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3210 PAPIER-ZEITUNG Nr. 77 siebenten und achten Schuljahre wird dem Linearzeichnen jede vierte Zeichenstunde eingeräumt. Der Unterricht soll das räumliche Vorstellungsvermögen der Schüler entwickeln und sie in der Anfertigung sauberer und korrekter Zeich nungen, sowie im Gebrauch von Zirkel, Lineal und Zieh feder üben. Jede Vorlage, auch die großen Wandtafelbilder, sind verpönt. Dagegen werden einfache Körper: Prisma, Würfel, Pyramide und Zusammensetzungen dieser Formen gezeichnet. Ferner wird das Aufnehmen einfacher Gegen stände (Kasten, Schemel, Tisch usw.) in gegebenem Maß stab geübt. Es werden Grund- und Aufrisse, wenn nötig, auch Seitenrisse ferner Mantelabwicklungen gezeichnet. Alle Gegenstände werden in recht- und schiefwinkeliger Parallelprojektion gezeichnet. Die Zeichnungen werden mit Ziehfeder und Tusche ausgeführt und sind mit einem ruhigen, lichten Farbenton zu überlegen. Das Papier muß hierfür fest und gut geleimt sein. Allzu rauhes Papier ist nicht zu verwenden. Das Radieren mit dem Tuschgummi muß das Papier gut aushalten können. Zum Radieren harter Bleistiftlinien muß noch ein weicher Gummi vorhanden sein. Zum Ausziehen der Linien ist un- verwaschbare Tusche zu nehmen. Das Reißzeug soll einen Zirkel mit Einsatznadel, Ein satzblei und Einsatzfeder enthalten, ferner eine Ziehfeder mit Handgriff. Preis etwa 2—3 M. Bei umfangreicheren Reißzeugen achte man auf Verlängerungsstange und einen Zirkel ohne Einsätze. Die Zirkel müssen runde Spitzen, nicht dreieckige, haben. Für das Reinigen der Ziehfeder müssen Fließpapier und Lederlappen vorhanden sein. Gefüllt wird die Ziehfeder mit einer Schreibfeder oder einem Holz stäbchen oder mit den bekannten Glasfüllstäbchen mit Rinne. Außerdem werden Reißschiene, Winkeldreieck und Reiß brett gebraucht. Zwei Winkeldreiecke sollen vorhanden sein, ein rechteckiges gleichschenkliges und ein recht eckiges ungleichschenkliges (Winkel zu 30 und 60 Grad). Der Gebrauch von Reißbrettern erfordert viel Raum, der manchmal den Schulen nicht zugemessen werden kann. Dann empfiehlt sich der Gebrauch von Linear-Zeichenblöcken, die rechtwinklig und mit glatten Kanten gearbeitet sind. Wo viel mit dem Zirkel gearbeitet wird, sind sie indessen nicht zu gebrauchen, weil mit dem oberen auch die unteren Bogen leicht zerstochen werden. Als Neuheit werden jetzt Zeichenbrett-Ständer empfohlen, die sich in zusammengelegter Stellung zum Linearzeichnen eignen. Der Zeichenlehrer Franz Fiedler an der Realschule zu Wittenberge hat unter dem Namen Reiß-Zeichenblock „Reform“ einen solchen Ständer konstruiert. Bei diesem Block ist die Frontpappe von einem Holzrahmen eingefaßt. Obenauf legt sich ein zweiter Holzrahmen, der an Schar nieren geht und zum Aufspannen des Zeichenbogens dient. Um eine ebene Fläche zu erzielen, ist ein der Dicke des oberen Holzrahmens entsprechendes Pappfutter vorgesehen. Der Ständer ist mit einer mehrfach einstellbaren Draht- und Blechstütze versehen. Die Skizze gibt den Querschnitt des Fiedlerschen gesetzlich geschützten Reißbrett-Zeichen blocks wieder: a ist der untere Holzrahmen, b die Front pappe, c der obere Holzrahmen zum Einspannen des Bogens und d die Zeichenfläche. * * * Unter den Lehrmitteln nimmt der Zeichenständer den hervorragendsten Platz ein. Er ist Gegenstand zahl loser Versuche geworden und Hunderte von Modellen be stehen nebeneinander. Viele dieser Modelle sind aber in folge von Arbeitsfehlern von vornherein von der allge meinen Einführung ausgeschlossen, obgleich die Reklame auch hier manche Ware auf den Schild hob, die vor besseren hätte eigentlich zurückweichen müssen. Freilich ist es schwer, billige, zugleich standfeste und auch sonst vielseitig brauchbare Ständer herzustellen. Der einfachste Zeichenständer wäre ein Zeichenblock, an den hinten eine schräge Stütze beweglich, doch zugleich so angebracht wird, daß sie beim Aufstellen und beim Zeichnen nicht rutscht oder zusammenklappt und den Block dadurch zu Falle bringt. Sobald der Block verbraucht ist, wäre dann aber auch die Einrichtung der Stütze wertlos. Deshalb richtet man die Ständer derart ein, daß eine Papptafel an zwei Seiten mit Nuten aus Holz oder Pappe (niemals aus Blech!) ver sehen wird, in welche Zeichenblöcke beliebiger Art einge schoben werden können. Zeichenständer für das erste Schuljahr können allerdings auch auf die Nuten verzichten, weil hier auf einzelne Blätter Packpapier gezeichnet werden kann, die dann durch Metallklammern oder durch mit Kaliko oder Gummiband überklebte Ecken festgehalten werden. Es wäre empfehlenswert, wenn für das Zeichnen auf einzelnen Blättern Ständer geschaffen würden, wo die Papp tafel durch ein schwaches Brett ersetzt würde, das sich freilich nicht ‘verziehen dürfte. Aber auch Aufheften der Papptafel auf einen schwachen Holzrahmen wäre zu ver suchen. Beide Neuerungen würden diesen Ständern größere Standfähigkeit geben, die sie um so eher benötigen, weil sie nicht durch das Blockgewicht unterstützt werden und weil ferner gerade der Anfänger an die Standfestigkeit die höchsten Ansprüche stellt. Mancherlei Fehler beim Ersinnen praktischer Zeichen ständer werden unterlassen, wenn man sich klar macht, wozu er dienen soll. Der Zeichenständer ist zunächst als Ersatz einer festen Holzstaffelei zu denken. In gut ausge statteten Schulen mit Zeichensälen gebraucht man keine Ständer. Dort sitzt jeder Schüler hinter einem Zeichentisch, der eine Staffelei zum Aufstellen des Zeichenblocks dar bietet. Oder auf die Schultafeln werden Aufsätze aus Holz gestellt, welche den Block aufnehmen. Solche vollendeten Zeichensaaleinrichtungen sind aber noch Ausnahmen, und deshalb hat die Zeichenständerfabrikation außerordentlichen Umfang erlangt. Die Holzstaffeleien sind meist verstellbar, sodaß die Zeichenfläche von der Senkrechten um 30° (Steilstellung) bis zu 60° (Flacbstellung) geneigt werden kann. Normal sind 30° Neigung von der Senkrechten. Sie wird bei allen Kohle-, Blei- und Buntstiftzeichnungen ge braucht; 60° Neigung von der Senkrechten wird für Pinsel arbeit benötigt, denn die Farbe würde bei der Steilstellung zu stark nach unten fließen. Da die Aquarelltechnik vom vierten Schuljahr ab gepflegt wird, so müssen für die damit beginnende „Mittelstufe“ und die anschließende „Oberstufe“ Ständer für Steil- und Flachstellung vorhanden sein. Amt liche Vorschriften über diese Neigungswinkel bestehen übrigens nicht. Das Zeichnen an der Staffelei soll mit freiem Arm und mit nicht aufgelegter Hand geschehen. Das erstere wird immer zu erreichen sein, das letztere ist für Detailarbeit und genaues Durcharbeiten nicht immer möglich. Daraus folgt, daß jeder Zeichenständer so fest stehen muß, daß der Schüler unter Umständen auch die Hand leicht auflegen kann. Daß er mit der linken Hand den Ständer festhält, ist zwar möglich, aber beim Aquarellieren ist die linke Hand nicht frei, sondern trägt die Palette oder den ent sprechend ausgestalteten Tuschkasten. Ein Zeichenständer, der seinen Standplatz leicht verschiebt, ist aber auch des halb unbrauchbar, weil die Zeichnung mit Bezug auf das Modell einen unverrückbaren Stand behalten muß. Bei der Berechnung der Standfestigkeit ist ferner zu berück sichtigen, daß die Schultische meistens schwach geneigt sind, der Ständer also leicht rutscht, ferner auch, daß der Neigungswinkel durch die nach vorn abfallende Schultafel fläche sich etwas verändert. Die Ständer sollen sich schnell aufstellen lassen; sie dürfen hierbei nicht klappern. Nach Gebrauch werden die Ständer zusammengelegt und in Stößen aufgeschichtet in den Klassenschrank gelegt. In zusammengelegter Form darf der Zeichenständer keine leicht abreißenden und über stehenden Teile zeigen. Ständer mit Blechrändern sind ebenso gefährlich wie solche mit Blechstützen, mit Stützen aus starkem Draht, Metallscharnieren usw. Dieses Material gibt durch Rosten nicht bloß Flecke sondern läßt Verletzungen der Schüler durch Blutvergiftung leicht gefährlich werden. Vor allem ist das durch Metallteile entstehende Geräusch bei solchen Ständern recht unangenehm.