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PAPIER-ZEITUNG 3577 Nr. 92 Verein der Zellstoff- und Papier-Chemiker Herr Prof. Klason von der Technischen Hochschule in Stockholm, dem die Zellstoff-Chemiker viele wertvolle Arbeiten verdanken, hat unserm Verein in liebenswürdiger Weise nachstehende bedeutungsvolle Arbeit zur Veröffent lichung übergeben, wofür wir ihm unsern besten Dank aussprechen. Der Vorstand Dr. Max Müller^ Vorsitzender Gerüche der Sulfatzellstoffabriken Untersuchungen über die Beschaffenheit der bei der Sulfatzell- Stoffabrikation entstehenden übelriechenden Stoffe und die Mög lichkeit, ihrer Bildung vorzubeugen oder sie unschädlich zu machen Von Prof. P. Klason in Stockholm 1. Einleitung Schon die Herstellung des Natronzellstoffs verursachte In der nächsten Nachbarschaft der Fabriken einen unangenehmen brenzlichen Geruch, doch dürfte dieser in größerem Abstand davon selten bemerkt worden sein. Als die kaustische Soda mit Natriumsulfat vertauscht wurde, wurde es in genannter Hin sicht schlimmer, denn der brenzliche Geruch wurde von einem anderen weit unangenehmeren verdeckt, der in gewissem Grade gleichzeitig an Knoblauch und verdorbenen Weißkohl erinnert. Da die riechenden Stoffe in den genannten Pflanzen flüchtige Schwefelverbindungen sind, so hat man als wahrscheinlich an genommen, daß derartige zur Klasse der Merkaptane und Alkyl sulfide gehörige Stoffe auch hier den unangenehmen Geruch hervorrufen. Näheres war jedoch darüber nicht bekannt, bis ich im Dezember 1906 in Svensk Papperstidning eine ku.ze Ueber- sicht der Ergebnisse veröffentlichte, zu denen ich gekommen war, wobei der Rohstoff in der Oerebroer Papierfabrik 'n der unten näher zu beschreibenden Weise hergestellt worden war. Wohl brachte der Ersatz der kaustischen Soda durch Natriumsulfat den großen wirtschaftlichen Fortschritt, daß bei der Arbeit damit wesentlich größere Ausbeute und kräftigere Faser erhalten wurde, jedoch bat anderseits der angedeutete widerwärtige Geruch dieser nützlichen Fabrikation einen starken Hemmschuh angelegt. Dies war umso bedauerlicher, als Sulfitzellstoff, was die Güte betrifft, nicht ganz Sulfatzellstoff ersetzen kann, und daß man bei der Herstellung von Sulfit zellstoff weit genauer in der Wahl des Holzes sein muß. Der große Harzgehalt des Kiefernholzes hat auch zur Folge, daß es, Wenigstens was das Kernholz betrifft, nicht zur Herstellung von Sulfitzellstoff verwendet werden kann. Es wäre daher aus verschiedenen Gesichtspunkten von großem Nutzen, wenn die erwähnten Gerüche bei der Herstellung von Sulfatzellstoff vermieden oder wenigstens in beträchtlichem Grade vermindert werden könnten. 2. Beschaffenheit der übelriechenden Stoffe, die beim Kochen des Holzes entstehen Der Geruch diese» Stoffe ist sehr durchdringend. Wie es sowohl bei übelriechenden als bei wohlriechenden Stoffen der Fall ist, nimmt der Geruch scheinbar bis zu einem gewissen Grade mit der Verdünnung zu und kann daher unter Umständen auf größere Entfernungen hin wahrgenommen werden. Man erhält eine Vorstellung von der außerordentlichen Empfindlichkeit des Geruchssinnes für diese Stoffe durch eine Angabe in der Papier- Zeitung von 1896 seitens der Fränöer Sulfatstoffabrik, wonach der Geruch sich bis nach dem rd. 40 km entfernten Hernösand verbreitete und in der ganzen Stadt verspürt wurde. Daß der Geruch auf so große Entfernungen wahrgenommen wird, gehört jedoch zu den seltensten Ausnahmen und setzt sehr ungewöhn liche Strömungsverhältnisse in der Atmosphäre voraus. So wird der Geruch von der großen Sulfatzellstoffabrik in Skutskär sehr selten in Gefle verspürt, obwohl der Abstand nur rd. 16 km beträgt. Sogar in Katrineholm, das weniger als 5 km von der Värnbohler Sulfatzellstoffabrik entfernt liegt, wird der Geruch nur selten wahrgenommen und belästigt gewöhnlich auch dann nicht; doch kann er in vereinzelten Fällen noch auf dem Gut As, 30 km davon entfernt, verspürt werden. Die wiederholt erwähnten übelriechenden Stoffe sind sehr flüchtig. in meinen Vorlesungen über die Sulfatzellstoff- fabrikation habe ich gewöhnlich darauf hingewiesen, daß die Feuersbrunst, die vor einigen Jahren die Sulfatstoffabrik in Värnbohl, zerstörte, von Meihylsulfid herrührte, welches sehr flüchtig ist, da es bereits bei 37° kocht. Die Luft war dort bei der Gelegenheit so mit Methylsulfid geschwängert, daß das Feuer in einem einzigen Augenblick sich in dem ganzen Raum verbreitete. Man pflegte nämlich beim Entgasen der Kocher den Dampf un mittelbar in die Weißlauge zu leiten. Methylsulfid hat auch genau denselben Geruch, der für Sulfatzellstoffabriken be zeichnend ist, und dieser mir von früheren Arbeiten mit diesem Körper her wohlbekannte Geruch veranlaßte mich, nach dem selben hier zu suchen. Auf Grund meiner früheren Arbeiten teils mit dem Lignin des Fichtenholzes, teils mit Merkaptanen und Sulficen, war mir die Sachlage von vornherein ziemlich klar. Das Lignin enthält Methoxylkomplexe (OCHa), die bei der hohen Temperatur, welche im Kocher besteht, von den Alkalien und Schwefel alkalien verseift werden können, wobei im ersteren Falle Methylalkohol, im letzteren dagegen Methylmerkaptan gebildet wird. Bezeichnet man Lignin mit dem Ausdruck ROCH 3 , worin R sämtliche übrigen Atome in den Ligninmolekülen symbolisiert, so geschieht die Bildung der angedeuteten Verbindungen nach den Formeln: 1. ROCH, + NaOH = RONa + CH,OH, 2 ROCH, 4- NaSH = RONa + CH,SH. Da indessen Methylmerkaptan elektronegativen Charakter hat, so kann es bei Gegenwart von Alkali in ein Alkalimerkaptid übergehen, 3. CH,SH + NaOH = CH,SNa + H,O, welches seinerseits auf das Lignin nach der Formel: 4. ROCH, + CH,SNa = RONa + CHaSCHa einwirken kann. Ueberhaupt wird überall, wo ein organisches Sulfbydrat (Merkaptan) entsteht, gleichzeitig das entsprechende Sulfid er halten und umgekehrt, wie ich seinerzeit ausführlich gezeigt habe. Indessen geschieht derartige Abspaltung von Methyl- Verbindungen unvergleichlich schwerer mit Alkalien als mit Säuren. Das ist auch bei den einfachsten Vertretern der aro matischen Methoxylverbindungen, den sog. Anisolen, der Fall. Wird demnach Lignin oder Holz mit konz. Salzsäure oder noch besser Jodwasserstoffsäure erhitzt, so werden sämtliche der artige Methoxylgruppen vollständig als Methylchlorid oder Jodid abgespalten. Mit Alkalien wie auch mit Schwefelalkalien ge schieht dies nur spurenweise auch bei der hohen Temperatur, 150°—18c 0 , die im Sulfatstoffkocher herrscht. Das Gleiche findet bei den Anisolen statt. Dies ist ein glücklicher Umstand, denn sonst würden so ungeheure Mengen von diesen Stoffen, rd. 3 v. H. von dem Trockengewicht des Holzes, gebildet werden, daß das Kochverfahren dadurch unmöglich gemacht würde. Man kann annehmen, daß diese Reaktionen innerhalb ge wisser Grenzen in dem Maße fortschreiten, wie die Zeit zu nimmt und die Temperatur steigt. Wie wir im Folgenden sehen werden, verhält es sich auch so. Das Versuchsmaterial wurde, wie erwähnt, in der Oerebroer Papierfabrik erhalten, welche hauptsächlich Kraftmasse erzeugt. Die Arbeit damit wurde Mitte Oktober 1906 begonnen. Dort sind 5 Kocher mit einem Rauminhalt von je 24 cbm. Sie sind teils stehend, teils rotierend, und die Anordnung war derart, daß das Ent gasen nur geschehen konnte, während die Kocher sich in Ruhe befanden. Der höchste Druck im Kocher betrug 5 bis 6 Atm., entsprechend ungefähr 150 0 bis 160 0 C. Die Kochlauge ist die gewöhnliche schwefelnatriumhaltige Lösung von kaustischer Soda mit einem spezifischen Gewicht von ungefähr 290 Be. Der Gehalt an Schwefelnatrium beträgt ungefähr 25 v. H. des Gesamtalkalis. Die Kochzeit beträgt ungefähr 6 Stunden. Bef der Ausführung der Versuche wurde ausschließlich Fichtenholz verwendet. Nachdem das Holz fertiggekocht war, wurde der Dampf durch einen Kühlschlauch geblasen, der In ein Gefäß eingesetzt war, in welchem Wasser zum Waschen der Masse er wärmt wurde. Nach einigen vorbereitenden Versuchen erwies sich folgende einfache Arbeitsweise als zum Ziele führend. Ein Kühler wurde unmittelbar an einen am Deckel eines Kochers befindlichen Hahn angeschlossen. Es war ein gewöhn licher Flächenkühler mit Messingiöhren, die zwei Kästen aus Messingblech miteinander verbanden, wovon der eine den Dampf aufnahm, der andere das Kondensat lieferte. Die unkondensierten Gase wurden, nachdem sie einen Tropfsammler passiert hatten, durch eine Reihe von Absorptionsflächen geleitet, welche Lösungen von Bleizucker enthielten. Auf dem Kondensat schwimmt das übergegangene Terpentinöl. In der Bleizucker lösung bildete sich ein schön gelber, kristallinischer Nieder schlag, der hauptsächlich zu Beginn des Blasens ausgeschieden wurde. Wie zu vermuten war, erwies er sich als Bleimethyl- merkaptid. Seine Menge war nicht groß, sodaß man annehmen kann, daß nicht mehr als 15 bis höchstens 20 g Methylmerkaptan bei jeder Kochung gebildet wird. Da Merkaptan leicht und genau quantitativ bestimmt werden kann, läßt sich dessen Menge ohne größere Schwierigkeit feststellen, sobald zweckmäßige Vor richtungen dazu getroffen worden sind. Es bereitete keine Schwierigkeit, aus der genannten Blei verbindung ein Gas von denselben Eigenschaften darzustellen wie das Methylmerkaptangas, das ich vor 27 Jahren zum ersten mal in reinem Zustande dargestellt habe, und das genau den selben Geruch wie verdorbener Kohl hatte. Nencki zeigte auch später im Anschluß an meine Untersuchungen, daß verdorbener Kohl eben dieses Gas enthält. Methylmerkaptan ist ohne Zweifel der Stoff, dessen Geruch in stärkerer Verdünnung als irgend ein anderer Körper wahrnehmbar ist. Eigentümlich ist