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SCHREIBWAREN-HANDEL A.6 CESeY=FESSESK42EF5 I ^ r * L—30. September 1906 | Fabrikeinweihung und Jubelfest der Firma Günther Wagner, Hannover 1. Die neue Fabrik Ueberall, wo geschrieben, gezeichnet und gemalt wird, sind die Tinten, Tuschen und Farben der Firma Günther Wagner in Hannover rühmlich bekannt. Der Chemiker, später Senator der Stadt Hannover, Karl Hornemann, hatte Anfang der 30er Jahre die Herstellung von Farben begonnen. In sein Geschäft trat eine Reihe von Jahren später Günther Wagner ein, der es dann übernahm und unter eigenem Namen weiterführte. Das Werk erweiterte sich bald zur Fabrik, und die mit dem Pelikan, dem Wappenbild der Familie Günther Wagner, geschmückten Erzeugnisse erwarben sich immer größere Verbreitung. Immerhin war der Betrieb noch verhältnismäßig klein, als vor 25 Jahren Herr Fritz Beindorff als kaufmännischer Mitarbeiter in dem Hause zu wirken begann. Durch seltene Begabung und Tatkraft brachte er es bald zur führenden Stellung. Er wurde Schwiegersohn des Inhabers und ist seit einer Reihe von Jahren alleiniger Besitzer des Geschäfts. Unter seiner Leitung entwickelte sich dieses außerordentlich rasch. Trotz wiederholter Ver größerungen wurde die Fabrik am Engelbostler Damm bald zu eng, denn die in allen Teilen der Welt angestellten Vertreter und Zweighäuser brachten stets neue Bestellungen. Daher mußte sich die Firma nach einem größeren Grund stück umsehen und erwarb vor einigen Jahren ein aus gedehntes Gelände vor den Toren Hannovers an der Celler Chaussee. Der Neubau sollte Zweckmäßigkeit mit höchster Feuersicherheit verbinden, und wir berichteten schon im Laufe des Baues (vergl. S. 1642 Nr. 43 von 1905), daß er aus Eisenbeton errichtet wurde, und daß er der größte bisher aufgeführte Eisenbetonbau sei. Anfang 1906 war der Bau zum größten Teil fertig, aber erst Mitte September waren alle Abteilungen des Geschäfts dorthin übersiedelt. Die Firma lud nun ihre Freunde zum Besu h der neuen Fabrik ein. Besichtigungen fanden statt am 13. September seitens der Handelskammer Hannover, welche dann in dem Be ratungssaal der Firma ihre Sitzung abhielt; am 14. seitens des Regierungspräsidenten Herrn v. Philipsborn, des Land rats Graf Wedel, Geh. Regierungs- und Gewerberats v. Rosnowski und anderer Vertreter der Behörden und der Architekten sowie Bauleiter. Die Einweihung am 15. September konnte mit der Feier der 25jährigen Tätigkeit des Firmainhabers, Herrn Fritz Beindorff, im Hause Günther Wagner verbunden werden. Der Beamtenkörper des Stammhauses, Vertreter der Arbeiter schaft, Abordnungen des Wiener Hauses und der aus wärtigen Zweigniederlassungen, ferner eine große Anzahl in- und ausländischer Vertreter hatten sich an diesem Tag Vormittag in einem mit Pflanzen geschmückten Konferenz saale des Neubaus versammelt, wo nach einem weihevollen Quartettvortrag Herrn Beindorff die Glückwünsche der Beamten- und Arbeiterschaft dargebracht wurden, und die Uebergabe von Erinnerungsgeschenken, einer künstlerischen Bronzegruppe, die ruhmgekrönte Arbeit darstellend, plastischen Allegorien der Industrie, einer kunstvoll ge arbeiteten Standuhr und eines silbernen Blumenständers stattfand. An einer darauf folgenden Fabrikbesichtigung unter Führung des Herrn Beindorff beteiligten sich die aus wärtigen Vertreter, geladene Künstler und Industrielle. Die Fabrik überrascht alle Besucher durch ihre muster haften, wohldurchdachten Einrichtungen und durch die große Liebe, mit welcher für das Wohlbefinden der darin Arbeitenden ohne Rücksicht auf die Kosten gesorgt wurde. Auch die Kunst wurde zur Verzierung der Innenräume herangezogen. Uns sind Abbildungen des Neubaues zu gesagt, an Hand deren wir ihn demnächst ausführlich beschreiben werden. Nach beendigter Besichtigung, die über 2 Stunden ge dauert und alle Teilnehmer hoch befriedigt hatte, bot die Firma den Besuchern im Beamtenkasino ein Frühstück, bei welcher Gelegenheit Herr Regierungsrat Mayerhoffer der Firma dankte und in seiner Rede hervorhob, daß gerade jetzt 25 Jahre vergangen seien, seit Herr Fritz Bein dorff Mitarbeiter des Unternehmens geworden sei. Der außergewöhnliche Aufschwung der Fabrik in diesen Jahren sowie der prachtvolle Neubau seien beredte Zeugen für die Tatkraft des Jubilars, auf dessen Wohl Redner seinen Trinkspruch ausklingen ließ. 2. Fabrikfest Am Abend desselben Tages hatte die Firma ihre sämt lichen Mitarbeiter und einige Freunde zu einem Fest im »Kriegerheim« eingeladen, an welchem über 500 Personen teilnahmen. Zwischen den Gängen des Abendessens gab es eine Reihe von Ansprachen, die meist der Firma und ihrem Inhaber, Herrn Beindorff, sowie seiner Familie galten. Dieser entwarf eine kurze Geschichte seines Wirkens bei der Firma und der Entstehung des neuen Hauses, wobei er er klärte, daß ein großer Teil der ihm aus Anlaß des Neubaues dargebrachten Anerkennungen seinen Mitarbeitern gebühre. Aber auch die besten Beamten hätten nicht ge nügt, die Firma so hoch zu bringen, hierzu war die Mit wirkung der Arbeiterschaft nötig. In dieser habe stets ein guter Geist geherrscht, und Aufgabe der Leitung sei es, diesen Geist zu erhalten. Redner teilte mit, daß er heute 100 000 M. als Grundstock einer Beamtenpensionskasse stifte und einen Ausschuß für die Verwaltung dieser Kasse und für die Ausarbeitung von Satzungen ernenne. Ferner überweise er aus Anlaß des Jubelfestes der schon lange bestehenden Unterstützungskasse, welcher die Firma regel mäßig Zuwendungen mache, 10000 M. Alle Mitarbeiter, welche 25 Jahre in dem Hause tätig waren, sollen fortan eine feste Jahrespension von 100 M., und die 40 Jahre tätig waren, eine solche von 200 M. erhalten. Diese Summe wird jährlich am 15. September ausgezahlt. Drei Arbeiterinnen wurden die ersten 100 M. in Form von Sparkassenbüchern, und der Arbeiterin, Frau Pape, die 43 Jahre dem Hause dient, ein solches im Werte von 200 M. überreicht. Durch jährliche Zuweisungen, je nach dem Geschäftsergebnis, soll die Unterstützungskasse so gestärkt werden, daß sie mit der Zeit zu einer richtigen Arbeiter-Pensionskasse aus gestaltet wird, damit jeder Arbeiter, der der Firma treu gedient hat, im Alter ohne Sorgen bestehen könne. Herr Prokurist Engel dankte für die Stiftung. Herr Geh. Ge werberat v. Rosnowski überbrachte die Grüße des Re gierungspräsidenten und hob die Vorzüge des neuen Fabrikbaues namentlich vom Standpunkt der Hygiene hervor. Herr Dr. Abt trank auf das Wohl des früheren Inhabers, Herrn Günther Wagner, dessen alle Angestellten, die noch unter ihm arbeiteten, dankbar gedenken, und der jetzt in Lugano lebt. Nunmehr wurden Begrüßungstelegramme verlesen, darunter eins von Günther Wagner. Besonderen Beifall fand ein Telegramm der Wiener Zweigfabrik, in welchem es u. a. heißt: Der Pelikan, ja schaut nur, schaut, Flat sich ein neues Nest gebaut, Aus Eisenhalmen, verklebt mit Zement, Ein stolzeres Nest wohl niemand kennt/ Wer hat es erschaffen? Wer hat es ersonnen ? Der vor 25 Jahren zu G. W. gekommen, Unser Herr Beindorff, der Hochverehrte, Des Denken und Tun sich stets bewährte. Nun wurden Diplome des Deutschen Papier-Vereins an mehrere Arbeiterinnen verteilt, die mehr als 10 Jahre der Firma treu dienten. Ferner erhielten nach einer bei der Firma herrschenden Sitte eine Anzahl leitender Beamter, welche ihr 10. Geschäftsjahr bei der Firma beendigt hatten, mit Edelsteinen besetzte goldene Krawattennadeln, welche den Pelikan, die Schutzmarke der Firma, darstellen.