Volltext Seite (XML)
2770 Leipzig. (Typographische Vereinigung.) In der Sitzung vom 25. Juli waren die Arbeiten des Kolberger Wettbewerbes aus gestellt. Nachdem Herr Erler-Berlin schon in der vorhergehen den Sitzung die Hauptgesichtspunkte dieses Preisausschreibens klargelegt hatte, konnte Herr Rauch, welcher hierzu sprach, seine Ausführungen auf die Entwürfe selbst und auf einen Ver gleich der Vereine, welche teilgenommen haben, beschränken. Im ganzen sind beachtenswerte, zuweilen hervorragende Leistun gen geboten worden. Die Mehrzahl der Entwürfe fällt auf durch geschickte Satsanordnung, straffe Linienführung und Ruhe und Schönheit. Bei vielen Arbeiten wollten die Verfertiger durch große, über die ganze Anzeige reichende Ausruf- oder Frage zeichen, durch figürliche Darstellungen u. a. die Aufmerksamkeit der Leser auf die betreffende Anzeige lenken und würden dies wohl auch zum größten Teile erreichen. Unter den prämiierten Arbeiten befinden sich mehrere derartige Entwürfe, darunter Javolflaschen in den verschiedensten Ausführungen. Diese Ent würfe sind alle eigenartig und schön. Aber auch ab schreckende Beispiele sind vertreten. Außer den Bäumen, die die verschiedensten Formen annahmen, sind Eier fabriziert worden zu der Anzeige »Das Ei des Kolumbus«, die keinem Ei gleichen. Daß die fertig gesetzten Arbeiten den nur angedeu teten oder zeichnerisch unfertigen Arbeiten gegenüber im Vor teil waren, versteht sich von selbst; und das beweisen auch die prämiierten Entwürfe, die bis auf drei vollständig fertig im Satz oder der Zeichnung sind. Die Anzeigensetzer ver wendeten ausschließlich Zeitungsmaterial zu ihren Entwürfen, und erzielten durch Schwarzweißwirkung die besten Effekte, während die Akzidenzsetzer vornehmlich mit modernem Akzi denzmaterial arbeiteten und weniger Erfolge hatten. Das mit lebhaftem Beifall aufgenommene Referat veranlaßte eine rege Aussprache, in welcher darüber geklagt wurde, daß von 58 ein gereichten Entwürfen nur 32 vorhanden sind. Es fehlen demnach 26, darunter 7 Entwürfe, die in die engere Wahl gekommen waren. Ueber das Preisausschreiben der Warenhausfirma Ury Ge brüder berichtete sodann der Vorsitzende Kirstein. Die Firma hatte zur Erlangung eines künstlerischen Entwurfs, der ihren Anzeigen als Kennzeichen dienen soll, unter den Künstlern und Angehörigen des graphischen Gewerbes Leipzigs ein Preisaus schreiben veranstaltet. Annähernd 800 Entwürfe waren einge gangen, die eine gewaltige Arbeitsleistung darstellen. Erfreu licherweise hat das graphische Gewerbe bei diesem Wettbewerb gut abgeschnitten. Welcher Ideenreichtum in diesen 800 Ent würfen niedergelegt ist, läßt sich kaum beschreiben; nur zu ein fachen Arbeiten konnten sich die meisten Wettbewerber nicht verstehen. Viele glaubten, mindestens eine figürliche Darstellung schaffen zu müssen, vielleicht einen Engel oder einen Herold, der den Namen Ury in alle Lande posaunt. An einer Anzahl geistiger Diebstähle fehlte es bei diesem Wettbewerb auch nicht. Hoffent lich sind die Verfertiger derartiger Entwürfe für die Zukunft ge bessert, denn bei der Ausstellung im Buchgewerbehause war unter diesen Arbeiten auch das Original angebracht und darüber prangten als Warnungszeichen die Worte »Geistiger Diebstahl!« Den ersten Preis (500 Mark) erhielt je zur Hälfte Herr Paul Brand und Herr Hermann Delitsch, den zweiten Preis (100 M.) Herr Otto Horn und den dritten Preis (75 M.) wieder Herr Hermann Delitsch. Am 29. Juli unternahmen etwa 50 Mitglieder der Vereinigung einen Studienausflug nach Dresden, um die dritte deutsche Kunstgewerbe-Ausstellung in Augenschein zu nehmen. Dieselbe beherbergt eine prächtige Abteilung »Buchgewerbe«, in der die ersten deutschen Firmen mit ihren besten Arbeiten vertreten sind. Nahezu sechs Stunden verweilte man in den Austellungs- räumen, deren Bestände in dieser Zeit nur flüchtig angesehen werden können. Die junge Dresdner Vereinigung hatte es sich angelegen sein lassen, der Leipziger Schwestervereinigung für diesen Tag als Führerin zu dienen. Nachdem nachmittags ver schiedene Abstecher in die nähere Umgebung gemacht wurden, fand man sich abends zu einem Abschiedskommers zusammen. -Z- Leipzig. Typographische Gesellschaft. Am 25. Juli waren 1. die Drucksachen von der Münchener Generalversammlung des Deutschen Buchdrucker-Vereins und 2. Zeichnungen und Skizzen aus den Unterrichtskursen der Mainzer »Typographia« ausgestellt. Unter den Drucksachen der Münchener Generalversammlung befanden sich manche originelle und sauber ausgeführte Arbeiten, während die Skizzen aus Mainz nicht den heutigen Anforderungen entsprechen. Am 5. August fand eine korporative Besichtigung der städtischen Gasanstalt statt, welche den Teilnehmern viel Belehrung und Anregung bot. Am 8. August sprach Herr M. Lindner über »Neue Ligaturen in den Antiquaschriften«. Referent will aus den Antiqua- oder Bastardschriften, die der Antiqua näher stehen als der Fraktur, die ch ck tz beseitigt wissen, teils aus ästhetischen Gründen, teils mit Rücksicht auf die Ausländer, für welche diese Formen wieder eine Neuerung bedeuten. Wollte jedes Volk sich soviel Ausnahmen erlauben wie der Deutsche, so würde man aus dem Dualismus nicht herauskommen, statt nach möglichster Uebereinstimmung zu trachten. Der Ausrede, daß ch ck tz ein Laut sei, könne man Nr. 67 gegenüberstellen, daß man denn auch aus au äu ei eu usw. Ligaturen machen könne. In der Aussprache wurde u. a. gesagt, daß gerade aus dem ästhetischen Empfinden heraus die Ligaturen ch ck geschaffen sind, da das c in der Antiqua vorn stets eine Lücke hat, und anstatt das ch oder ck als zusammengehörig zu lesen, kommt man in Versuchung, es getrennt zu lesen. Trotz dem konnte man sich der Ansicht nicht verschließen, daß tat sächlich in manchen neueren Schriften das ch und ck recht verkrüppeltes Aussehen haben. W. J. Ausschreibung von Ratsdrucksachen. Der Rat der Stadt Dresden schreibt die Lieferung mehrerer Teile der für seine verschiedenen Kanzleien in den Jahren 1907, 1908 und 1909 be nötigten Vordrucksachen aus. Die Bewerbung steht nur tarif treuen Buchdruckereien offen. Die Eröffnung der Angebote ist öffentlich, und die Bewerber haben zu derselben Zutritt. Wie bereits mitgeteilt, erfolgt die Vergebung der Drucksachen nicht, wie bisher, an die billigsten Anbietenden, sondern an jene Druckereibesitzer, deren Angebote den Mittelpreis aller ab gegebenen Preise am nächsten kommen. Ausstellung für Wohnungkunst in der Philharmonie zu Berlin. Im vorigen Herbst waren im Berliner Buchgewerbesaal die Ent würfe zu einem Plakat für diese Ausstellung ausgestellt. Der mit dem ersten Preis ausgezeichnete Entwurf mit der weiblichen Person auf vergoldetem Lehnstuhl wurde als Plakat, als Titel zum Umschlag des Katalogs und als Postkarte ausgeführt, und muß in der vierfarbigen Ausführung, wobei die Schriftzeilen in Gold auf schwarzem Grunde gut zur Geltung kommen, als wirkungsvoll bezeichnet werden. Die Ausstellung selbst zeigt in bescheidenem Rahmen, was das Tapezierergewerbe unserer Zeit in moderner Ausstattung leistet, und welcher Hilfsmittel es sich bedient. Unter der großen Menge der dort ausgelegten Reklamedrucksachen findet sich wenig wirklich Gutes, das meiste ist Durchschnittsware; verschiedene Arbeiten lassen er kennen, daß der Auftraggeber etwas für die Ausstellung seiner Drucksachen anwenden wollte, daß die Ausführung aber miß lungen ist, einige Drucksachen (z. B. der Katalog von Paul Müller) verdienen die Note »billig« und »schlecht« und zeigen, daß manche Geschäftsleute den Wert einer guten Reklame drucksache leider nicht zu würdigen wissen. Anders wirkt da gegen die in New York hergestellte kleine Reklamebroschüre »Pantasote«, welche der Einführung dieses Leder-Ersatzmittels dient. Aus der Fachliteratur sind die drei Organe »Allgemeine Tapezierer-Zeitung«, »Das Möbel-Magazin« und »Deutsche Möbel-Industrie« vertreten. Die beiden erstgenannten zeigen die gewöhnliche hausbackene Ausstattung solcher Fachblätter, die keinen überflüssigen Aufwand treiben wollen; die »Deutsche Möbel-Industrie« aber, die schon durch ein ungewöhnlich großes schmales Folioformat auffällt, wird auf Kunstdruckpapier ge druckt, bringt Illustrationen in Autotypie und hat mehrfarbigen Umschlag aus weißem Kunstdruckkarton, der mit Anzeigen be deckt ist und als Titel eine Originalzeichnung trägt. Die hierzu verwendeten Farben, Blauviolett und Hellgrün, leisten in ihrer unmittelbaren Zusammenstellung das Höchste an Farbenfreudig keit. Sie finden sich glücklicherweise in typographischen Arbeiten selten wieder in solcher Anwendung zusammen. Der Ausstellungskatalog ist sorgfältig hergestellt; es zeigt sich dabei aber wieder, daß das hochglänzende Kunstdruckpapier nicht für alle Zwecke geeignet ist, hier erscheint die verwendete Petit- Mediaeval zu zart, und bei dem leicht gehaltenen Druck auf dem glänzenden Papier ist das Lesen für das Auge ermüdend. — e. Ausstellung in Nürnberg. Die Steindruckschnellpressenfabrik von Steinmesse & Stollberg befindet sich in Nürnberg und nicht in Würzburg. (Berichtigung zu Nr. 65 S. 2685.) Setzmaschinen. Es wird uns mit geteilt, daß die Staats druckerei in Washington weitere 12 Linotypen bestellt hat. Eingänge Gravuren, Prägeplatten und Vergoldeschriften von Weiß- beck 6 Nickol in Leipzig-R.^ Heinrichstr. 25. Die Gravier- Anstalt der Firma stellt neben Schriften und Einfassungen aus Glockengußmetall auch Platten für die Prägungen her, die für Buchumschläge, Plakate und ähnliche Papierwaren nötig sind. Die uns vorgclegten Proben solcher Arbeiten zeigen neben feinem Geschmack gutes Verständnis der auch auf diesem Gebiet allmächtigen Mode und vorzügliche technische Durcharbeitung der Prägeplatten. Die zusammen setzbaren Einfassungen für Vergoldearbeit sind fast sämtlich Erzeugnisse der Firma, und da sie für Vergoldezwecke gezeichnet sind, passen sie sich diesem Zweck auch besser an, als andere Einfassungen, die eigentlich ursprünglich für Buchdruck bestimmt waren. PAPIER-ZEITUNG