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Nr. 58 PAPIER-ZEITUNG 239 1 Verein Deutscher Zellstoff-Fabrikanten Der Geschäfts-Bericht über das Jahr 1905 ist dieser Tage erschienen. Er ist im Auftrage des Vorstandes vom Generalsekretär Dr. Graf von Brockdorff erstattet und füllt 18 Oktavseiten. Wir entnehmen ihm folgendes: 1. Allgemeine Wirtschaftslage. Nach einem Rückblick auf die allgemeine Wirtschaftslage im Jahre 1905, die im großen und ganzen als günstig bezeichnet wird, wird festgestellt, daß dieser allgemeine Aufschwung an der deutschen Zellstoffindustrie nicht wirkungslos vorüber gegangen ist. Die deutsche Zellstoff-Industrie hat an Holzzellstoff und Jahre 1905 . . . 415149 Die Erzeugung in 1905 hat also gegen das Vorjahr um rund anschauliches Bild gibt. im Jahre Daß sich die ausländische Konkurrenz, die, wenn auch tech die Ausfuhr: 654 O 55 dz 637060 „ 664 863 » t t t t • 373 297 • 340 574 • 309 785 1904 • 1903 • 1902 . 1905: 1904: 1903: Es betrug nämlich die Einfuhr: 328 696 dz 470 177 » 275290 » Strohstoff erzeugt: im nisch der deutschen keineswegs überlegen, doch häufig unter wesentlich günstigen natürlichen Verhältnissen arbeitet, am deutschen Markt weniger fühlbar gemacht hat, mag seinen Grund zum großen Teil darin haben, daß der Papier- und da mit auch der Zellstoffverbrauch im Auslande in ähnlichem Maße wie im Inlande gestiegen ist. Die Verwendung von Papieren, welche ausschließlich aus Zellstoff hergestellt werden, kommt für Verpackungszwecke aller Art, namentlich im Nahrungs mittelgewerbe, mehr und mehr in Uebung. Ferner bilden die besseren Zellstoffe einen guten und daher begehrten Ersatz für die immer teurer werdenden Hadern und finden deshalb in der Feinpapierfabrikation ausgedehnte Verwendung. Sehr bedeutend ist auch die Verwendung von Zellstoff für Schreibpapiere und feinere Druckpapiere. Gegenüber dem Inlandsgeschäft war das Auslandsgeschäft verhältnismäßig wenig befriedigend. Der Wett bewerb der für den Weltmarkt günstiger gelegenen und unter vorteilhafteren natürlichen Verhältnissen arbeitenden Länder wird hier immer fühlbarer. Die deutsche Ausfuhr ist zwar gegenüber dem Vorjahre etwas gestiegen (siehe obige Tabelle), hat aber die Ausfuhrmengen des Jahres 1903 nicht wieder er reicht. Neuerdings scheint die Ausfuhr nach China und Japan etwas mehr an Bedeutung zu gewinnen, und auch England tritt wieder in erhöhtem Maße als Käufer auf. Unter diesen im allgemeinen günstigen Verhältnissen konnten die Preise für neue Schlüsse eine Kleinigkeit erhöht werden. Trotz all dieser verhältnismäßig günstigen Zustände kann man doch nur mit einer gewissen Sorge in die Zukunft blicken. Erzeugungskosten und Löhne steigen ständig, insbesondere die Preise für Holz erreichten im vergangenen Jahre eine enorme Höhe. Dazu kommt, daß die augenblickliche gute Lage im In lande wie im Auslande zu erheblichen Betriebsvergrößerungen und Neuanlagen von Zellstoffabriken geführt hat, die teils be reits im Betriebe sind, teils über kurz oder lang in Betrieb ge setzt werden. Es ist allerdings richtig, daß der Papier- und damit der Zellstoffverbrauch fortgesetzt im Wachsen begriffen ist. Es gewinnt aber den Anschein, als ob mit den in jüngster Zeit vorgenommenen Vergrößerungen das Bedürfnis der nächsten Jahre zum mindesten gedeckt, wenn nicht vielleicht schon überschritten ist. Uebererzeugung könnte sich nament- dann einstellen, wenn in unserem Wirtschaftsleben vielleicht wieder eine etwas weniger günstige Konjunktur eintreten sollte. Unsere deutsche Zellstoff-Industrie arbeitet unter schwierigeren und teureren Verhältnissen als die von der Natur aus mehr be günstigte ausländische Konkurrenz, insbesondere diejenige Schwedens, und der geltende Zoll reicht für unsere Industrie nicht aus, um in Zeiten von Absatzschwierigkeiten zu ver hindern, daß das billiger erzeugende Ausland seine Erzeug nisse auf den deutschen Markt wirft und dadurch die Lage der heimischen Industrie erschwert. Hand in Hand mit der Vergrößerung der Erzeugung wachsen die schon jetzt bestehen den Schwierigkeiten der Holzbeschaffung. Die dadurch be dingte ständige Steigerung der Holzpreise wird die Lage der inländischen Industrie immer schwieriger und ungünstiger ge stalten. 11, gegen 1902 um rund 34 v. H. zugenommen. Diese wesent lich gesteigerte Erzeugung fand im allgemeinen guten Absatz. Der Lagerbestand im Dezember 1905 war nur unwesentlich größer als im gleichen Zeitpunkt des Vorjahres. Hauptabsatz gebiet der deutschen Zellstoff-Industrie ist nach wie vor der inländische Markt, der sich als außerordentlich aufnahmefähig erwiesen hat. Es war im abgelaufenen Jahre möglich, die aus ländische Konkurrenz auf dem einheimischen Markte gegenüber 1904 erheblich zurückzudrängen, wovon die folgende Tabelle ein Aus all diesen Gründen und im Hinblick auf die trüben Erfahrungen, welche die deutsche Zellstoff-Industrie Anfang dieses Jahrhunderts erlebt hat, wird vor übertriebenen Vergröße rungen und Neuanlagen gewarnt. 2. Innere Angelegenheiten. Das Vereinsleben war wieder recht rege. Wie in den früheren Jahren, wurde die Ge schäftsstelle von den Mitgliedern häufig in Anspruch ge nommen. Anfang Juli 1905 wurde, nachdem der Generalsekretär Dr. Graf von Brockdorff seine hauptamtliche Stellung beim Deutschen Handelstag aufgegeben und die Stelle als Syndikus der Handelskammer für den Regierungsbezirk Oppeln über nommen hatte, die Geschäftsstelle des Vereins von Berlin nach Oppeln verlegt. Die Hauptversammlung vom 16. Juni 1905 er klärte sich mit der Verlegung der Geschäftsstelle des Vereins einverstanden und beschloß, folgende dadurch notwendig ge wordene Aenderung der Vereinsatzungen vorzunehmen: § 2 Absatz 2 der Satzungen lautet: »Der Verein hat seinen Sitz an dem jeweiligen Wohnort des Generalsekretärs; ist ein Generalsekretär nicht vorhanden, so hat der Verein seinen Sitz an dem jeweiligen Wohnort des Vorsitzenden.« Neben häufigen Besprechungen zwischen dem Vorsitzenden des Vereins und dem Generalsekretär haben im abgelaufenen Jahre 2 Vorstands-Sitzungen und 2 Vereins-Versammlungen statt gefunden. Die Vorstands-Sitzungen wurden am 14. April und 7. Juni in Berlin abgehalten. Im Anschluß an die Vorstands-Sitzung vom 14. April fand eine Aussprache über Fachangelegenheiten (über die Marktlage u. a.) statt, zu welcher alle Mitglieder ein geladen worden waren. Die Hauptversammlung des Vereins fand am 16./17. Juni in Heidelberg statt und war von 28 Herren besucht. Eine be sondere Weihe erhielt diese Hauptversammlung durch die Feier des 25jährigen Bestehens des Vereins. Zur Begehung dieses Jubiläums wurde im Anschluß an die geschäftliche Sitzung eine eigene Festsitzung in der Stadthalle abgehalten, an der außer Vereinsmitgliedern Vertreter von Behörden und wirt schaftlichen Vereinigungen, selbst aus dem Ausland, als Ehren gäste sowie Vertreter der Fachpresse und 17 Damen teil nahmen. Eine zweite Mitglieder-Versammlung fand am 17. November in Berlin statt und war von 24 Herren besucht. Der Bericht gedenkt sodann ehrend der jüngst verstorbenen Mitglieder Herren Rudolph Haas, Gottlieb Beckmann und Richard Zanders. Der Verkehr mit den 6 Vereinen, denen der Verein an geschlossen ist, war, wie in den früheren Jahren, recht rege. Mit dem Verein Deutscher Papierfabrikanten stand der Verein, wie bisher, in enger und freundschaftlicher Fühlung. Einzelne, beide Vereine; berührende Fragen sind von beiden Vereinen ge meinsam oder wenigstens in der gleichen Richtung behandelt worden. 3. Kassenbericht. Die Einnahmen betrugen rund 11000M., darunter rund 1700 M. Kassenbestand, die Ausgaben rund 7500 Mark. 4. Zolltarif und Handelsverträge. In der Frage der Neu reglung unserer handelspolitischen Beziehungen zu den Ver einigten Staaten von Amerika richtete der Verein am 31. August 1905 eine ausführliche Eingabe an den Reichskanzler und brachte darin seine Wünsche zum Ausdruck. Die endgiltige Reglung des handelspolitischen Verhältnisses zwischen Deutsch land und den Vereinigten Staaten von Amerika ist noch nicht erfolgt, vielmehr wurde, um das Eintreten eines vertragslosen Zustandes vom 1. März 1906 ab zu vermeiden, in den ersten Wochen des Jahres 1906 ein bis zum 30. Juni 1907 geltendes Provisorium abgeschlossen, durch welches den Vereinigten Staaten von Amerika die in den neuen Handelsverträgen mit den mitteleuropäischen Staaten gewährten Ermäßigungen zu gebilligt wurden, während die Vereinigten Staaten von Amerika den deutschen Waren für die gleiche Zeit die Zollermäßigungen der Sektion 3 des Dingieytarifs weiter zubilligten. Wenn diese vorläufige Reglung auch berechtigten Wünschen nicht genügen dürfte, so ist doch der beschrittene Weg dem Entstehen eines vertragslosen Zustandes bezw. dem Ausbruch eines Zollkrieges bei weitem vorzuziehen. An dauerndes Fortbestehen des gegen wärtigen handelspolitischen Verhältnisses zwischen dem Deut schen Reich und den Vereinigten Staaten von Amerika kann indessen wohl nicht gedacht werden. Dasselbe ist für Deutsch lands Industrie und Handel so überaus ungünstig, daß sich in der Geschichte der Handelspolitik, wenn man die hervor ragende wirtschaftliche und politische Stellung der beiden Länder in Betracht zieht, kaum etwas Aehnliches finden dürfte. Es darf daher gefordert werden, daß unter Vermeidung einer Störung der zahllosen Handelsbeziehungen zwischen dem Deutschen Reich und den Vereinigten Staaten von Amerika ein Zustand hergestellt werden möge, bei dem eine Erfolg ver sprechende Pflege des Geschäfts dauernd möglich sein wird. Des weiteren beschäftigte sich der Verein eingehend mit unseren handelspolitischen Beziehungen zu Argentinien, der