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® CH REI BWAREN-HANDEL VAwEEE£eSeFgSK42ee5 LNr.102c- 20, Dezember 1908 Schutzverband für die Postkarten-Industrie Sitz Berlin Ueber die vom Schutzverband für die Postkarten industrie nach dem Papierhause zum 15. Dezember, nach mittags 4 Uhr, einberufene öffentliche Versammlung geht uns folgender Bericht zu: Die Versammlung war so stark besucht, daß der gewöhn liche Sitzungssaal nicht ausreichte, und sie in den großen Saal übersiedeln mußte. Der Vorsitzende Herr Kraemer (Rotophot) eröffnete 41/2 Uhr die Versammlung und dankte für das zahlreiche Erscheinen. Das Postkartenfach sei im letzten Jahre nicht auf Rosen ge bettet gewesen, ruhige Weiterentwicklung des Faches habe nicht stattgefunden, vielleicht liege dies daran, daß sich das Postkartengeschäft bis dahin viel zu rasch entwickelt habe. In guten Jahren sei es Aufgabe des Schutzverbandes ge wesen, die Mitglieder vor Ausbeutung durch unlautere Elemente zu schützen, dem Fach schädliche Regierungsvorlagen zu be kämpfen und die Interessen der Fabrikanten, Verleger, Groß- und Kleinhändler in Verkehrs-, Porto- und rechtlichen Fragen wahrzunehmen. Jetzt gelte es im Interesse derselben Kreise Firmen entgegenzutreten, die das Fach zugrunde richten wollen. Die deutsche Postkarten-Industrie sei gewöhnt, in den Brom silberkarten das Rückgrat des Postkartengeschäfts zu sehen. Bis 1. April 1908 haben im Bromsilbergeschäft feste Preise bestanden und alle Beteiligten haben sich dabei wohl befunden. Nur das Verhalten der Neuen Photographischen Gesellschaft sei Schuld daran, daß die Vereinbarung zusammengebrochen sei. Dieses Vorgehen der N. P. G. berühre alle Anwesenden und führe zum Untergang des Faches. Am 11. Januar 1908 habe der Leiter der N. P. G. an den Verband der Bromsilberfabrikanten geschrieben, daß seine Ge sellschaft die Konkurrenz noch nie mit billigeren Preisen unter boten habe, und daß er dies auch künftig nicht tun wolle; des halb habe die Mehrzahl der Fabrikanten beschlossen gehabt, den Verband fortzusetzen. Aber schon am 1. April, am Tage nach dem Austritt der N. P. G. aus der Konvention, habe die Kundschaft von der N. P. G. Angebote erhalten, in welchen der Preis für Bromsilberkarten bis zu 20 v. H. ermäßigt wurde. Die Großhändler hatten nicht im geringsten den Wunsch, daß der Preis herabgesetzt würde, aber seit dieser Zeit sei der Preis Schritt für Schritt zurückgegangen, sei Stein für Stein ab gebröckelt. Es seien im vergangenen Sommer fortdauernd Ver suche gemacht worden, durch neue Verhandlungen die N. P. G. zum Einlenken zu bringen, doch seien alle Bemühungen ge scheitert. Weder in der Marktlage, noch irgend sonst läge ein sichtlicher Grund vor, die Preise der Bromsilberkarten her unterzudrücken. Die Dividenden der Gesellschaften und der Zusammenbruch manches Fabrikanten dieses Geschäftszweiges bewiesen zur Genüge, daß keine goldenen Berge zu holen seien, und daß der Nutzen in keinem Verhältnis stehe zu dem Auf wand an Kapital und Leistung. Die Preislage, welche die N. P. G. mit ihren neuesten, vor wenigen Tagen ausgelegten Angeboten erreicht hat, läßt keinen Nutzen, sondern muß zu empfindlichen Verlusten führen. Die N. P. G. bezweckt damit nicht etwa lediglich die Zurück eroberung verlorenen Gebiets, sondern den Untergang anderer, weniger kapitalkräftiger Firmen. Kein Verleger, kein Groß oder Kleinhändler könne ein Interesse daran haben, derartige Maßnahmen zu unterstützen, d. h. sein Lager zu entwerten oder die Fabrikanten zu dezimieren, weil kein Händler mit einem Fabrikat auskommen könne. Würden die anderen Fabrikanten dem Beispiel der N. P. G. folgen, dann würde, abgesehen von ihren eigenen Verlusten, das Fach in kurzer Zeit zu Ende gehen, Fabrikanten und Händler würden dann bald kein Interesse an Bromsilberkarten mehr haben. Es gab eine Zeit, wo ein gewisses Vertrauen und eine gewisse Anhänglichkeit zwischen Fabrikanten und Groß händlern bestand, leider sei jetzt nicht mehr darauf zu rechnen. Er wolle nicht auffordern, von der N. P. G. nichts zu kaufen, aber er teile der Versammlung die Beschlüsse des Verbandes der photographischen Reproduktionsanstalten des Bromsilber- faches mit: Die deutschen und österreichischen Verbandsfirmen hätten ihre volle Sympathie und Zustimmung dazu erklärt, daß die Preise nicht herabgesetzt werden, und das Schleuderangebot der N. P. G. nicht zur Grundlage des Bromsilberkartengeschäfts werde. Gebot der Selbsterhaltung und die Interessen des Post kartenhandels hätten die Fabrikanten zu diesem Beschlusse ge führt. Die Stellungnahme der Großhändler und Verleger zu dieser Frage könne nicht zweifelhaft sein, besonders da von den Fabrikanten denjenigen Großhändlern, die nur bei Verbands firmen kaufen, besondere Vorteile gewährt werden sollen. Im allseitigen Interesse läge es, den von der N. P. G. auf gedrungenen Kampf aufzunehmen, der zum Siege führen müsse, wenn die Großhändler zum Verbände der Bromsilber-Repro duktionsanstalten hielten. In der darauf folgenden Aussprache betonte Herr Flamburg nochmals, daß sich der Verband die größte Mühe gegeben habe, eine Verständigung mit der N. P. G. herbeizuführen, und be leuchtete deren Handlungsweise; die N. P. G. habe zu den Ver handlungen stets Vertreter entsandt, die nicht bevollmächtigt waren, und dann statt der erwarteten Zusage eine Absage ge- gegeben. Im August sei eine Grundlage für eine neue Preis vereinbarung gefunden worden, nur die Zustimmung der N. P. G. habe gefehlt, sie sei dann mit neuen Vorschlägen gekommen und habe gefordert, daß die Postkartenfabrikation kontingentiert und damit der N. P. G. gewissermaßen die Menge zugesichert würde, die sie früher fabriziert habe. Sogar die Originale sollten kontingentiert werden! Es war bei den Forderungen der N. P. G. unmöglich, zur Verständigung zu kommen. Zweck mäßig wäre es, wenn die Großhändler einen Verband gründeten, der den Verband der Reproduktionsanstalten unterstützen würde. In der weiteren Aussprache, an der sich die Herren Schmidt, Dresden; Michaelis, Fink, Waßmund, Budwig, Hamburg; Themal, Posen; Kaufmann, Rosenthal, Berlin, wiederholt beteiligten, wurde das Vorgehen der N. P. G. abfällig beurteilt und der Vorschlag zur Gründung eines Großhändler-Verbandes lebhaft unterstützt, auch dem Verbände der Fabrikanten Unterstützung zugesagt. Der zu gründende Großhändler-Verband soll die Interessen der Großhändler, der Verband der Bromsilber- Reproduktionsanstalten die der Fabrikanten vertreten und der Schutzverband für die Postkarten-Industrie das Bindeglied sein. Es kamen auch die alten Klagelieder über den angeblichen Ver kauf der Fabrikanten an Kleinhändler und den Verkauf an Warenhäuser zum Vorschein. Die Lieferung an Kleinhändler wurde bestritten, allerdings sei manchmal die Unterscheidung schwer, ob der Kunde zu den Groß- oder Kleinhändlern ge höre. Ferner wurde gefragt, ob die Fabrikanten die Tochter- gesellschatten zu den Großhandlungen oder zu den Fabriken rechneten, worauf die Antwort erfolgte, daß diese zu den Fabriken gehören. Weiter wurde vorgeschlagen, außer der schwarzen Liste fauler Zahler auch eine Liste der Schleuderer herauszugeben. Während der Aussprache lief vom Bayrischen Landesver band folgendes Telegramm ein: »Im Kampfe gegen Schleuderei und Vergewaltigung dürfen Sie auch auf Bayern rechnen«. Auf Antrag des Herrn Themal, Posen, wurde sofort ein Großbändlerverband gegründet, dem sich alsbald viele Firmen anschlossen. Vorläufig wurden zur Führung der Geschäfte und Verhandlung mit dem Fabrikantenverbande die Herren Schmidt, Dresden; Themal, Posen; Kaufmann, Fink und Weller, Berlin, gewählt. Folgende Erklärung wurde einstimmig beschlossen: »Die heute im Papierhause versammelten Mitglieder des Schutzverbandes für die Postkarten-Industrie, sowie die anwesenden Fabrikanten, Verleger und Großhändler des Postkartenfaches mißbilligen entschieden das Vorgehen der Neuen Photographischen Gesellschaft in Steglitz und erwarten, daß der heute neugegründete Großhändlerver band gemeinsam mit den Fabrikanten Mittel und Wege finden wird, um dem weiteren Niedergang des Faches zu steuern.« Zu den Beschlüssen des Oesterreichischen Schutsverbandes übergehend, berichtet Herr Kraemer, daß am 6. und 7. Dezember in Wien ein Postkartentag stattgefunden habe, zu dem er zwar eine hübsche Einladung erhalten habe, aus der er aber nicht er sehen konnte, daß dort weittragende Beschlüsse gefaßt werden sollten. Das Vorgehen des österreichischen Bruderverbandes sei gewiß sehr lobenswert und die Absicht, die Auswüchse im Fach zu beseitigen und Gesundung herbeizuführen, nur anzu erkennen; aber derartige Beschlüsse zu fassen, ohne die reichs deutschen Fachgenossen zu befragen oder zu hören und sofort ein Ultimatum zu stellen, sei entschieden zu verurteilen. Er wundere sich umso mehr, als ausgezeichnete Männer an der Spitze des Verbandes stehen. Der österreichische Verband habe eine Kommission gewählt, bestehend aus 3 Vertretern der Fabrikanten und 3 Großhändlern. Wer mit Oesterreich arbeiten wolle, habe seine Kundenliste dieser Kommission einzureichen, und diese habe zu bestimmen, mit welchen Kunden gearbeitet werden dürfe! Streiche diese Kommission Kunden, so gibt es