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2 168 PAPIER-ZEITUNG Nr. 52: Was klar und einfach, im Schnitt gut lesbar und weder zu fett noch zu mager ist, und was im Verhältnis zu seiner Höhe weder zu schmal und eng steht, noch zu breit auseinanderläuft, das kaufe man. Also Antiqua halb fett, Schwabacher mager, Neudeutsch, Gothisch, Kanzlei halbfett, wenn — wir Geld und Verwendung für so vielerlei Schriften haben; andernfalls rate ich, sich auf Antiqua und Kanzlei zu beschränken. Reine halbfette Antiqua ist eine klare, gut lesbare, unentbehrliche und, weil vielfach ver wendbar, dankbare Schrift, sie muß in den verschiedenen nötigen Graden angeschafft werden. Ihre Anschaffung ist am einfachsten, weil es bei ihr nur auf die Wahl der Grade ankommt. Schwabacher ist eine schöne und gut lesbare Schrift von einfachem Schnitt, sie läuft aber breit und muß deshalb mager gewählt werden. Der Schwabacher ähnlich ist Neudeutsch, diese läuft aber nicht so breit und kann deshalb halbfett sein. Eine sehr schöne Schrift von vor nehmer Wirkung ist eine halbfette mittelbreite Gothisch. Diese drei Schriften haben jedoch so eigenen, man kann sagen persönlichen Charakter, daß wir sie nicht überall anwenden können, und, wenn wir nicht alle drei anschaffen wollen, nach einer Schrift suchen müssen, welche sich zu andern Schriften möglichst neutral verhält. Nun läßt sich ja auch gegen Kanzlei manches einwenden, nach meinem Empfinden aber, welches ja für andere unverbindlich ist, paßt Kanzlei zu Titeln auf Rücken oder Decke des Buches noch am besten, wenn das Buch in einer andern Schrift (außer Antiqua) gedruckt ist, und würde sich noch besser ein fügen, wenn die ganz überflüssigen Schwänze unter den großen Buchstaben wegblieben und die großen A U sowie E und L besser voneinander unterscheidbar wären. Viel leicht ist es mir möglich, in der Buchausgabe dieses Auf satzes eine für uns geeignete moderne Schrift empfehlen zu können. Ist man sich über den Charakter der Schrift klar, hinsichtlich des Körpers derselben gehe man über »halbfett« nicht hinaus, so hat man die Grade zu wählen. Bei Schriftgießern und Buchdruckern werden die Schrift höhen als Grade bezeichnet und mit besonderen Namen benannt, die Höhen aber werden nach Punkten berechnet, und die Summe der Punkte einer Schrifthöhe heißt »der Kegel«. 1 Punkt ist etwa gleich 1/24 cm oder 1/s Petit. 1 Petit = 8 Punkte ('/ 3 cm), 1/4 Petit = 2 Punkte, 1 cm = 24 Punkte. Ich nenne die Schriftgrade und ihre Kegelhöhen nach Punkten, und jeder kann danach berechnen, welche Schrift grade er bestellen muß. Ich trenne die Schriftgrade in solche, welche sich auch für Handvergoldung eignen und solche, welche nur bei Preßvergoldung gebraucht werden können. Bei der Wahl der Grade ist darauf Rücksicht zu nehmen, daß sie bei Verwendung mehrerer auf einem Buchtitel untereinander gut abgestuft sind und dadurch ein schönes Schriftbild darstellen, welches die Hauptworte des Titels hervor-, die Beiworte aber zurücktreten läßt. Grade Kegel für Hand-, die größeren auch für Pressendruck Nonpareille = 6 Punkte Petit Corpus Cicero Mittel Tertia Text Doppelcicero =24 „ (äußerste Schrifthöhe, welche sich mit der Hand noch gut ausdrucken läßt.) Grade Kegel , nur für Pressendruck Doppelmittel = 28 Punkte Kleine Canon = 32 „ Grobe » = 36 Kleine Missal =48 „ Grobe » =60 „ usw. (über 2,5 cm hohe Schriften werden sehr selten ge braucht). 10 12 14 16 Haben wir nun Schriftcharakter und Schriftgrößen fest gestellt, so unterscheiden wir zwischen den Schriften, welche wir nur zur Handvergoldung oder nur zur Preß vergoldung oder zur Hand- und Preßvergoldung verwenden wollen. Die ersteren müssen wir auf hohem Stocke oder Fuße (fälschlich ebenfalls Kegel genannt) bestellen, die letzteren beiden auf niedrigem Fuße und in ‘Gelbmetall. (Messingschriften.) Reisende der Schriftgießereien erklären, daß dies Metall eine Zusammenschmelzung von Messing mit Kupfer, sogenannter Rot- oder Glockenguß, und darum härter als Messing sei. Ich habe keinen Grund, es zu be zweifeln, habe es aber auch noch nicht feststellen können. Zur ausschließlichen Verwendung für Handvergoldung kauft man häufig ebenfalls Messingschriften, weil die Reisenden sehr zureden, und der junge Meister rechnet, daß er für die größere Ausgabe dann auch Schriften hat, welche ein Menschenalter aushalten. Das tun sie ja auch; aber zu nächst hat man für viel mehr Geld viel weniger Schriften, nur 150—200 Buchstaben im Satze gegenüber 400—900 und mehr Buchstaben bei Bleischriften und kommt mit so wenig Buchstaben nur aus, so lange es nur wenige Titel zu drucken gibt. Kommen größere Sortimente mit viel ver schiedenen Titeln, so sind die wenigen Schriftzeichen bald vergriffen. Das immerwährende Absetzen und Neusetzen der Titel unterbricht aber das Drucken in höchst lästiger Weise, man kommt nicht vorwärts, verliert die Geduld und schafft dann doch noch Bleischriften an. Dann genießen die Messingtypen, weil doch unzureichend, ein ruhiges Dasein, und das schöne Geld dafür ist nutzlos ausgegeben. Ich spreche hier aus eigener, teuer erkaufter Erfahrung und kann auf Grund derselben versichern, daß unter allen teuren Buchbinderwerk zeugen Messingschriften zur Hand Vergoldung für den mittleren Sortimentsbetrieb die teuersten sind. Doch selbst im kleinen Betriebe wird man nicht sein ganzes Leben lang immer dieselben Schriften auf alle Bücher drucken, sondern auch mal etwas Neues bringen wollen. Daran hindern dann die nun einmal vorhandenen und teuer bezahlten Messingschriften, weil sie zum Aus rangieren immer noch zu gut und zu schade sind. Und hat man sich gar bei der Anschaffung vergriffen, so kann man sich lebenslang darüber ärgern, während unbeliebte Bleischriften doch einmal unbrauchbar und durch 'neue ersetzt werden. Darum empfehle ich in jedem Falle zur Handvergoldung nur Bleischriften. Ehe man nun die Schriften bestellt, lasse man sich von je einem Grade einer Schrift, ganz gleich, ob für Hand oder Preßvergoldung, den Abdruck eines vollständigen Alphabets einsenden, damit man das Bild jedes einzelnen Buchstabens sieht und nicht solche erhält, deren Bedeutung zweifelhaft ist. Außerdem verlange ma auch die Zeichen, welche gewöhnlich fehlen und doch hin- und wieder ge braucht werden: ?!:()§ mindestens je zweimal, und den . doppelt so oft, wie gewöhnlich, während , ’ und & (und-Zeichen) schon in ausreichender Anzahl geliefert werden. Der Punkt wird zwar am Schlüsse eines Titels jetzt nur selten gesetzt, dennoch wird er immer noch viel gebraucht, und ist das Zeichen, welches zuerst ab genutzt ist. Die Schriftsätze sind nicht immer gut sortiert, man verlange, daß die am häufigsten gebrauchten Typen, das e f I m n r f und t, bei Antiqua auch das große I und bei den andern Schriften die Doppel- und zusammengegossenen Konsonanten ff Isis st reichlich genug vertreten sind. Von den Ziffern muß die 1 doppelt so oft vorhanden sein, wie die übrigen, denn sie wird nicht nur am häufigsten gebraucht, sondern nutzt sich auch am schnellsten ab. Gegen eine entsprechende Zuzahlung werden die Gießereien die mehr gewünschten Zeichen gern liefern, und man hat dann für eine geringe Mehrausgabe vollständige Schrift sätze. Das für Buchdruckerschriften verwendete Metall, so genanntes Letterngut, ist für Buchbinderschriften, da diese erhitzt und auf härteres Material abgedruckt werden, zu weich, und die Gießereien liefern diese Schriften daher in Hartblei. Dieses oxydiert stark, was auf dem Zusatze von Antimon beruhen soll, und man wird an seinen Bleischriften die Wahrnehmung machen, daß sie auf der Bildseite trotz: allen Putzens während des Gebrauchs nachher doch immer wieder schwarz geworden und, wenn sie an einem nicht ganz trocknen Orte stehen und lange nicht gebraucht wurden, sogar angefressen sind. Da ich neu bestellte Schriften schon oxydiert erhielt, beanstandete ich dies und erhielt von der Gießerei die Mitteilung, daß es gegen das Oxydieren der Schriften, besonders wegen des Antimon zusatzes bei Hartblei, bisher noch kein anderes Mittel gibt als das Abreiben mit Tintengummi. Später wurde diese Auskunft in einer Einsendung an die Papier-Zeitung durch einen Fachmann bestätigt. Also: Trockner Standort für die Bleischriften, möglichst häufiger Gebrauch derselben und Abreiben ihrer Bildfläche vor ihrem Gebrauch mit Tintengummi (welcher nicht zu scharf sein darf) schützt diese Schriften vor dem Verderben. Hinsichtlich der Wahl und Verwendung, von Hand-