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SCH REIBWAREN-HANDEL A6 GE£eSe€VFS4MSK42E85 ! 8. November 1908 j Gegen die Schundliteratur Das Amtsblatt Nr. 32 des bayerischen Kultusministeriums ver öffentlicht die unter dem 17. Juni 1908 an die Vorstände sämt licher höheren Unterrichts- und Erziehungsanstalten ergangene Ministerialentschließung betreffend die Verbreitung unsittlicher Druckschriften und Abbildungen. Das Ministerium beauftragt nunmehr unter Hinweis auf jene Entschließung die Regierungen, in gleichem Sinne, soweit erforderlich, auch wegen der Volks schulen, namentlich in den Städten, entsprechende Anordnungen zu erlassen. Die Entschließung vom 17. Juni lautet: In den Schaufenstern der Läden von Buchhändlern, Buch bindern, Schreibwarenhändlern und ähnlichen Gewerbetreibenden findet man nicht selten in reklamhafter Weise Druckschriften mit verfänglichen Aufdrucken und Titelbildern, anstößige An sichtskarten und sonstige bildliche Darstellungen ausgestellt, welche geeignet sind, das sittliche Empfinden der Jugend zu verletzen. Dabei handelt es sich in der Regel nicht um künst lerische Erzeugnisse, auch nicht um Nachbildungen solcher, sondern lediglich um Machwerke, welche auf die geschäftliche Ausnützung der Sinnlichkeit berechnet sind. Es erscheint not wendig, der aus diesem Geschäftsgebaren für die heranwachsende Jugend entstehenden Gefahr mit allen zulässigen Mitteln entgegen zutreten. Die Anstaltsvorstände werden deshalb angewiesen, die hier in Betracht kommenden Geschäfte, so weit sie im Schulbezi k liegen und von Schülern oder Schülerinnen bei Einkäufen für Schulzwecke in Anspruch genommen werden, sorgfältig im Auge zu behalten und auf die Beseitigung der zu beanstandenden Gegenstände aus den Schaufenstern sowie aus den offenen Geschäftsräumen hinzuwirken. Die Geschäftsinhaber sind hierbei darauf aufmerksam zu machen, daß im Falle der Nichterfüllung des gestellten Ansinnens den Schulen aus schul disziplinaren Gründen verboten werden müßte, weiterhin ihren Bedarf in den betreffenden Geschäften zu decken. Erforder lichenfalls wäre dieses Verbot nach geeignetem Benehmen mit der Polizeibehörde durch Bekanntgabe an die Schüler zu er lassen und unter Anwendung der Schuldisziplin zur entsprechen den Durchführung zu bringen Falls ein Geschäft für die Schüler mehrerer Anstalten in Betracht kommt, werden die be teiligten Anstaltsvorstände im Interesse eines gleichmäßigen Verfahrens miteinander ins Benehmen zu treten haben. Hier nach ist das Weitere zu verfügen. Hierzu bemerken die Münchener Neuesten Nachrichten: Die Absichten des Erlasses sind gut. Aber der Weg, der zur Beseitigung dieser oft beklagten Uebelstände beschritten werden soll, ist in mancher Hinsicht bedenklich und nicht zu billigen. Das Ansehen des Schulmannes wird nicht dadurch gefördert, daß er Geschäftsleuten gegenüber den Polizeibüttel spielen muß. Und in die Grenzen der Schundliteratur und an stößigen Darstellung werden von gewissen Leuten unter Um ständen Dinge hereingezogen, die bei sachlich urteilenden Ge richten nicht den geringsten Anstoß erregen. Da kann also z. B. ein eifriger Rektor oder Oberlehrer, der über eine Buchhandlung kraft des ihm übertragenen Schergenamtes den Schulboykott verhängt hat, auf dem zivilgerichtlichen Wege zum Schaden ersatz angehalten werden. Die Münchner Lokalschulkommission, die sich, wie wir hören, in ihrer nächsten Sitzung mit der bedenk lichen Ministerialorder befassen wird, hat unseres Wissens in einem Streitfälle bereits einmal dahin erkannt, daß es nicht -Sache eines Oberlehrers sei, die Auslagen der Buchhändler und Buchbinder zu zensurieren. Die Ueberwachung der Schaufenster obliegt der Polizei. Und man kann nur wünschen, daß die Polizei auch auf diesem Zensurgebiet ausschließlich gebildete Organe schalten läßt, die einem Beirat von Sachverständigen zu unterstellen sind. Sonst ist der Sittlichkeit, der Schule und der gesamten Oeffentlichkeit nicht gedient. M. 2. Büro-Ausstellung, Berlin 1908. Wir müssen unsere Angabe, daß die Firma Roeder die einzige war, die Stahl federn ausstellte, berichtigen. Die Firma Mumm & Zaum in Berlin, Ritterstr. 50, hatte nämlich, wie sie uns mitteilt, ihre Deutsche Reichsgerichts Feder und ihre neue 20. Jahr hundert-Feder ausgestellt. Schreibmaschinen in Bayern. In Bayern ist durch Ent schließung des Justizministeriums den Notaren nunmehr die Verwendung der Schreibmaschine zur Herstellung ihrer Akten gestattet worden. Nur für Fertigung von Urschriften der Akten ■nd, wenn die Parteien handschriftliche Herstellung ausdrücklich verlangen, auch zur Herstellung der Ausfertigungen, darf die -Schreibmaschine nicht verwendet werden. Sonntagsruhe Um Nachdruck wird gebeten Sechs Tage sollst du arbeiten und am siebenten ruhen! Läßt sich auch nicht in allen Berufen der Sonntag als alleiniger Ruhetag bestimmen, so ist er es doch in der Hauptsache, und diejenigen, die an diesem Tage nicht ruhen können — wie Eisenbahnbeamte, Kellner und Arbeiter, deren Betrieb Sonntags nicht unterbrochen werden kann usw., erhalten dafür in be stimmten Zeiträumen ihren Ruhetag. Nur ein Berufszweig im Deutschen Reich — die Laden besitzer — sträuben sich gegen den Ruhetag. Und wie nötig wäre er ihnen auch bei dem heutigen Hasten und Drängen, bei der nervenzerrüttenden Arbeitsweise und bei den unendlichen Quälereien, mit denen ein Geschäftsbetrieb verbunden ist. Welches Wohlgefühl beschleicht uns arme Ladenbesitzer, wenn wir am 1. Weihnachtsfeiertag früh ausrufen können: Gott sei Dank — heute bin ich mein eigener Herr, kein Mensch quält mich, ich kann mich im Kreise meiner Familie ausruhen und mich mal mit ihnen freuen. Und am 1. Oster- und 1. Pfingst feiertag, da kann man in Ruhe in Gottes freier Natur statt der schlechten Stadtluft die freie Gottesluft seinen Lungen zu führen, frische Kraft zu neuer Arbeit sammeln. Und so sollte es alle Sonntage sein. Was hat der Ladenbesitzer von seiner Familie? Nichts, denn in der Woche sind die Abende durch unzählige Vereine, bei denen das Erscheinen notwendig ist, wenn in den meisten Fällen auch wenig dabei geschaffen wird, ausgefüllt, und dann kommt der Mann und Vater Sonntag Nach mittag 2 Uhr zu Tisch und vor 4 Uhr ist kaum an ein Hinaus kommen in die frische Luft zu denken. Wie gut hat es der Arbeiter! Sonntag für Sonntag, Feiertag für Feiertag frei. Aber wenn man, wie ich es wiederholt getan, in den verschiedensten Vereinen zugunsten der Sonntagsruhe spricht, erfährt man regel mäßig heftigen Widerspruch. Ich erinnere mich noch der Ein führung des Sonntagnachmittags-Geschäftsschlusses. Da sahen die meisten gleich ihr Verderben vor Augen, aber geschadet hat es niemandem. Die Konsumvereine schließen schon Sonntag früh 9 Uhr, es geht, die Leute kaufen eben bis dahin. Die Banken schließen Sonnabend Nachmittag 2 Uhr, es geht; jeder, mann, der mit der Bank zu tun hat, richtet sich darnach ein, und so wird es auch mit dem Sonntagsschluß, mit der Sonntags ruhe sein. Und was wird des Soratags in den Geschäften gearbeitet? Ich stehe jetzt 41 Jahre, davon 30 Jahre als Chef, hinter der Ladentafel, und außer der Bedienung der Kunden ist die Arbeit gleich Null; ich zanke auch nicht mehr darüber, es ist das natur gemäße Ruhebedürfnis. Auszunehmen vom Geschäftsschluß wären die auch jetzt »freien« Sonntage, diese können wir nicht entbehren. Ebenso wie ich für die Sonntagsruhe bin, bin ich aber gegen den neuerdings aufgetauchten Gedanken, die Ge schäfte wochentags von 12—2 zu schließen. Diese Kunden sind unentbehrlich. Und die Sonntagsruhe, sie kommt doch, sie liegt im Zuge der Zeit, und es ist ein Fehler der Kaufmannschaft, sich alles durch Gesetz aufzwingen zu lassen. Wenn die Kaufmannschaft weitblickend genug wäre, würde sie gemeinsam auftreten und der Reichsregierung sagen: Wir sind bereit, in den Schluß der Geschäfte am Sonntag einzuwilligen (gewisse Ausnahmen für Nahrungsmittel usw. wären zuzulassen), bedingen uns aber als Gegengabe den Schluß aller Kneipen und Veignügungslokale um 10 Uhr abends aus, damit unser Personal am Montag frisch und erholt zur Arbeit kommt. Dann hätte die Kaufmannschaft das Heft in der Hand und könnte das durchsetzen. Die Kneipen wirtschaft ist ein entsetzliches Gift, das an dem jungen Nach wuchs der Kaufmannschaft zehrt. So aber wird sich die Kauf mannschaft die Sonntagsruhe durch Gesetz aufdiktieren lassen mit allerhand polizeilichen Strafen und Anhängseln, deren wir doch nun nachgerade genug haben. Die Erfahrung lehrt, daß das Zuvorkommen günstiger ist als das Zuwarten und voraussichtlich unnütze Sträuben. Jetzt kann die Kaufmannschaft ihre Bedingungen stellen; kommt das Gesetz, von anderer Seite empfohlen, dann Ist die Macht gebrochen. Die Gelegenheit, gegen das Kneipenwesen einen scharfen Hieb zu führen, ist so schön, daß sich die Kaufmannschaft sie nicht entgehen lassen dürfte. Freilich, leicht wird der Kampf nicht, denn an die Kneipen hat sich noch niemand herangewagt, aber durchzuführen ist er zu Nutz und Frommen unseres Volkes und unseres Standes. G. S. Scherl’s Leihbibliothek-Betrieb. Mit Einrichtung eines Lese verkehrs nach Scherl’scher Art in der Stadtbücherei zu Elber teid beschäftigte sich die Stadtverordnetenversammlung in ihrer