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Nr. 76 PAPIER-ZEITUNG vom Techniker abhängig zu sein. Wenn ein technischer Direktor in kaufmännischen Fragen auf einen billigen Buch halter und Korrespondenten angewiesen ist, so ist das jedenfalls noch viel bedauerlicher. Die vielen schlechten Geschäftsergebnisse sind zum großen Teil der mangelnden Fähigkeit der kaufmännischen Leitung zuzuschreiben. Ich habe vielfach erfahren, daß die Kaufleute, welche mit Papierfabriken geschäftlich verkehren, sich den maßgebenden Persönlichkeiten gegenüber überlegen fühlen und ihnen auch überlegen sind. Kürzlich habe ich ein großes Klagelied eines französischen Industriezweiges(nichtPapier) gelesen, welches darin gipfelte: »Unsere französischen Fabrikanten sind eben nur gute Fabrikanten, aber keine Kaufleute, und daher sind ihnen die deutschen Betriebe, welche vorwiegend von Kaufleuten geleitet werden, riesig überlegen und haben viel größere Erfolge aufzuweisen.« Bei großen Unternehmungen und Verbänden sehen wir durchgängig Kaufleute an der Spitze, und das sollten sich auch die kleineren Fabriken zur Lehre dienen lassen. Die International Paper Co. in New York hat jetzt, wie in Nr. 69 S. 2847 d. Bl. zu lesen war, in jede ihrer 32 Fabriken einen besonderen Geschäftsführer als einzigen Vertreter des New Yorker Hauptkontors entsandt, um die Verwaltungs geschäfte zu übernehmen, welche bisher den Betriebsleitern anvertraut waren. Das ist jedenfalls eine Maßnahme, die reichlichen Erfahrungen und Erwägungen entspringt. Es wird so viel von der amerikanischen Gefahr gesprochen. Man sollte aber von den praktischen und von Erfolg zu Erfolg schreitenden Amerikanern lernen. Das ist die beste Waffe gegen Gefahr. Ein technischer Betrieb bedarf eines ganzen Mannes, nicht minder ein kaufmännischer. Wenn aber die Aus sichten für die Kaufleute so schlecht wären, daß sie als billige Buchhalter und Korrespondenten unter Leitung eines Technikers enden müßten, dann wäre es um die Kaufmann schaft in der deutschen Industrie schlecht bestellt, und unter solchen Verhältnissen hätten wir uns nicht die Stellung in der Welt erobert, die wir haben. Auch für die Zukunft wäre nicht viel zu hoffen, und die höheren Handels schulen könnten ihre Pforten schließen oder lediglich dem Auslande dienen. Man stelle daher den Kaufmann an den Platz, der ihm zukommt. Tüchtige Kaufleute sind mindestens ebenso ge sucht wie Techniker und brauchen nicht billiger zu arbeiten als diese. Die teuerste Kraft ist in der Regel die billigste, weil sie dem Geschäft am meisten einbringt. Die Fabriken, welche diesem Grundsätze huldigen, haben die besten Erfolge zu verzeichnen. X. # * * Wenn man den Aufsatz in Nr. 73 der Papier-Zeitung mit der Unterschrift »Erfahrung« aufmerksam liest und die zugrunde liegenden Verhältnisse genau kennt, so kann man sich des Ge fühles nicht erwehren, daß bei dem Verfasser der Wunsch der Vater des Gedankens war. Es ist aber lehrreich, die Berechti gung dieser Ausführungen zu prüfen. Zunächst muß man sich fragen: Ist die Grundlage einer Fabrik oder der Industrie überhaupt, technisch oder kauf männisch, oder mit anderen Worten: Aus welchen Gründen er richtet man eine Fabrik? Nun, der oder die Unternehmer setzen ein gewisses Kapital ein, um Gewinn damit zu erzielen. In diesem Sinne sind also die Gründer ausschließlich Kaufleute, gleichviel, was sie in sonstiger Hinsicht sein mögen. Damit ist der kaufmännische Zweck und Grundgedanke schon von vorn herein festgestellt. Man will also durch den Verkauf erzeugter Waren verdienen — eine rein kaufmännische Tätigkeit. Zur Er zeugung dieser Waren bedarf man — neben der Anwendung von Arbeitskräften — der Rohstoffe, die erst eingekauft werden müssen. Es ergibt sich also außer dem Verkauf als weitere rein kaufmännische Tätigkeit der Einkauf. Zum Schluß soll aber auch die Probe auf die Rechnung ge macht, d. h. der Gewinn (oder Verlust) aus Ein- und Verkauf, oder besser: aus Aufwand und Ertrag, festgestellt werden. Da zu bedarf es genauer Rechnungsführung, denn die Aufwendungen an Kapital, Löhnen, Steuern, ferner auch Umsatz usw., alles soll aus Büchern klar nachweisbar sein. Wieder ist es der Kauf mann, der das übernimmt. Damit ist der Ring geschlossen, und es leuchtet ohne weiteres ein, daß jede Fabrik in ihrem ganzen Wesen auf rein kaufmännischer Grundlage beruht. Die Vor herrschaft des Kaufmannes ist dadurch auch ohne weiteres klar. 3151 Die Technik kommt erst in zweiter Linie, denn ihr fällt aus schließlich die Aufgabe zu, die eingekauften Rohstoffe in höher wertige Ware umzuwandeln. Sie tut dies im Dienste und für Rechnung des Unternehmers (Kaufmannes), der in der Fabrik sein Geld angelegt hat. Ob diese Unternehmer die kaufmännische Leitung selbst handhaben oder als Vertreter einen Kaufmann dazu berufen, ist dem Techniker gegenüber gleichbedeutend. Der kaufmännische Leiter muß an erster Stelle stehen. Der Umstand, daß ein hervorragender Teil des Erfolges, d. h der Gewinnerzielung, von der technischen Wirksamkeit ab hängt, sichert ohne weiteres die große Bedeutung des Technikers für den ganzen Betrieb. Es ist aber ein Verkennen der tatsächlichen Verhältnisse und der Aufgaben der kaufmännischen Leitung, wenn die Technik auf den ersten Platz in der Leitung Anspruch machen will. Dagegen ergibt sich von selbst das enge Verhältnis, die Wechselseitigkeit der Beziehung zwischen Kaufmann und Techniker. Wenn der technische Betrieb nicht auf der Höhe ist, dann kann selbst ein kaufmännisches Genie durch seine Fähigkeiten diesen Mangel nicht ersetzen; anderseits wird der Techniker trotz Aufbietung seines ganzen Scharfsinnes vergeblich arbeiten, wenn der kaufmännische Leiter seinem Posten nicht gewachsen ist. Die Notwendigkeit, daß kaufmännische und technische Leitung einträchtig Hand in Hand gehen, leuchtet also ohne weiteres ein! Nun liegt die Folgerung sehr nahe, daß es dann am besten sei, beide Posten in einer Person zu vereinigen. Diese Folge rung ist falsch, denn sie setzt voraus, daß diese eine Person so wohl für die kaufmännische als auch für die technische Leitung völlig geeignet sei. Ist das möglich? Nun, es gibt Kaufleute, die glauben, weil sie lange in Papierfabriken tätig gewesen sind, vielleicht gar einige Zeit praktisch mitgewirkt haben, dadurch befähigt zu sein, auch die technische Oberleitung einer Fabrik in die Hand zu nehmen. Sie denken sich: »Es wird schon gehen, wozu hat man denn die Werkmeister?« Sie überlegen nicht, welche Fülle von praktischen Erfahrungen aus langjähriger Arbeit heutzutage für den technischen Leiter einer Papierfabrik notwendig ist, um auf der Höhe zu bleiben. Umgekehrt ist es eine bekannte Erfahrung, daß sehr viele Techniker geneigt sind, die Tätigkeit des Kaufmannes gering einzuschätzen: Das bischen Buchführung und Briefschreiben usw. wirst du wohl auch noch verstehen; es ist ja auch der Buchhalter und der Korrespondent da«, sagen sie sich. Das ist z. B. die Anschauung, die zwischen den Zeilen des Artikels »Erfahrung« zum Vorschein kommt. Ist die Fabrik sehr klein, und arbeitet sie unter günstigen Um ständen, dann kann es ja eine Weile gut gehen. In größeren Fabriken wird aber das mehr oder weniger häufige Auftreten rein kaufmännischer Fragen dem Leiter gar bald die Unzu länglichkeit seiner Befähigung auf diesem Gebiete klar machen, wenn er überhaupt soviel Einsicht besitzt. Wo um alles in der Welt soll er aber auch die Eigenschaften, Kenntnisse und Er fahrungen herhaben, die der Kaufmann erst durch langjährige Tätigkeit sich aneignet? Woher soll er die richtige Art des persönlichen und schriftlichen Verkehrs mit Kundschaft und Lieferanten verstehen? Das Abschließen von Einkaufs- und Verkaufsverträgen, die Bilanzarbeiten, die Bestellung und Ueberwachung von Vertretern, Ausfuhr, Reklame, Finanz fragen, Verhandlungen mit Anwälten und Banken usw.? Der Schreiber dieses war in Papierfabriken tätig und kennt durch geschäftliche Beziehungen Hunderte von in- und ausländischen Fabriken persönlich. Es war ihm oft erheiternd, das Gebaren und die Ansichten von Leuten wahrzunehmen, die in ihrem Fache vielleicht sehr tüchtige Techniker sind, aber keine Kauf leute, oder aber von Kaufleuten, die sich so nennen, ohne es aber über die Anfangsgründe der kaufmännischen Fachwissen schaften hinausgebracht zu haben. Kapital und Protektion ver helfen ja manchem zu einem Platze, auf den er kraft seiner Fähigkeiten keinen Anspruch hat. Was nennt sich nicht alles Kaufmann, und wie wenige fühlen den Hauch eines wirklichen kaufmännischen Geistes in sich! Es hat sich immer und immer gezeigt, daß auch Betriebe auf anderen Gebieten, z. B. Landwirtschaft und Handwerk, um so bessere Erfolge erzielten, je mehr die Leitung von wirklichem kaufmännischem Geiste beseelt war. Der Kaufmann ist es also, der als Haupttriebfeder unseres heutigen Erwerbslebens zu be trachten ist, und der daher ins Vordertreffen gehört. Deswegen ist es eine Bekundung rückständiger Auffassung, wenn einem Techniker auch die kaufmännische Leitung in die Hand gegeben wird. In jeder größeren Fabrik ist es vielmehr unbedingt er-