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Nr 6. PAPIER-ZEITUNG 2557 sj'stem geschnitten, konnten also auf kein anderes gegossen werden. Wurde dadurch einerseits die Satzflickerei in den Berliner Druckereien, die diese Einfassungen erwarben, ver mehrt, so bewirkte das System derselben anderseits, daß man über systematisches Letternmaterial in Berlin nach zudenken begann. Das geschah zunächst von der Schriftgießerei Lehmann & Mohr, die von dem Schriftgießer C. W. Mohr und dem Gärtner E. L. Lehmann am 1. August 1834 eröffnet wurde. Die Gießerei selbst war von der Frankfurter Schriftgießerei F. Dreßler & Rost-Fingerlin als Filiale in Hamburg betrieben worden. Lehmann und Mohr brachten sie käuflich an sich und verlegten sie zur angegebenen Zeit nach Berlin. Das Haussystem dieser Gießerei war das sogenannte Frank furter System, sehr schwacher, beinahe englischer Kegel, und sehr hohe Höhe, fast eine Nonpareille höher als Normalhöhe. Mit dieser Gießerei hielt das bis dahin in Berlin unbekannte Frankfurter System seinen Einzug in diese Stadt, und es wurden neue Druckereien danach eingerichtet, z. B die von Hugo Preuß 1860 errichtete Buchdruckerei, die dann in den Besitz E. v. Hülsens überging, die heutige Buch druckerei Hermann Blanke. Ueber die Systematisierung des Schriftkegels sprachen sich Lehmann und Mohr in ihrem an die Buchdruckereien versandten Zirkular dahin aus: »Was die von Tag zu Tag mehr bekannt werdende systematische Einrichtung einer Buchdruckerei betrifft, so glauben wir nicht, Sie auf deren so zweckmäßige als auch vorteil hafte Eigenschaften besonders aufmerksam machen zu müssen. Unsere Herren Vorgänger haben bereits bei vielen Druckereien das Viertelpetit-System angewandt. Wollen Sie nun diese vor teilhafte Einrichtung in Ihrer Offizin einführen, so halten Sie sich fest überzeugt, wir werden bei Ausführung der uns an vertrauten Bestellungen mit der größten Sorgfalt zu Werke gehen. In diesem Falle ersuchen wir Sie um Zusendung von 30 m Ihres Petitkegels, welche erforderlich sind, alle übrigen Kegel nach diesem System zu bilden.« Während vorher und auch noch lange nachher vielen Gießereien 3 m als Zurichtung zur Bildung des Schrift- kegels genügten, wird hier die Sache ernster genommen; es werden so viel m verlangt, als zur Füllung eines Typo meters von 5 Konkordanz Länge erforderlich sind. Leider war dieser schöne Anlauf zur Systematisierung des Schrift kegels für die Allgemeinheit nicht von Nutzen. Es war nicht eine sich immer gleichbleibende Petit, die als System einheit erwählt wurde, also z. B. 1/ Zoll des damals in Preußen giltigen rheinischen Fußes, sondern die Petit der bestehenden Druckereien, die ohne System und außerdem voneinander verschieden waren. Durch dieses Vorgehen Lehmanns und Mohrs erzielten die einzelnen Druckereien in sich systematisches Material, aber ein einheitlicher Schriftkegel der Berliner Buchdruckereien kam nicht zu stande; die bestehenden eigenen Kegel wurden vielmehr dadurch dauernd festgelegt und damit die Errichtung eines Schriftlagers, von dem aus alle Buchdruckereien versorgt werden konnten, leider unmöglich gemacht. Im übrigen entwickelte sich diese Gießerei ständig und brachte auch von Zeit zu Zeit Neuheiten auf’den Markt, zum Teil von dem in ihr wirkenden Stempelschneider C. Kisch herrührend, der sich 1847 als Gießmaschinenbauer selbständig machte und seine erste Gießmaschine an Lehmann und Mohr lieferte. 1875 erwarb W. Ohm jr. die Gießerei, der sie jedoch nur wenige Jahre betrieb. 1879 kam sie in den Besitz des Buchdruckers F. W. Assmann, der vorher die mechanische Werkstätte von C. Kisch käuf lich erworben hatte und nun beide Geschäfte betrieb. Zur Unterstützung in der Schriftgießerei nahm er den Reisenden von Gronau, Schöne, auf, und die Gießerei firmierte bis zu dem 1880 erfolgten Austritt Schönes Assmann & Schöne, von da ab als Schriftgießerei F. IV. Assmann. Assmann löste den Betrieb der Kischschen Werkstätte allmählich auf. Seit seinem 1899 erfolgten Tode setzt dessen Witwe den Betrieb der Gießerei fort. Hermann Smalian Schutzverband reisender Kaufleute des Kunstgewerbes Die Anzeige unter R in Nr. 57 Ihres Blattes beant worteten wir wie folgt: »Wir bitten um einige Mitteilung über Ihre bisherige Tätigkeit, Erfolge etc.,: worauf wir von dem Schutzverbande reisender Kaufleute des Kunstgewerbes nachstehende Mitteilung erhielten: Abteil.: Betr. Schwarze Liste fol. Teilen Ihnen mit, daß Ihre Firma auf der schwarzen Liste steht wegen ungebührlicher Behandlung Ihrer Reisenden, der Inserent R , Mitglied unseres Schutzverbandes, also bei Ihnen nicht eintreffen dürfte. Da uns nicht erklärlich ist, warum wir auf der schwarzen Liste stehen sollen, schrieben wir unterm 24. Juni an den oben genannten Verband: Aus einer uns heute zugegangenen Mitteilung ersehen wir, daß unsere Firma wegen ungebührlicher Behandlung eines Reisenden auf die schwarze Liste Ihres Verbandes (Folio ) gestellt worden ist. Wir können uns die Sache nur so erklären, daß hier eine Verleumdung gegen uns vorliegt, und ersuchen Sie, uns Gelegenheit zu geben, uns über die Sache zu äußern, zumal es uns nicht einerlei ist, bei dem Engagement unseres Personals Schwierigkeiten zu haben. Da wir diesen Brief als unbestellbar zurückerhielten, wir aber die Sache weiter verfolgen wollen, und es auch nicht im Interesse Stellung suchender Reisender liegen kann, daß der artige Manipulationen vorkommen, so wären wir Ihnen sehr dankbar, wenn Sie uns die Adresse des Schutzverbandes reisender Kaufleute des Kunstgewerbes aufgeben könnten. Falls Ihnen der Name desjenigen Reisenden bekannt ist, der die An zeige unter R einrücken ließ, so bitten wir auch um Aufgabe desselben. X &• Y, Kunstdruckerei Die Namen von Anzeigenbestellern unter Ziffer dürfen wir niemandem bekanntgeben. Wir erkundigten uns nach dem Schutzverband bei einem befreundeten Plakat-Reisenden und erhielten folgende Antwort: In angefragter Sache bin ich, wie alle Mitglieder des Ver bandes, durch Ehrenwort gebunden, strengste Geheimhaltung zu beobachten. Um Ihren Wünschen einigermaßen nachzukommen, habe ich mich mit dem Präsidium darüber besprochen, ob es nicht gut wäre, wenn wir unter Wahrung der Anonymität des Verbandes einiges in Ihrer Zeitschrift veröffentlichen sollen, was Aufklärung über die einwandfreien, nur dem Schutze der Mitglieder dienenden Einrichtungen des Vereines gibt. Der Verein ist kein Feind der Arbeitgeber, im Gegenteil, er sucht deren Interesse in mancher Beziehung zu fördern, doch ist er ein entschiedener Gegner derjenigen Firmen, die mit ihren Reisenden treiben, was sie wollen, und sie dann ohne recht lichen Grund auf die Straße setzen; unsere Mitglieder sollen dann nicht den Rechtsweg betreten, sondern wir schützen sie im voraus vor Stellen, in welchen sie solches zu erwarten hätten. Der Anfrager bei Ihnen ist wahrscheinlich X in A, der es fertig bringt, in einem Jahre 12 Reisende herauszuwerfen; schlecht bezahlt, viel verlangt usw. Oder auch Y in B, der die Reisenden nach Belieben zurückruft, und sich um ge setzliche Bestimmungen nicht kümmert, sofern er das bezahlen soll, was das Gesetz vorschreibt. Er läßt sich lieber verklagen! Oder ein anderer. Weitere Mitteilungen über den Schutzverband sind er wünscht. Städtische Buchbinderarbeiten in Offenbach a. M. In einer Ihrer letzten Nummern las ich die Mitteilung, daß laut Beschluß der Offenbacher Stadtverordneten die städtischen Buchbinderarbeiten nur an tariftreue Buchbindermeister ver geben werden sollen. Es wird Sie jedenfalls interessieren, einen Zeitungsausschnitt über die Stadtverordnetensitzung vom Juni zu lesen, da ich an nehme, daß Ihnen diese Nachricht in anderer Fassung zu gegangen ist. Bnchbindermeister, Offenbach Der Bericht lautet: Die Zahlstelle Offenbach des deutschen Buchbinderverbandes hatte das Gesuch an die Bürgermeisterei gerichtet, die Buch binderarbeiten nur an solche Firmen zu übertragen, welche auf den Tarifvertrag eingegangen seien. Stadtv. Boehm ist der Ansicht, daß es nicht Sache der Stadtverordneten sondern der Verwaltung ist, die Arbeiten zu vergeben. Man dürfe eine Firma nicht durch Boykottierung zur Anerkennung eines Tarifs und zur Unterwerfung unter eine Organisation zwingen wollen. Stadtv. Ulrich widerspricht der Ansicht des Stadtv. Boehm. Stadtv. Porth: Die Anerkenner des Tarifs liefern sich einfach aus. Wer ist denn Schiedsrichter bei Streitfällen? Die ganze Sache ist einseitig zugunsten des Buchbinderverbandes gemacht. Oberbürgermeister Brink: Die Ansicht des Stadtverordneten Ulrich trifft nicht zu. Nach der Städteordnung werden die Arbeiten vom Oberbürgermeister auf Grund öffentlicher Ausschreibung vergeben. Daß ich die Bestimmung nicht so strenge handhabe, geht schon daraus hervor, daß ich diese Angelegenheit ohne weiteres den Stadtverordneten vorgelegt habe. Stadtv. Ulrich: Der Oberbürgermeister hat aber die Pflicht, die Beschlüsse der