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Nr. 61 PAPIER-ZEITUNG 2509 der Mauer des Lumpensortiersaales gemacht werden mußten, mit einer höheren Fenstersteuer belegt wurde, obwohl die Leistungsfähigkeit seiner Anlage durch die Neuerung eher abgenommen hat. Vorsitzender hofft, daß die Fenstersteuer nach Einführung der neuen Einkommensteuer beseitigt wird. In anderen Gegenden begnügen sich die Gewerbe-Auf sichtsbeamten mit gründlicher Lüftung der Lumpensortier- Säle. Auch Waschtische und Ankleideräume werden vor geschrieben, aber die Gewerbe-Aufsichtsbeamten begnügen sich mit allmählicher Aufstellung derselben. Auch fordern sie keine gemeinsamen Speiseräume für die Arbeiterinnen. Solche Forderung wäre auch nicht durchführbar, da Arbeiter nicht gezwungen werden können, wie Schüler gemeinsam zu essen. Ausfuhrzoll auf Lumpen. Der frühere Vorsitzende des Vereins, Herr Laroche-Joubert, hat der früheren Kammer einen Gesetzentwurf über den Ausfuhrzoll von Lumpen vor gelegt. Da jedoch die Kammer inzwischen durch eine neue ersetzt wurde, muß der Vorschlag neu eingebracht werden. Vorsitzender fürchtet, daß der Vorschlag keine Aussicht auf Annahme hat, da Ausfuhrzölle unbeliebt sind, und ein ähnlicher Antrag in Deutschland infolge Wider stands der Regierung verworfen wurde. Es wird auch auf die Gegnerschaft bingewiesen, welche die Lumpensammler, eine in Paris einflussreiche Wäblerklasse, dem Lumpen- Ausfuhrzoll entgegenbringen. Der Vorsitzende führt die Notwendigkeit eines Ausfuhr zolls vor Augen. Die Lumpen-Ausfuhr sei von 420000 dz in 1904 auf 547 000 dz in 1905 gestiegen, und in den ersten 5 Monaten von 1906 betrage die Ausfuhr wieder mehr als in der gleichen Zeit des Vorjahres. Sie habe sich in vier Jahren fast verdoppelt. Es wird angeregt, die Eisenbahnen, Maschinenfabriken und Eisenwerke zur Unterstützung des Gesetzentwurfs heranzuziehen, da für diese die Putzwolle ein unentbehrlicher Gebrauchsgegenstand sei, dessen Preis durch die ungehinderte Lumpenausfuhr ständig steige. Auch die Lumpenreißereien und Kunstwollfabriken sollen zum Durchbringen des Gesetzentwurfs mithelfen. Der Pa pierfabrikant und Abgeordnete Failliot überimmt es, der neuen Kammer den Gesetzentwurf über den Lumpenausfuhr zoll vorzulegen. Lieferungsbedingungen der Staatsdruckerei. Der Verein hat sich bemüht, bei der Staatsdruckerei durchzusetzen, daß sie in die Lieferungsbedingungen einen Satz aufnimmt, wonach Streik in der liefernden Fabrik diese von der Lie ferung entbindet. Das Postministerium als Vorgesetzte der Staatsdruckerei hat jedoch erklärt, es könne einen Streik nicht als einen Fall höherer Gewalt ansehen, weil auch die maßgebenden Gerichte in ähnlichem Sinne entschieden hätten. Die Versammlung beschließt, diese Angelegenheit auf sich beruhen zu lassen, da es der Fabrik, welche durch Streik an der Lieferung verhindert sei, frei stehe, von Fall zu Fall nachzuweisen, daß der Streik in ihrem Betrieb nicht durch Verschulden der Firma entstanden sei. Streik im Druckgewerbe. Der Vorsitzende berichtet über den am 1. Mai 1906 entstandenen Streik im französischen Druckgewerbe. Dieser hatte eine zerstörende Wirkung auf den Papiermarkt. Die Bewegung der Preise nach oben, welche im besten Gange war, wurde aufgehalten. Druck- und Papier-Aufträge fielen Belgien und Deutschland zu. Die meisten Arbeiten, die sonst zu dieser Jahreszeit gemacht werden, unterblieben. Da solche Arbeiterausstände auch in Papierfabriken vorkommen können, wird angeregt, nach Muster anderer Industrien einen Schutzverband der Arbeitgeber zu gründen, welcher dem einzelnen Ar beitgeber zu Hilfe kommen soll, sobald er von seinen Ar beitern ohne berechtigten Grund mit Streik überzogen wird. Vorsitzender empfiehlt den Anschluß an den Bund fran zösischer Kaufleute und Indusrieller, Boulevard Haussmann Nr. 50, welcher ähnliche Ziele verfolgt. Mehrere Fabrikanten empfehlen statt dessen, einen besonderen Bund der Papier fabrikanten zu gründen. Jedes Mitglied soll z. B. nach jeder Papiermaschine 500 Frank einzahlen, und der Bund soll mit den so gewonnenen Mitteln, etwa 500000 Fr., den zu Unrecht bedrängten Fachgenossen beispringen können. Diese Anregung wird einstimmig angenommen, und der Vorstand beauftragt, der nächsten Versammlung ent sprechende Vorschläge zu machen. Es wird empfohlen, statt der Zahl der Maschinen den Wert der Erzeugung als Maßstab für die Beiträge zu benutzen. Papiermachcr-Fachschule. Herr Chapuis, Direktor einer ehemaligen Fachschule für Papierfabrikation in Paris, hat an den Verein eine Zuschrift gerichtet, worin er die Zwecke und Lehrmittel der deutschen Papiermacher-Fachschulen in Darmstadt, Köthen und Altenburg auseinandersetzt, und welcher er 3 Druckschriften über die städtische technische Schule in Manchester beigefügt hat. Alle diese Schulen sind seit einigen Jahren in Gang. Die deutschen Schulen sind von einheimischen und ausländischen Zöglingen be sucht, u. a. auch von französischen. Sie leisten der Papier fabrikation große Dienste. Ihre Einrichtungs- und Unter haltungskosten werden teils vom Staat, teils von Fachver einen, teils von Privaten aufgebracht. Viele Maschinen fabrikanten schenkten diesen Schulen Maschinenmodelle und Versuchsmaschinen. Es werden nur Zöglinge zugelassen, welche mindestens 18 Jahre alt sind und 1 Jahr in einer Papierfabrik gearbeitet haben, ausnahmsweise werden auch 17jährige Zöglinge mit genügender Vorbildung angenommen. Herr Chapuis hat dem französischen Handelsminister den Plan einer französischen Papiermacherschule unterbreitet und bittet um die Meinung des Vereins französischer Pa pierfabrikanten über die Gründung einer solchen Schule. Wie der Vorsitzende ausführt, soll die geplante Schule an die demnächst zu gründende Schule für Künste und Gewerbe in Paris angeschlossen werden. Nach Ansicht des Vorsitzenden wäre es in erster Linie nützlich, eine Schule für junge Leute zu gründen, welche schon 2 bis 3 Jahre als Lehrlinge oder Vorarbeiter in einer Fabrik ge wirkt haben. Sie könnten dann ihre praktischen Kennt nisse durch wissenschaftliche Studien erweitern, welche den Bedürfnissen der Papiermacherei angepaßt sein und sich auf das Gebiet der Mechanik, Chemie und Elektrotechnik erstrecken müßten. Sie wären auf diese Weise befähigt, mit der Zeit Fabrikleiter zu werden. Ein Fabrikant meint, die beste Schule sei die Fabrik selbst. Ein anderer sagt, daß man das Gedächtnis der jungen Leute nicht mit zu vielen Gegenständen, welche sie in kurzer Zeit lernen sollen, beschweren dürfe. Ein Fabri kant meint, man müßte für eine solche Schule erst Lehrer heranbilden. Der Vorsitzende erwidert hierauf, daß frühere Fabrik-Direktoren und Fabrikbesitzer unter Umständen solche Lehrerstellen gern übernehmen würden. Da die Aussprache ergab, daß die Ansichten geteilt sind, wurde kein Beschluß gefaßt und die Frage auf die nächstjährige Hauptversammlung vertagt. Marktlage. Vorsitzender: Anfang Juni hat der Streik der Lithographen und Buchdrucker nach einmonatiger Dauer aufgehört, und seitdem sind auch die Geschäfte auf dem Papiermarkt, die während des Streiks zum Teil ganz aufgehört hatten, wieder lebhafter geworden. Das durch den Streik verursachte Uebel ist indessen noch nicht über wunden. Obgleich die Bestellungen zahlreicher sein könnten, sei es doch nötig, die zu Beginn des vorigen Winters etwas erhöhten Preise beizubehalten und lieber im Notfälle ein paar Tage ohne Bestellung zu bleiben. Ein Fabrikant führt aus, daß auf dem Packpapiermarkt die Nachfrage sehr rege sei, und sich die erhöhten Preise leicht halten lassen. Der Zeitungspapiermarkt ist — nach Aussage eines andern Fabrikanten — infolge des Streiks schwach. Fest halten an den Preisen sei jedoch umso nötiger, als man zum Herbst erhebliche Preiserhöhung für Kohlen erwartet. Der Holzschliffpreis hat zwar nachgegeben, und für un gebleichten Holzzellstoff erwarte man im nächsten Jahr niedrigere Preise, aber nicht für gebleichten Zellstoff, denn der Preis von Chlorkalk steige und dürfte weiter steigen. Die Anfang des Winters vorgenommene Preiserhöhung decke nicht einmal die Hälfte der Mehrkosten, welche durch das Steigen der Rohstoffpreise verursacht werden. Auch die Mindererzeugung, welche bei Einführung des Gesetzes über die Sonntagsruhe eintreten wird, wird die Unkosten der Fabrikanten erhöhen, ebenso die Altersversicherung der Ar beiter. Mit einem Aufruf des Vorsitzenden, mit Zuversicht an die Erhöhung der Preise zu gehen, wurde die Versamm lung geschlossen. Am Abend versammelten sich die Teilnehmer und einige Gäste zu einem Festmahl, und dort wurde infolge Anregung des Herrn Failliot beschlossen, im Laufe des Sommers eine Versammlung im Departement Isere abzu halten.