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Deutscher Papierverein Generalversammlung am 16. Juni 1906 in Nürnberg. Haupt- Restaurant der Landes-Ausstellung Schluß zu Nr. 50 e) Anträge der Zweigvereine. 1. Antrag des Papier- Vereins Berlin und Provinz Brandenburg auf Einführung eines in Deutschland zulässigen Warenbriefes. Herr Schaal führt aus, daß der Handel ein Bedürfnis habe nach rascher Beförderung von Waren, die schwerer sind als die (heute) zulässigen Muster ohne Wert. Mehrere Handelsvertretungen haben das Reichspostamt ersucht, kleine Packungen bis zum Gewicht von 1 kg als Warenbriefe für den Preis von 30 Pf., ebenso wie die anderen Briefe, mit der ersten Post zu befördern. Der Deutsche Papier-Verein möchte eben falls eine derartige Eingabe machen. Der Antrag wird ein stimmig angenommen. Nunmehr wird eine viertelstündige Frühstückspause eingeschaltet. 2. Besprechung über die Handhabung des Giftgesetzes im Papierfach. Herr Kuhn verweist auf die Mitteilungen in der Papier-Zeitung über die Bestrafung eines Stettiner Papierhändlers, der den polizeilichen Vorschriften über den «Verkauf gifthaltiger Farben nicht nachgekommen sei. Da die Kenntnis dieser Vorschriften unter den Papier händlern wenig verbreitet sei, wurde diese Frage vor die gegenwärtige Versammlung gebracht. Redner erwähnt die Aufklärungen, die mehrere Farbenfabrikanten in der Papier- Zeitung hierüber gegeben hatten (vergleiche Nrn. 17, 19 und 25 von 1906). In Preußen müssen einige Farben mit der Aufschrift »Vorsicht«, andere mit der Aufschrift »Gift« bezeichnet werden. Um die Waren, die mit »Vorsicht« be zeichnet sind, vertreiben zu dürfen, ist es nötig, solchen Handel bei der Polizei anzumelden. Für den Vertrieb von Waren, welche als »Gift« bezeichnet werden müssen, sei jedoch eine Erlaubnis notwendig. Solche Waren sind im Giftschrank zu halten und dürfen nur gegen Giftschein ver abfolgt werden. Händler mit solchen Waren müssen auch eine Prüfung ablegen. Es genügt für die meisten Papier händler, wenn sie sich auf den Handel mit solchen Waren beschränken, welche mit »Vorsicht« bezeichnet sind. Herr Hennis: Der Verkehr mit gifthaltigen Farben ist durch das Gesetz vom 15. Juli 1887 geregelt. Dieses wurde ergänzt durch einen Bundesratsbeschluß vom 19. November 1894, der in den verschiedenen Bundesstaaten verschieden gehandhabt wird. Redners Ausführungen gipfeln in dem Antrag, der Verein möge folgende Reglung dieser Frage anstreben: Antrag: Zu § 6 des Farbengesetzes vom 5. Juli 1887. Der Verkehr mit gebrauchsfertigen Oel-, Harz- und Lackjarben, soweit sie nicht Arsenfarben sind, ferner mit Farben in Form von Stiften, Pasten, Steinen, in geschlossenen Tuben zum unmittelbaren Gebrauch, soweit sie nicht Arsen farben sind, unterliegt weder der Anzeige- oder Genehmigungspflicht, noch der Ueberwachung im Sinne der Giftordnung nach Beschluß des Bundesrats vom 29. November 1894, sofern im Verkehr mit Farben in Form von Stiften, Pasten, Steinen in geschlossenen Tuben auf jedem einzelnen Stück oder auf ihrer Umhüllung oder auf dem als einheitliches Ganzes anzusehenaen Gebratichsgegenstand entweder das Wort »Gift« bezw. »Vorsicht«, der Name der Farbe oder eine das darin enthaltene Gift erkennbar machende Be zeichnung deutlich angebracht ist. Dieser Antrag wird einstimmig angenommen. 3. Antrag des Papier-Vereins Düsseldorf: Der Deutsche Papier-Verein möge auf solche gesetzliche Reglung hin wirken, daß die Zahlungspflicht der Geschäftsinhaber bei Erkrankung ihrer Handlungsgehilfen gegenüber dem jetzigen Zustand erleichtert werde. Herr van den Bergh schildert die Notlage, in welche kleine Geschäftsleute ge raten können, wenn ihr einziger Gehilfe erkrankt: sie müssen dem erkrankten Gehilfen sechs Wochen Gehalt zahlen, dürfen ihm das Krankengeld, welches er aus der Krankenkasse erhält, nicht abziehen und müssen gleich zeitig einen neuen Gehilfen anstellen und bezahlen. Herr Schaal erkennt den Uebelstand an und empfiehlt, sich den Schritten der Handelskammern anzuschließen, welche dem Reichstag folgende Aenderung des § 63 HGB vorschlagen: Die Geschäftsherren sollen vereinbaren dürfen, daß das Krankengeld vom Gehalt abgezogen wird, jedoch nicht, daß während der Krankheit kein Gehalt gezahlt wird. Herr Fettback erinnert daran, daß die rund 500000 deut schen Handlungsgehilfen im Durchschnitt nur sehr geringes Gehalt beziehen, und daß man ihnen daher auch fernerhin das Krankengeld nicht abziehen sollte. Er weist auf die Be strebungen derHandlungsgehilfen-Verbände hin und ist dafür, daß die Geschäftsherren sich bemühen, der Gehilfenschaft entgegenzukommen, damit diese nicht der Sozialdemokratie in die Arme getrieben wird. Herr van den Bergh tritt für den Schutz des Kleingewerbes ein. Mancher kleine Papierhändler sei wirtschaftlich schlechter daran als die Vorarbeiter in Fabrikbetrieben. Herr Dr. Schwanhäußer ist für volle Gehaltszahlung und gegen Abzug des Kranken geldes. Herr Justizrat Wilmersdoerffer erläutert die Recht sprechung auf Grund des für diese Frage maßgebenden § 63 HGB und den Antrag Bassermann, welcher die Aenderung dieses Paragraphen zugunsten der Handlungs gehilfen empfiehlt. Redner tritt den Ausführungen des Herrn Schaal bei. Die Versammlung empfiehlt hierauf dem Vorstand, sich den Schritten der Handelskammern anzu schließen. 4. Herr Soennecken empfiehlt den Antrag des Papier- Vereins Bonn zur Annahme: Das Reichspostamt zu er suchen, in den Schalterräumen der Postämter keinen Ver kauf von Ansichtskarten zuzulassen. Der Antrag wird ein stimmig angenommen. 5. Antrag des Magdeburger Zweigvereins: Der Vorstand soll ersucht werden, seine Anträge zur Hauptversammlung möglichst 8 Wochen vorher bekannt zu geben. Zweck des Antrags sei, daß die Zweigvereine Zeit haben sollen, zu den Anträgen des Vorstandes Stellung zu nehmen. Der Vorsitzende betont, daß bei Annahme dieses Antrages der Vorstand gezwungen wäre, etwa kurz vor der Ver sammlung auftauchende wichtige Fragen auf 1 Jahr zu ver tagen. Herr Mann, Schriftführer des Hauptvereins, ver spricht, alle Anträge, sobald sie dem Vorstand bekannt würden, den Vorständen aller Zweigvereine und in der Papier-Zeitung bekannt zu geben. Hierauf wird der An trag des Magdeburger Zweigvereins zurückgezogen. 6. Der Magdeburger Zweigverein erinnert den Vorstand an seine vorjährige Zusage, den Zweigvereinen Druck sachen zur Werbung neuer Mitglieder zu senden. Der Vor sitzende erklärt, daß der Vorstand infolge von Ueberhäufung mit unerwarteter Arbeit an der Erfüllung dieser Zusage verhindert gewesen sei, und erinnert namentlich an die große Arbeit, welche der Vorstand bei Bekämpfung der Ansichtskarten-Steuer geleistet habe. Er bittet, das Ver säumnis zu entschuldigen und verspricht baldige Zu sendung von Werbebriefen. f) Anträge von Mitgliedern. Die Firma Stolzenberg be antragt, der Papier-Verein möge die ausführlich begründete Eingabe der Firma Soennecken unterstützen, worin das Auswärtige Amt ersucht wurde, im Handelsvertrag mit Spanien solche Wertsätze für Schreibwaren festzulegen, welche die Ausfuhr dorthin möglich machen. (Vgl. Nr. 40 der Papier-Zeitung von 1906.) Der Antrag wird an genommen. Herr Schaal empfiehlt, die Reichsregierung zu ersuchen, sie möge von der durch den Reichstag erteilten Ermäch tigung, die bestehenden Portosätze für Postkarten, Druck sachen und Warenproben im Orts- und Nachbarortsverkehr zu erhöhen, keinen Gebrauch machen. Redner erläutert die Nachteile, welche der Handelsstand und insbesondere die Papier- und Druck-Industrie durch solche Porto-Er höhung erleiden würden.