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3206 PAPIER-ZEITUNG Nr. 77 Fabrik oder Handwerk? Vor kurzem teilten wir an dieser Stelle mit, daß der Verein Berliner Buchdruckerei-Besitzer im Auftrag einer größeren Anzahl von Mitgliedern eine Eingabe an den Kgl. Polizei-Präsidenten gerichtet hatte, worin gegen deren, nach ihrer Ansicht widerrechtlichen Heranziehung zu Hand werkskammerbeiträgen Einspruch erhoben und um Ab stellung gebeten wurde. Die meisten dieser Firmen zahlen seit Jahren Beiträge zur Handelskammer, und es finden auf sie alle diejenigen Bestimmungen der Gewerbe-Ordnung An wendung, die für Fabrikbetriebe vorgesehen sind Es befinden sich unter den Beschwerdeführern Firmen, die 100—200 Personen beschäftigen und deren Geschäftsbetrieb die fabrik mäßige Tätigkeit erkennen läßt. Seitens des Polizei-Präsidiums ist nun der Entscheid ergangen, daß es in dieser Angelegenheit nicht zuständig sei, es verweist den Verein dahin, daß sich die Firmen in erster Instanz an die städtische Gewerbedeputation wenden und in zweiter und letzter Instanz gegen deren Urteil den Spruch des Herrn Oberpräsidenten der Provinz Brandenburg an rufen müssen. Weiter wird darauf aufmerksam gemacht, daß solche Eingaben nicht gemeinsam gemacht werden dürfen, sondern daß jede Firma einzeln vorzugehen habe, da die Ent scheidung stets von Fall zu Fall zu treffen ist. Um eine einheitliche Form für diese Beschwerde zu finden, hat der Verein von seinem Syndikus einen Vordruck ausarbeiten lassen, der von den Firmen ausgefüllt inzwischen an die Gewerbedeputation abgegangen ist. Es steht zu hoffen, daß diese alte Streitfrage nun end lich zum Austräg kommt; wichtig genug ist sie, denn der heutige Stand der Angelegenheit ist so unsicher, daß klare Abgrenzung der Begriffe Handwerk und Fabrik gegenwärtig unmöglich ist. tz. Deutscher Faktorenbund. Am 22. und 23. September fand in Berlin in der Schlaraffia eine zweite außerordentliche General versammlung des Deutschen Faktorenbundes statt, welche sich mit dem Beschluß der Hauptversammlung des Deutschen Buch druckervereins vom 18. Juni 1906 in München, betreffend die Bei steuer der Prinzipale zu der Kasse des Deutschen Faktoren bundes und mit der Statistik über die wirtschaftlichen Verhält nisse der Mitglieder des Bundes zu beschäftigen hatte. Es waren 34 Delegierte aus allen Kreisen des Deutschen Reiches erschienen. Am Sonnabend Abend verhandelte man ausschließlich über den ersten Punkt der Tagesordnung. Der Vorsitzende, Herr Stadt hagen, gab zunächst den Anwesenden Kenntnis von den bis da hin geheim gehaltenen Verhandlungen mit dem Vorstande des Deutschen Buchdruckervereins, und die Herren Winkler und Kulbe als Vorstandsmitglieder gaben weitere Aufklärungen über die Gründe, welche den Bundesvorstand zu der Anknüpfung mit dem Deutschen Buchdruckerverein veranlaßt hatten und über die Bedeutung, welche der erzielte Erfolg sowohl in finanzieller wie in moralischer Beziehung für die weitere Entwicklung des Bundes haben werde. Nach diesen Aufklärungen erklärten sich die Delegierten mit dem Vorgehen des Bundesvorstandes ein verstanden, und es wurde bedauert, daß durch den Umstand, daß die Mitglieder bisher im Unklaren gelassen worden seien, einzelne Vereine ihrem Unwillen durch ablehnende Resolutionen Ausdruck gegeben hätten. Schließlich gelangte ein Antrag des Herrn Heintze-Leipzig, nach welchem die Versammlung die Zu wendung der Prinzipale dankbar anerkenne und annimmt, mit allen gegen eine Stimme zur Annahme. Aus einer den Delegierten gewidmeten Broschüre über die Entwickelung des Deutschen Faktorenbundes geht hervor, daß derselbe zur Zeit 1700 'Mitglieder zählt und bis zum 31. März 1906 an . Sterbegeld 7100 M., Witwen- und Waisenunterstützung 12085 M., Umzugsunterstützung 13989 M., Notlagenunterstützung 726 M., Invalidenunterstützung 13 150 M , in Summa also 47 040 M. Unterstützungen gezahlt hat. Zur Zeit werden 25 Witwen und 30 Invaliden unterstützt. Das Vermögen des Bundes beträgt 140 501 M. Am zweiten Verhandlungstage beschäftigte man sich mit Organisations- und Kassenfragen. Die sehr ausführlichen Erhebungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse der Mitglieder des Deutschen Faktorenbundes gaben zu lebhaftem Meinungs austausch Veranlassung, sie sollen zunächst den einzelnen Orts vereinen zur Erörterung überwiesen werden und der im nächsten Jahre in München stattfindenden ordentlichen Generalver sammlung in Verbindung mit den hieraus gewonnenen Ergebnissen als Unterlage für weitere Beschlußfassung dienen. Schließlich wurde auch der Stellennachweis des Bundes erörtert und ein von Herrn Sämmer-Münster ausgearbeiteterOrganisationsplan dem Vorstande als Material überwiesen. Es wurde dabei betont, die Mitglieder möchten berücksichtigen, daß sie dem Stellennachweis gegenüber nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten auszuüben haben. Die eingegangenen Anträge zu Statutenänderungen wurden teils zurückgezogen, teils dem Vorstande als Material für die nächstjährige Generalversammlung überwiesen. Am Schluß der Verhandlungen dankte Herr Winter-Leipzig namens der Dele gierten dem Vorstande für seine opferwillige Mühewaltung, und der Vorsitzende schloß um 2 Uhr nachmittags die Verhandlungen mit einem Hoch auf das weitere Blühen und Gedeihen des Deutschen Faktorenbundes, -e- Landesverein norwegischer Buchdruckerei- Besitzer Eine Versammlung norwegischer Buchdruckerei-Besitzer wurde in Kristiania vom 17.—19. September abgehalten Zweck der Versammlung war, alle norwegischen Buchdruckerei- Besitzer zu einem Landesverein zu vereinigen, der Zeitungs-, Werk- und Akzidenzdruckereien umfassen und Förderung des Faches in gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und technischer Beziehung anstreben soll. 40 Vertreter von Provinzialfirmen aus 23 Städter, sowie Vertreter von 30 Firmen in Kristiania waren erschienen. Zum Leiter der Versammlung wurde der Vor sitzende des norwegischen Buchdruckerei-Besitzer-Vereins, Herr J. A. Hanssen, und zu dessen Stellvertreter die Herren Eide, Vor sitzender des kürzlich gegründeten Lokalvereins in Bergen, und Vikan aus Drontheim, gewählt. Herr Gröndahl gab eine Ueber- sicht der Lohnbewegung und Tarifstreitigkeiten innerhalb des Faches in Kristiania während der letzten 30 Jahre. Schon früher sei versucht worden, Norwegens Buchdruckerei-Besitzer zu vereinigen, aber erst 1883 sei der erste Zusammenschluß zu stande gekommen. Dieser habe sich bis jetzt gehalten, aber es gelte jetzt mehr als je, einig auf der Wacht zu stehen gegen die gesellschaftauflösenden Bestrebungen, die sich zu offenbaren begonnen hätten, und die für das Gedeihen des Betriebes un umgängliche Arbeitsruhe und Sicherheit in den Verhältnissen zu gewährleisten. Hierin müsse man eine der Hauptbedingungen für das Erblühen des ganzen norwegischen Erwerbslebens und so mit auch für fruchtbare Entwicklung des Faches suchen, dem die Teilnehmer der Versammlung angehören. Darüber, daß ein Landesverein gebildet werde, waren sämt liche Erschienenen einig. Es wurde beschlossen, den Landes verein in sieben Kreisvereine einzuteilen und einen Hauptvor stand zu wählen, bestehend aus den Vorsitzenden der Kreis vereine und einem Vertreter für die in Kristiania erscheinenden Zeitungen. Ein vorgelegter Entwurf zu Satzungen für den Landesverein wurde angenommen. In den Hauptvorstand wurde als Vertreter für Kristiania einstimmig Herr J. A. Hanssen gewählt, ferner als Kreisvertreter die Herren Olaf Näsgaard in Fredriksstad, Evensen in Hamar, Varhus in Drammen, Thv. Johansen in Kristianssand, Eide in Bergen und Joh. L. Vikan in Drontheim. Auf Einladung der Geschäftsführer der in Kristiania er scheinenden Zeitungen fand dann eine besondere Versammlung der Vertreter von Provinz-Zeitungen statt, in der über ver schiedene Fachfragen (wie Anzeigenpreise usw.) verhandelt wurde. Ein Festmahl im Saale des Handwerker- und Industrie- Vereins, zu welchem außer den Teilnehmern an der Landes- Versammlung mehrere Faktoren und sonstige Angestellte aus dem Fache eingeladen waren, schloß das Beisammensein, fi. Besichtigung einer Papierfabrik. Am Dienstag, 18. September, unternahm der Leiter der Fachschule des Vereins Berliner Buchdruckereibesitzer, Herr C. Behrens, mit etwa 50 Schülern aus den oberen Klassen eine Besichtigung der Papierfabrik Marggraff & Engel in Wolfswinkel bei Eberswalde. Die Schüler fanden Gelegenheit, die Papierfabrikation in allen ihren Teilen in vollem Betriebe zu besichtigen. Vom Sortieren und Reinigen der Lumpen bis zum Beschneiden und Verpacken der aus dem Rollenpapier geschnittenen Bogen folgten die Fach schüler der Vorführung mit lebhaftem Interesse; sie konnten, in Gruppen geteilt, die einzelnen Vorgänge beobachten, und diese wurden ihnen durch die Fabrikleiter in zuvorkommendster Weise erläutert, sodaß sich dieser Ausflug zu einer will kommenen Bereicherung des technischen Wissens für die Lehr linge gestaltete. Der Leiter der Schule dankte nach Beendigung des Rundganges den Inhabern der Fabrik für ihr liebens würdiges Entgegenkommen und findet hoffentlich wieder freundliches Entgegenkommen, wenn Wiederholung dieser Besichtigung für eine weitere Anzahl von Schülern wünschens wert erscheint. — e— Volksbücherei. Die ländlichen Volksbüchereien, deren es vor 10 Jahren weniger als 1000 gab, werden jetzt auf 5 bis 6000 geschätzt, und deren Verhältnisse liegen am günstigsten in Sachsen, Württemberg, Brandenburg und Schleswig-Holstein, am ungünstigsten in Bayern, Elsaß-Lothringen und Mecklen burg. —s—