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PAPIER-ZEITUNG 2289 Nr- 55 fähigkeit erreicht, die allerdings nur in größten Tages zeitungen ausgenützt werden kann. Auch wegen der Kosten einer Citoplate-Anlage dürften nur gutfundierte Zeitungen an die Anschaffung einer solchen Maschine gehen, da der Preis von 40000 M. immerhin eine große Ausgabe darstellt. Der Konstrukteur der Vollendungsmaschinen der Cito- plate ist Herr Georg Seidl. Zur Zeit wird eine Citoplate in Dresden aufgestellt, und in Breslau soll demnächst eine gleiche Anlage gebaut werden. Georg Herdon] | Aus den Typographischen Gesellschaften Leipzig. Typographische Vereinigung. Am 13. Juni hielt Herr F. Brennecke, graphischer Zeichner und Maler, einen Vortrag über »Buchbinden und Handvergolden.« Schon die alten Aegypter zeichneten ihre Schriftzeichen auf Papyrusstreifen. Nachdem diese beschrieben waren, wurden sie gerollt aufbewahrt. Im 3. und 4. Jahrhundert verdrängte das Pergament den Papyrus als Schreibstoff. Die Verfertigung des schon zu Davids Zeiten benutzten Pergaments wurde in Pergamon, daher der Name, verbessert. Pergament ließ sich zusammenbrechen, einige Bogen steckte man ineinander, das erste und letzte Blatt schnitt man etwas größer, um das Innere zu schonen, und mit Riemchen, später mit Spangen und Schlössern, wurde der Zusammenhalt hergestellt. Elfenbeindeckel wurden später am Buch befestigt, und durch Elfenbeinschnitzwerk verzierte man es reichlich. So entstand der kirchliche Prachtband. Mit der Herstellung des Papiers aus Leinen bekam das Buch eine handlichere Form, es wurde dünner und leichter. Der Schnitt wurde rot oder gelb gemalt. Im 16. Jahrhundert lernte man den einfachen Gold schnitt, später den Zierschnitt im Renaissancestil kennen. Dem Sprenkel-, Marmor-, mehrfarbigen Goldschnitt und dem Stempel druck begegnen wir im 18. und 19. Jahrhundert. Durch Be rührung mit orientalischen Völkern, besonders durch die Kreuz züge, bürgerten sich die verschiedensten Ledergerbungen, sowie die Bearbeitung des Leders mittels Messer, Stempeldruck, Punzen und dergl. ein. In Frankreich verwendete man zuerst statt Elfenbein Leder zum Ueberziehen des Einbandes, daher der Name Franzband. Der Pappdeckel, welcher den Holzdeckel er setzte, machte das Buch handlicher, und die Erfindung der Buch druckerkunst verbilligte es. Der Einband verlor jedoch dadurch an Wert, und der Schmuck wurde geringer. Einige Fürsten und Gelehrte, namentlich ein Franzose namens Grolier, machten sich später um die Buchausstattung sehr verdient. Ihre Bibliothekbestände ließen sie nach eigenem Geschmack einbinden, die von Bücherliebhabern hoch bezahlt und vielfach nachgeahmt werden. Redner schilderte dann aus führlich das Einbinden des Buches und ging der Reihe nach alle Einbandarten durch. Den Buchschnitt, besonders den Marmor- und Goldschnitt, verstand Herr Brennecke interessant zu gestalten und zeigte an Hand von Vorlagen, wie die verschiedensten Schnitte zustande kommen. Die künst lerische Verzierung des Buches durch Farben- und Reliefdruck, Hand- und Preßvergoldung usw. erfordert in erster Linie guten Geschmack. Eine Reihe ausgestellter Einbände mit wertvoller Handvergoldung und Ledermosaikarbeit legten von reicher Kenntnis des zu verarbeitenden Schmuckmaterials und einer geübten Hand Zeugnis ab. Am 17. Juni statteten etwa 100 Mitglieder der Universitäts- Bibliothek einen Besuch ab. Unter Führung der Herren Biblio thekare Dr. Sickel und Dr. Hillger durchwanderte man die aus gedehnten Räume, in denen ungefähr 600000 Bücher lagern. Besonderes Interesse erweckten die 36 und 42zeilige Bibel von Gutenberg, einige Handschriften auf Papyrus, Ablaßbriefe, alte Landkarten, Kalendarien und die Goethe-Reliquien-Sammlung. Für Neuanschaffungen sind jährlich 60 bis 70000 M. im Etat dieses Instituts festgelegt, eine Summe, welche bei weitem nicht ausreicht, um den jeweiligen Anforderungen zu entsprechen. Am 29. Juli unternahm die Vereinigung eine Fahrt nach Dresden zur Besichtigung der III. Deutschen Kunstgewerbe- Ausstellung. Z. Altenburg. Graphische Vereinigung. »Ueber den Wert 'des Zeichnens für den Buchdrucker« sprach Herr H. Wunderlich in der letzten Sitzung im Juni. Der Vortragende schilderte in aus führlichster Weise die mannigfaltigen Vorteile, welche eine ge wisse zeichnerische Ausbildung dem Fachmann biete. Besonders ging er auf das Zeichnen nach der Natur ein, welches in jüngster Zeit auch im Schulunterricht immer mehr in den Vordergrund trete. Diese Zeichenmethode ist mehr als jede andere geeignet, den Schüler zur genauen Beobachtung anzuleiten. Besonders unsere heimische Flora bietet eine große Fülle der mannig faltigsten Naturformen, deren Stilisierung einen weiteren Fort schritt im Zeichnen bedeutet. Auch der Tonplattenschnitt ver langt eine gewisse zeichnerische Begabung. Im weiteren streift Redner die Tätigkeit Adolf Menzels auf graphischem Gebiet und bietet bei dieser Gelegenheit manche interessante Episode aus dieses großen Künstlers Leben. Dem Vortrag reihten sich praktische Vorführungen an; so wurde die Anlage einer Skizze erläutert und hierbei Farbenmischungen und Tuschen von Ton flächen auf rauhen Umschlagpapieren gezeigt. Die folgende Aussprache über das beifällig aufgenommene Referat ließ den Wunsch durchblicken, daß auch in unserer Mitte ein derartiger Zeichenkursus errichtet werden möge. Der Vorstand wurde daher beauftragt, die einleitenden Schritte in dieser Angelegen heit zu tun und das Ergebnis der nächsten Versammlung zu unterbreiten. A—Z Braunschweig. Typographische Vereinigung. Anläßlich des Namenstages des Erfinders der Buchdruckerkunst veranstalteten wir am 24. Juni eine »Buchgewerbliche Ausstellung«, bestehend aus den Arbeiten, welche im letzten Kursus von den Mitgliedern der Vereinigung angefertigt worden sind. Diese Ausstellung sollte zeigen, daß namentlich der Akzidenzsatz in der Typo graphischen Vereinigung eine hervorragende Pflegestätte ge funden hat und gleichzeitig Zeugnis ablegen von dem regen Schaffensgeist sowie der Arbeitsfreudigkeit der Kursusteilnehmer. Außerdem war eine ansehnliche Zahl Tonplatten ausgestellt. Die größte Anziehungskraft übte wohl die reichhaltige Aus stellung des Kolberger Anzeigen-Wettbewerbs, welcher uns vom Verband der Deutschen Typographischen Gesellschaften über lassen war, auf die Besucher aus; diese Entwürfe boten in ihrer Vielseitigkeit und Gediegenheit eine Fülle neuer Ideen und waren nicht nur für den Buchdrucker, sondern für jeden Ge schäftsmann hochinteressant. Eröffnet wurde die Ausstellung vom Vorsitzenden Rätz mit einer zündenden Ansprache, in welcher er Zwecke und Ziele der Vereinigung darlegte und die anwesenden Ausstellungsbesucher aufforderte, die Typo graphische Vereinigung in ihren Bestrebungen auch ferner zu unterstützen. Die Ausstellung wurde von etwa 350 Personen besucht und hatte 9 Aufnahmen zu verzeichen. —ts Wand- und Deckenanstrich in Setzerräumen Ein bemerkenswertes Urteil fällte kürzlich das Hanseatische Oberlandesgericht in Hamburg in bezug auf die bundesrätliche Verordnung vom 31. Juli 1897 betr. den Anstrich der Setzerräume, laut welcher die Wände und Decken mindestens einmal jährlich mit Kalk frisch angestrichen werden müssen. Die Besitzer einer Buchdruckerei dort waren angeklagt, der angeführten Verordnung nicht nachgekommen zu sein, da sie den Setzerraum einmal im Mai 1904 und dann erst wieder im Oktober 1905 mit Kalk hatten anstreichen lassen. Das Landgericht hatte die Angeklagten frei gesprochen, weil es sich der Auslegung letzterer angeschlossen hatte, wonach es genüge, wenn die Erneuerung in jedem Kalender jahre einmal erfolge, auch wenn die Zwischenzeit 12 Monate über steige. Gegen dieses Urteil hatte der Staatsanwalt Berufung ein gelegt, welcher auch vom Oberlandesgericht stattgegeben wurde mit der Begründung, daß die in der Verordnung enthaltenen Worte, »mindestens jährlich einmal« schon andeuten, daß die Er neuerung des Anstrichs spätestens vor Ablauf jeden zwölften Monat zu erfolgen habe. Der Zweck der Verordnung ergebe schon, daß die Arbeiter gegen Gefahren für ihre Gesundheit nach Möglichkeit zu schützen sind, und es sei daher nicht gleich- giltig, ob mit der Beseitigung von Staub, Schmutz u. dgl. von Wänden und Decken bereits mit Ablauf des zwölften Monats oder erst im Laufe des vierundzwanzigsten Monats begonnen wird. Die Sache ist daher zur erneuten Verhandlung an das Landgericht zurückverwiesen worden. ' Sonntagsruhe in Zeitungsbetrieben Laut Bestimmung der Gewerbe-Ordnung (Anhang K. 5 III h) können Zeitungsdruckereien ihre Arbeiter an allen Sonn- und Festtagen, mit Ausnahme des zweiten Weihnachts-, Oster- und Pfingstfeiertages, bis 6 Uhr morgens an der Herstellung der Morgen-Zeitungen beschäftigen, doch muß der Betrieb alsdann bis 6 Uhr morgens des darauffolgenden Tages ruhen, sodaß also eine 24stündige Ruhepause eintritt. Würde diese Bestimmung genau eingehalten, so wären Montags-Morgenzeitungen, wie sie in Berlin, Leipzig und anderen größeren Städten erscheinen, unmöglich, doch tragen die Polizei-Verwaltungen der Wichtigkeit des schnellen Nachrichtendienstens inso fern Rechnung, als sie die gesetzlichen Bestimmungen milde behandeln und die Zeitungs-Herausgeber in die Lage versetzen, ihre Montags-Zeitungen bereits in früher Morgen stunde herausbringen zu lassen. Dadurch sind natürlich die Zeitungsverleger in Großstädten, besonders Berlin, im stande, ihren auswärtigen Lesern die neuesten Nachrichten bereits auf den Frühstücktisch legen zu können, was den Zeitungsdruckern in der Provinz nicht möglich ist, da ihre