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Schaufenster-Ausstattung Vergl. Nr. 55 S. 2291 Leider wird noch viel zu wenig Wert auf die Aus stattung des Schaufensters gerade vom Papierhändler gelegt, trotzdem sie für ihn besonders wichtig ist. Die meisten Inhaber überlassen diese Arbeit dem Gehilfen oder Lehrling, und diese haben oft keine Lust und, was ebenso bedauerlich ist, keinen Geschmack. Wenn aber eine Firma die in Nr. 55 abgebildete Auslage als mustergiltig bezeichnet, so muß ihr in dieser Ansicht vom ästhetischen und künstlerischen Standpunkt aus widersprochen werden. Nach dem Bilde macht das Schaufenster den Eindruck der Ueberladenheit, der Fülle und der Unübersichtlichkeit. Für die Provinz mag es einer gewissen Wirkung nicht entbehren; der Großstädter hat keine Zeit, sich stundenlang vor einem Geschäft aufzuhalten, um die vielen Wunderdinge mit Ruhe zu betrachten. Er will über das Neue und Sehenswerte mit wenigen Blicken unterrichtet sein. Ich warne daher vor zu großer Ansammlung verschiedenartiger Gegenstände, die den Eindruck eines Warenlagers machen, sich aber meist nicht als kaufreizend erweisen. Man arbeite beim Schmuck der Auslage nach bestimmten Gesichtspunkten. Um Ostern herum seien Schulhefte, Bleistifte, Federhalter und ähnliche für Schüler nützliche Sachen vorherrschend, zur Reisezeit mögen Ansichts karten, Alben, Briefkassetten usw. hineinkommen, dann kann eine Geschäfts-Ausstattung mit Kontobüchern usw. folgen und so fort. Abwechselung ist die Hauptsache, denn wer mit der Aus lage anlockt, vermehrt seine Kundschaft. Nicht darin besteht die Kunst des Kleinhändlers, einen Kunden zu erhalten;! viel schwieriger ist es, Leute in den Laden zu locken, die sonst bei der Konkurrenz gekauft haben würden. Nicht ohne Grund werden in Berlin Unsummen in Laden fronten und Schaufenstern verbaut. Diese für Reklame auf gewendeten Gelder kommen doppelt und dreifach wieder herein. Carol Hilarius. Unzüchtige Ansichtskarten (Vergl. Nrn. 72 und 104 von 1904 und 19 von 1905) Inwiefern können Kunstwerke unzüchtig sein? Mit dieser Frage mußte sich kürzlich der 2. Strafsenat des Reichsgerichts beschäftigen. Es handelte sich um die Strafsache des Buch händlers Moritz F., der jetzt vor der Strafkammer des Land gerichts I Berlin wegen Verbreitung unzüchtiger Abbildungen zum zweiten Male stand. Der Angeklagte ist Inhaber eines Ge schäfts, in dem er auch große Posten von Ansichtskarten ver kauft. Eines Tages wurden von einem Kriminalschutzmann mehrere Postkarten aus dem Schaufenster beschlagnahmt. Sie enthielten Abbildungen von französischen Kunstwerken, die im »Salon« zu Paris gewesen waren oder sich im Louvre befinden. F. bekam eine Anklage wegen Vergehens gegen den Para graphen 183 St.-G.-B. Die Strafkammer sprach den Angeklagten aus folgenden Gründen frei: Es sei nicht zu verkennen, daß es Kunstwerke geben könne, die in einem Museum oder in einer Ausstellung trotz ihres sinnlichen Gehalts das Schamgefühl nicht verletzen, während Reproduktionen dieser Kunstwerke den Charakter des Unzüchtigen hätten. Die Vervielfältigung eines derartigen Kunstwerkes sei aber nur dann als unzüchtig anzu sehen, wenn aus ihrer Art hervorgehe, daß lediglich der ge schlechtliche Anreiz ihr Zweck gewesen sei. In dem vor liegenden Falle sei eine Reproduktion aber hergestellt, um dem Publikum einen Einblick in die französische Kunst zu gewähren, da nicht jeder Kunstverständige in der Lage sei, die Reise nach dem Ausstellungsort anzutreten und sich die Werke im Original anzusehen. Da die inkriminierten Postkarten außerdem Nach bildungen von selbständigem Kunstwert und geeignet seien, einen künstlerischen Genuß zu bereiten, so falle hier das Moment einer unzüchtigen Abbildung fort, so daß auf Freisprechung des Ausstellers erkannt werden müsse. Gegen dieses Urteil der Strafkammer legte die Staatsanwaltschaft Revision ein. Der zweite Strafsenat des Reichsgerichts kam zu einer andern Aus legung des Begriffes »unzüchtig«. Es sei in erster Linie fest zustellen, inwiefern ein Kunstwerk überhaupt unzüchtig sein könne. Um Kunstwerke handle es sich allerdings. Bei einem wirklichen Kunstwerke sei der Begriff des Unzüchtigen nicht anwendbar, weil die künstlerische Absicht und Wirkung bei einem solchen dermaßen vorwiege, daß dasjenige, was sonst als schamverletzend gelten müßte, durch die zum Ausdruck ge brachte Idee diesen Charakter verliere. Es könne aber keine Rede davon sein, daß jedes Werk der Kunst schon deshalb, weil es überhaupt eine Kunsttechnik aufweist und künstlerischen Zielen nachgehe, dem Bereiche des Unzüchtigen gänzlich entrückt sein müsse. Ein Kunstwerk in des Wortes idealster Bedeutung werde freilich nie unzüchtig sein; es gebe aber unzüchtige »Werke der Kunst«. Der Vorderrichter habe angenommen, die Vervielfältigung eines solchen Kunstwerkes sei nur dann un züchtig, wenn die Art der Vervielfältigung erkennen lasse, daß der geschlechtliche Anreiz der Zweck der Reproduktion ge wesen sei. Das Reichsgericht sei dagegen der Ansicht, daß sich aus dieser Ausführung der Strafkammer nicht erkennen lasse, was unter »Art der Vervielfältigung« zu verstehen sei. Gemeint könne nur der künstlerische Wert der Reproduktion bezüglich ihrer technischen Vollkommenheit sein oder die Umstände, unter denen diese Nachbildungen dem Publikum dargeboten würden. Bezüglich des ersten Punktes gelte bei der Nach bildung dasselbe, was von dem Original gelte: Die technische Vollkommenheit und der Kunstwert schließen eine »unzüchtige« Darstellung nicht aus. Die Umstände, unter denen die Nach bildungen dem Publikum dargeboten werden, könnten von aus schlaggebender Bedeutung für die Frage der Unzüchtigkeit sein; nur dürfe die Frage nicht dahin lauten, ob »lediglich der ge schlechtliche Anreiz der Zweck der Reproduktion gewesen sei.« Einerseits sei die Absicht, künstlerischen Genuß zu bereiten, keineswegs mit derjenigen unvereinbar, die Lüsternheit anzu reizen; anderseits könnten dieZwecke des Herstellers der Nach bildungen und desjenigen, der sie dem Publikum darbiete, durch aus verschieden sein; endlich komme es überhaupt weniger darauf an, ob mit der Darbietung der Zweck verfolgt werde, die Lüsternheit anzureizen, als vielmehr darauf, ob die Darstellung geeignet sei, das Schamgefühl zu verletzen, und ob der Dar steller das Bewußtsein davon habe. Es handelt sich in dem vorliegenden Falle um Massenproduktion von Ansichtspostkarten, die für geringen Preis an jeden Beliebigen — mithin nicht nur an solche Personen, von denen der Vorderrichter annimmt, daß ihnen »ein Einblick in die französische Kunst gewährt werden sollte« — verkauft werden. Es sei nur zu prüfen gewesen, ob nicht dieselben Darstellungen, die als Originalgemälde im Pariser Salon keinen Anstoß erregt haben mögen, in ihrer nunmehrigen Gestalt als Postkartenbilder, die auf der Straße jedem Vorüber gehenden ohne Unterschied des Alters, des Geschlechts und der Bildung zur Schau und zum Kaufe gezeigt werden, gerade im Hinblick auf diese Art ihrer Darbietung den Charakter der Unzüchtigkeit angenommen hätten. Dies sei von dem Reichs gericht bejaht worden. Das erste Urteil wurde deshalb auf gehoben und die Sache zur nochmaligen Verhandlung an die Vorinstanz zurückverwiesen. Die Strafkammer kam nunmehr zur Verurteilung des Angeklagten F. und erkannte auf 20 M. Geldstrafe. (Tägl. Rundschau, Berlin) Verhängen der Schaufenster während des Hauptgottesdienstes Der Verein zur Wahrung des Detailhandels in Karlsruhe, dem nach seiner Angabe etwa 300 der ersten und größten Detail geschäfte der Stadt angehören, wandte sich vor einiger Zeit an das Ministerium des Innern mit einer Eingabe, worin um Auf hebung der Verordnung über das Verhängen der Schaufenster während des Hauptgottesdienstes an Sonn- und Feiertagen ge beten wurde. Der Eingabe hatten sich die Handelskammer für die Kreise Karlsruhe und Baden, sowie der Stadtrat von Karlsruhe befürwortend angeschlossen. Da das Gesuch ohne Angabe näherer Gründe abgelehnt worden war, wandte sich der Verein an den Landtag mit der Bitte, sein Gesuch der Regierung empfehlend zu überweisen. Zur Begründung seiner Bitte machte der Verein dreierlei geltend: einmal könne die äußere Heilighaltung des Sonntags nicht dadurch erfolgen, daß man ein an sich schönes Bild gewerblicher und industrieller Produkte durch Leinwand hüllen oder schmutzige Rolläden ersetze. Die äußere Heilig haltung der Feiertage werde vielmehr im Gewand des Geschäfts am besten dadurch bewirkt, daß durch den äußern sichtbaren Abschluß der Ladentür gezeigt sei, daß jede öffentliche Tätigkeit ruhe. Da die moderne Entwicklung städtischer offener Verkaufs lokale mehr und mehr dahin dränge, die in Schaufenstern aus gestellten Waren Tag und Nacht sichtbar zu lassen, um das re präsentative Bild nicht zu beeinträchtigen, besäßen moderne Bauten dieser Art zumeist die alten Einrichtungen zum Ver hüllen der Schaufenster nicht mehr. Schon aus diesem Grunde sei es geboten, die unnötige Sonntagsarbeit des Verhängens durch Aufhebung der Verordnung in Wegfall kommen zu lassen. Die Petitionskommission der Zweiten Kammer stimmte dieser Begründung des Vereins völlig zu. Auch nach ihrer Auffassung