verallgemeinert werden kann, beweist die Tatsache, daß dieser Tage das Reichsgericht ein Waren haus freisprach, welches Koenigs Kursbuch trotz Einspruch des Verlegers unter Preis verkauft hat. Der Verleger schreibt uns hierüber unter Anderm: Nach dem unanfechtbaren Urteil des Reichsgerichts hat der Verleger nicht das gesetzliche Recht, den Weiterverkauf der von ihm herausgegebenen Bücher unter dem von ihm festgesetzten Ladenpreis zu verbieten, selbst wenn er das Buch mit einem entsprechenden Aufdruck versehen hat und seinen unmittelbaren Abnehmern die Einhaltung des Ladenpreises zur Pflicht ge macht hat. Nur der nachweislich geschädigte Sortimenter kann gegen den ihm Konkurrenz machenden Schleuderer vorgehen. Es sollte demnach Aufgabe der Sortimenter-Vereine und des Börsen vereins der Deutschen Buchhändler sein, mit aller Kraft vor zugehen und alles daran zu setzen, eine andere Entscheidung des Reichsgerichts herbeizuführen. Der Reichsgerichts - Entscheidung entnehmen wir folgendes: Der Kläger ist Urheber und Verleger von »Koenigs Kurs buch«, das er durch den Buchhandel zum Ladenpreis von 50 Pf. verbreitet, während er von seinen Sortimentern 30 Pf. erhält. Das verklagte Warenhaus Jandorf & Co. betreibt in Berlin ein Warenhaus und verkauft in demselben seit längerer Zeit das Kursbuch unter dem Ladenpreis. Es bezieht die vom Kläger hergestellten und in den Verkehr gebrachten Exemplare, die es verkauft, durch Zwischenhändler. Kläger behauptet, daß durch das Verhalten der verklagten Firma in sein ausschließliches Ver breitungsrecht eingegriffen und sein Geschäftsbetrieb geschädigt sei. Er stellt unter Zeugenbeweis, daß eine große Reihe von Sortimentern an ihn geschrieben, sie würden das Kursbuch nicht mehr vertreiben, falls er nicht verhüten könne, daß es von der Ver klagten unter dem Ladenpreis verkauft werde. Kläger hat im Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel vom 27. Juli 1904 be kannt gemacht, daß er im Interesse des Sortiments-Buchhandels fortan das Kursbuch nur unter der Bedingung liefern werde, daß der Besteller die Verpflichtung übernehme, nicht unter dem Ladenpreis von 50 Pf. zu verkaufen, und der Verklagten dies durch Schreiben vom 21. November 1904 mitgeteilt, ihr auch den Verkauf unter 50 Pf. verboten. Kläger behauptet, daß er seit Anfang 1904 allen seinen Abnehmern, Beziehern und Ab käufern die Verpflichtung auferlegt habe, nicht unter 50 Pf. zu verkaufen und allen ihren Wiederverkäufern die gleiche Ver pflichtung aufzuerlegen. Seit Juli 1904 tragen sämtliche Exemplare des Kursbuchs den aufgedruckten Vermerk: »Koenigs Kursbuch darf nicht unter 50 Pf. verkauft werden. Jede Zuwiderhandlung wird verfolgt nach § 826 des Bürgerlichen Gesetzbuches.« Die verklagte Firma hat dem Kläger erklärt, daß sie das Verbot nicht beachten werde, und das Kursbuch zum Preise unter 50 Pf. weiter verkauft. Kläger behauptet und stellt unter Beweis, daß die Verklagte durch ihre Angestellten das Kurs buch in großem Umfange unter der Zusage, es nicht unter 50 Pf. zu verkaufen, aufkaufen lasse, auch von Sortimentern in großen Mengen beziehe und sogar unter dem Einkaufspreise ver kaufe. Er behauptet ferner, daß er jedes Exemplar mit einer Nummer in der Ecke des Umschlages versehe, um zu ermitteln, von welchem Zwischenhändler die Verklagte das Buch beziehe, daß aber bei allen von der Verklagten verkauften Exemplaren die Nummer fortgeschnitten sei, und daß dies auch auf Anordnung der Verklagten oder mit ihrem Einverständnis geschehe. Der Kläger hat deshalb auf Grund des § des Urheberrechts gesetzes und der §§ 823 und 826 des Bürgerlichen Gesetzbuches den Antrag gestellt, zu erkennen, 1. daß die Verklagte nicht berechtigt ist, ohne Erlaubnis des Klägers, das von diesem hergestellte Koenigs Kursbuch zu einem geringeren Preise als 50 Pf. zu verkaufen, a. daß sie verpflichtet ist, dem Kläger den ihm seit August 1904 durch den verbotswidrigen Verkauf unter 50 Pf. entstandenen Schaden zu ersetzen, 3. jede weitere Veräußerung unter 50 Pf. ihr bei Strafe zu untersagen. Die Verklagte hat Abweisung der Klage beantragt. Sie be streitet, daß der Kläger berechtigt ist, ihr den billigeren Verkauf des von ihm selbst verbreiteten Buchs zu verbieten, daß durch ihren Vertrieb in das Recht des Klägers eingegriffen werde, daß ihr, der Verklagten, Verfahren gegen die guten Sitten verstoße, und daß dem Kläger ein Schade entstehen könne und entstanden sei; vielmehr erhöhe der Massenvertrieb durch die Verklagte den Absatz des Klägers. Sie stellt unter Zeugenbeweis, daß die Entfernung der Nummern der einzelnen Exemplare nicht in ihrem Geschäfte stattfinde. Der erste Richter hat durch Urteil vom 4. März 1905 die Klage abgewiesen und die Berufung des Klägers wurde durch Urteil vom 6. November zurückgewiesen. Die in der gesetzlichen Form und Frist eingelegte und be gründete Revision des Klägers beantragt, das Berufungsurteil aufzuheben und nach den Anträgen des Klägers in der Berufungs instanz dem Klageantrag entsprechend zu erkennen. Seitens der Verklagten ist beantragt, die Revision zurück zuweisen, an erster Stelle aber als unzulässig wegen Mangels der Revisionssumme zu verwerfen. Das Reichsgericht, I. Zivilsenat, hat die Revision zurück gewiesen aus den Entscheidungsgründen: 1. Zulässig ist die Revision. Der Kläger hat zwar in der Klage selbst den Wert des Streitgegenstandes auf 1600 M., in der Berufungsinstanz aber auf 3000 M. angegeben, und das Kammergericht hat den Wert auf 5000 M. festgesetzt Dabei hat es das Reichsgericht mit Rücksicht auf den Umfang des Vertriebs des Kursbuchs und die Dauer des Urheberrechts belassen. 2. Begründet ist die Revision nicht. Die Klage fordert an erster Stelle die Feststellung, daß die Verklagte nicht berechtigt ist, ohne Erlaubnis des Klägers das Kursbuch unter 50 Pf. zu verkaufen. Ein Recht, wie es der Kläger in Anspruch nimmt, läßt sich jedoch aus dem § 11 des Urheberrechts-Gesetzes nicht herleiten. Der Kläger hat als Urheber und Verleger des Kursbuchs das ausschließliche Recht, es zu vervielfältigen und gewerbs mäßig zu verbreiten. Die Verklagte verletzt das ausschließliche Vervielfältigungsrecht des Klägers nicht, denn sie vertreibt nur die vom Kläger selbst hergestellten Exemplare des Kursbuches. In Frage kommt nur, ob die Verklagte das ausschließliche Recht des Klägers, das Kursbuch gewerbsmäßig zu verbreiten, dadurch verletzt, daß sie es gegen sein Verbot in ihrem Geschäft ge werbsmäßig unter 50 Pf. verkauft. Das frühere Recht, Gesetz vom 11. Juni 1870, kannte ein aus schließliches Recht der gewerbsmäßigen Verbreitung für Urheber und Verleger nicht. Im neuen Gesetz wurde dem Urheberauch das ausschließliche Recht der gewerbsmäßigen Verbreitung ver liehen, wie im § 4 des Patentgesetzes dem Erfinder, um ihn und den Verleger gegen den Wettbewerb mit anderen Exemplaren zu schützen, die rechtmäßig hergestellt, aber von anderer Seite als vom Urheber und Verleger in den Verkehr gebracht wurden. Daran ist nicht gedacht, dem Urheber und Verleger ein absolutes ausschließliches Recht der gewerbsmäßigen Verbreitung in dem Sinne zu verleihen, daß außer ihnen und denen, denen sie das Recht der gewerbsmäßigen Verbreitung übertragen, niemand während der ganzen Dauer des Urheberrechts befugt ist, ohne ihre Erlaubnis solche Exemplare ihres geschützten Werkes ge werbsmäßig zu verbreiten, die sie in Ausübung ihres Rechts selbst in den Verkehr gebracht haben. Nur unter der Voraus setzung eines absoluten ausschließlichen Rechts in diesem Um fange könnten Urheber und Verleger für berechtigt gelten, die gewerbsmäßige Verbreitung durch andere überhaupt zu ver bieten und durch die Bestimmung eines Ladenpreises auch zu beschränken. Damit wäre dem Urheber und Verleger, in der Hauptsache dem Buchhändler, ein ganz exorbitantes Recht ver liehen, wie es für keinen anderen Gewerbebetrieb besteht. Aus § 11 Abs. 1 des Urheberrechtsgesetzes läßt sich ein so weitgehendes Recht nicht herleiten. Das ausschließliche Ver vielfältigungsrecht besteht seiner Natur nach während der ganzen Dauer des Urheberrechts und wiederholt sich so oft, als es sich um Vervielfältigung des geschützten Werkes handelt. Das Recht der gewerbsmäßigen Verbreitung wird ausgeübt da durch, daß das Werk im Gewerbebetrieb an das Publikum ab gesetzt, in den Verkehr gebracht wird. Dazu soll nach dem Gesetz vor dem Urheber (oder Verleger) niemand ohne seine Erlaubnis berechtigt sein. Haben aber Urheber oder Verleger das Werk in Ausübung ihres Rechts einmal an das Publikum