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Nr. 78 PAPIER-ZEITUNG 3 2 49 Bestimmungen oder ein ausgearbeiteter Lehrplan, obwohl in seinen Grundzügen erwägt, noch nicht vorliege; der Einrichtung solcher Kurse stehe jedoch nichts im Wege, und Anmeldungen hierzu werden, wenn erst die Bestimmungen an die Ge hilfenschaft Münchens gelangt sind, gern entgegengenommen. Weiter wurde der Wunsch laut, der Ausschuß möge auch in diesem Jahre wieder an Sonntag Vormittagen Besuche staatlicher Kunstsammlungen unter sachkundiger Führung ver anstalten. Der Vorsitzende teilte darauf mit, daß der erste der artige Besuch bereits am Sonntag, 14. Oktober, dem Graphischen Museum des König!. Kupferstichkabinetts gelte. Außerdem stehe ein Lichtbilder-Vortrag über »Stil im Buchdruck« in Aussicht. Unter Hinweis auf die mit den Neuheiten ausgestellten C. Brand’s Farbentafeln, welche den Mitgliedern zur An schaffung wärmstens empfohlen wurden, schloß der Vorsitzende die gut besuchte Versammlung, y Schaffung von Neuheiten Erst seit kurzem haben die Verleger und Fabrikanten ihre Herbst-Neuheiten auf den Markt gebracht, eben sind die ersten Aufträge darauf eingelaufen, und schon wieder tritt die Frage an die Fabrikanten heran: »Was soll ich für die nächste Mustersammlung Neues bringen?« Diese Frage ist schwer zu beantworten, zumal wenn der Fabrikant mehrere verschiedenartige Verlagswaren alljährlich heraus zubringen pflegt. Er muß genau erwägen, in welcher Richtung und in welcher Ausführung neue Muster zu schaffen sind, die Aussicht auf lohnenden Absatz bieten. Zunächst gilt es, gründlich zu beurteilen, wie die dies jährigen Neuheiten bei der Kundschaft angeschlagen haben. Um sich hiervon ein genaues Bild zu machen, reiht man am besten je eines sämtlicher Muster in ein einfaches Musterbuch, geordnet nach Verlagsnummern der ver schiedenen Waren. Die Muster werden auf der linken Seite des Buches befestigt, den Raum rechts davon bis zum Falz oder zur Kante läßt man frei und füllt dort immer an derselben Stelle bei allen Mustern den Preis des Musters sowie die Auflage, welche davon angefertigt wurde, aus, die sich leicht aus dem Ablieferungsbuch der Druckerei oder dem Lagereingangsbuch feststellen läßt. Jeder Neu druck muß regelmäßig nachgebucht werden. Nach einiger Zeit, vielleicht nach einem Vierteljahr, läßt man den noch vorhandenen Lagerbestand jeden Musters zählen, zieht diesen von der Auflage ab, und der Rest ergibt die ver kaufte Menge vom Tage der Fertigstellung bis zum Zahl tage. Dies führt man bei allen Mustern gleichmäßig durch und erhält auf diese Weise einen genauen Ueberblick, welche Muster »gehen«, und welche sich als Lagerhüter er weisen. Diese Verkaufs-Aufstellung wiederholt man regel mäßig alle Vierteljahre, um das Ansteigen oder Nachlassen des Verkaufs bei jeder Ware zu beobachten. Mit Hilfe der vermerkten Preise kann man leicht eine rohe Zusammen stellung des erzielten Umsatzes gewinnen, von dem man den Durchschnittsnachlaß, den man auf diese Ware seinen Abnehmern gewährt, abziehen kann, um ein einigermaßen richtiges Bild von dem Umsatz der einzelnen Ware zu er halten. Diejenigen Muster, von denen nach einem halben Jahr, also in der besten Geschäftszeit, die erste Auflage, welche ja in ein und derselben Preislage meist gleich groß ist, noch nicht abgesetzt wurde, können ruhig als Fehlschläge angenommen werden, während solche, bei denen wieder und immer wieder eine Neuauflage erforderlich ist, als »Schlager« bezeichnet werden können. Solche kenn zeichnet man besonders in dem Verkaufsbuch oder reiht sie am besten unter Angabe ihrer Verkaufsziffern in ein besonderes Buch ein, welches nur die bestgehenden Nummern enthält. In den gleichen Zeiträumen von je einem Vierteljahr fordert man von den Reisenden und Vertretern eingehen den Bericht, wie die Neuheiten angesprochen haben. Diese Herren, welche in engster Fühlung mit der Kund schaft stehen, können am besten aus eigener Erfahrung beurteilen, welche Muster sie am meisten verkauft haben, und hören auch von den Händlern die Gründe, warum das Publikum dieses oder jenes Muster mehr oder weniger be vorzugt. Sie können daher auch am besten geeignete Vor schläge für die zukünftigen Neuheiten machen. Nun ist allerdings richtig, daß eine Ware in verschiedenen Gegen den auch verschieden gekauft wird, je nachdem sie sich für das Publikum der Gegend eignet, doch wird dies ein er fahrener Fabrikant bald zu unterscheiden wissen, denn solche Unterschiede kommen meist nur bei Waren vor, welche nur einen beschränkten Abnehmerkreis haben. Man strebe auch, wenn irgend möglich, eine Zusammen kunft sämtlicher Reisenden an, um mit ihnen an Hand der Verkaufsmusterbücher eingehende Besprechung über die Absatzfähigkeit der einzelnen Waren zu halten und ihre Vorschläge für die nächstjährigen Neuheiten zu hören. Solche mündliche Auseinandersetzung, in der die Er fahrungen der einzelnen Reisenden ausgetauscht werden, wird für den Fabrikanten von großem Wert sein, sieht er doch hier klar vor Augen, was vom Publikum mit Vorliebe verlangt wird, und wohin er bei der Schaffung von Neu heiten zu steuern hat. Auch ist es von Vorteil, die Konkurrenzmuster, deren Erfolge oder Fehlschläge zu betrachten, die ja jeder Händler gern dem Reisenden, mit dem er meist befreundet ist, mitteilt. Dies soll jedoch nicht aus dem Grunde ge schehen, um etwa die erfolgreichen Konkurrenzmuster nachzuahmen, dadurch würde der Fabrikant seiner Ge dankenkraft ein Armutszeugnis ausstellen, sondern um auch hieraus Lehren zu ziehen. Tun dies doch selbst erste Firmen, welche in der Fabrikation gewisser Waren eine führende Rolle spielen, denn ein umsichtiger, weiser Fabrikant kann nie vorsichtig und praktisch genug zu Werke gehen, bedeutet es doch immer ein Wagnis, eine hohe Auflage von Verlagswaren anzufertigen, ohne deren Erfolg voraus sagen zu können. Nach alledem weiß der Fabrikant, welche Bahnen er wandeln muß, um auch für nächstes Jahr den Erfolg an seine Muster zu fesseln Er wird hierauf bei dem ge eigneten Künstler neue Skizzen und Entwürfe bestellen und hierbei die Wünsche der Kundschaft und die zurzeit herr schende Richtung berücksichtigen. In der Hauptsache wird ja der Fabrikant seine Mustersammlung aus neuen Ent würfen zusammenstellen, wenngleich dies erhebliche Un kosten verursacht. Doch nur so läßt sich dem veränder lichen Geschmack des Publikums Rechnung tragen. Ander seits besitzt wohl jede Kunstanstalt unter ihrem Bestände von Lithographien ein reichliches Vorlagenmaterial, da heißt es denn mit Schere und Pinsel arbeiten, und unter Be nutzung der in früheren Jahrgängen erfolgreichen Muster wird unter geschickter Hand so manche neue Kombination entstehen, aus der man das alte Muster kaum wieder her auskennt. Wie oft haben schon manche Firmen mit solchen zusammengesetzten oder aufgefrischten Mustern un erwarteten Erfolg erzielt! Allerdings muß die Aus wahl sehr vorsichtig getroffen werden, sonst wird der Fabrikant mit seinen Neuheiten gar zu leicht einseitig, das Publikum wird ermüdet durch das ewige Einerlei derselben Ausführung in anderer Lesart. Der Fabrikant muß daher bestrebt sein, mit der Zeit vorwärts zu gehen, dem veränderten Geschmack des Publikums oder der jeweiligen vorherrschenden Mode zu entsprechen und einmal etwas ganz Neues, Abweichendes zu schaffen, was sich nicht im geringsten an früher Gebrachtes anlehnt. Auch muß er ab und zu neue Künstlerkräfte heranziehen, um auf diese Weise neues Blut in den veraltenden Körper zu bringen. Unter weiser Berücksichtigung aller dieser Umstände beim Aufbau der Neuheiten wird es dem Fabrikanten sicher gelingen, ansprechende Muster zu schaffen und Fehlschläge zu vermeiden. E. S. 50 jähriges Jubelfest der Langenscheidt’sehen Verlagsbuchhandlung (Prof. G. Langen scheidt) in Berlin-Schöneberg Am i/ Oktober 1906 besteht die Firma seit fünfzig Jahren. Sie gab aus diesem Anlaß ein 150 Seiten starkes Oktavbuch heraus, welches eine Geschichte des Ver lages, ein Verzeichnis der Verfasser der Verlagswerke nebst kurzen Angaben über ihren Lebenslauf und einen Verlagskatalog umfaßt. Die Langenscheidt’sche Verlags buchhandlung hat. sich durch die Eigenart und die mustergiltige Sorgfalt ihrer Verlagswerke, in erster Linie Sprachlehrbriefe und Wörterbücher, Weltruf erworben und es ist daher gerechtfertigt, die Entwickelung"an:Hand der Jubiläumsschrift etwas eingehender zu betrachten.