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{ Nr. 79 1. Oktober 1908 j SCHREIBWAREN- HANDEL II. Allgemeine Ausstellung für Bürobedarf Berlin, 24. Oktober bis 3. November 1908 in den Ausstellungshallen am Zoologischen Garten Der Königlich Preußische Minister für Handel und Ge werbe, Wirkl. Geh. Rat Delbrück, hat in einer dem Vor sitzenden des Ehrenkomitees, Unterstaatssekretär a. D. Exzellenz Fritsch, und dem Direktor der Ausstellungshallen G. m. b. H., Herrn Willner, gewährten Audienz sich am 25 September bereit erklärt, das Protektorat über die Aus stellung zu übernehmen. Dieser Entschluß des Herrn Ministers bedeutet für die Ausstellung eine umso größere Anerkennung, als er erst nach eingehender Prüfung der Sachlage ausgesprochen worden ist und die obersten Deutschen Reichs- und Preußischen Staatsbeamten Anträge auf Uebernahme von Ausstellungsprotektoraten ablehnen, sofern nicht besondere Umstände und die Bedeutung der Ausstellung die Uebernahme des Protektorats wünschens wert erscheinen lassen. Englischer Sonntag im Deutschen Reich! Zu Nr. 76 S. 2947 Schreiber dieses hat durch seinen Aufenthalt in England und in den Vereinigten Staaten Gelegenheit gehabt, sowohl den englischen wie auch den amerikanischen Sonntag aus eigener Anschauung kennen zu lernen, und er gibt zu, daß ihm die Ab stellung oder Einschränkung auch nun jeder Betätigungsmöglich- xeit an den Sonntagen, d. h auch sogar der privaten, sei es auf dem Gebiete der Musik, der Kunst oder der freien Bewegung Wenig gefallen hat. Vom geschäftlichen oder sagen wir sogar natlonalökonomischen Standpunkte aus betrachtet, dürften jedoch G1 genannten Länder, welche hinsichtlich Industrie und Handel w; einer so hohen Stufe stehen, Indes selbst keine unangenehmen Wirkungen d er absoluten Sonntagsruhe verspürt haben, sonst Wären sie zweifelsohne längst von der Einrichtung abgegangen. allein beweist schon, daß die Bestrebungen der Handlungs- Shilfenverbände, e i ne Ausdehnung der Sonntagsruhe auch In । eutschland herbeizuführen, einen Angriff auf das Geschäfts- shen, als welchen sie der Verfasser des Artikels »Englischer sonntag im Deutschen ; Reich« bezeichnet, nicht vorstellen, wondern daß denselben allen Interessen gerecht werdende Er- ägnngen und berechtigte Bedürfnisse zugrunde liegen. Wie 2 scheint, vertritt der Artikelschreiber in Nr. 76 der Papier- haLt ng die Ansicht, daß die Angestellten nicht das Recht hah D ’ dahin zu streben, ihre Lebenslage zu verbessern. Sie depen es aber ganz besonders in diesem Falle, denn das Recht der Persönlichkeit steht über dem des materiellen Interesses, o Persönlichen Liebhaberei einzelner Handlungsbeflissenen A rer bestehender Auswüchse im Geschäftsleben. Will der Enrselschreiber die Sonntagsruhe nicht als eine gottgewollte Reir < tung gelten lassen, als welche sie von den anerkannten geseonsgenossenschaften und wohl auch der ganzen Welt an- Einshen wird, so wird er doch zugeben müssen, daß sie eine zu rchtung ist, die von den Handlungsgehilfen nicht erfunden ünd"erden braucht, sondern die so lange wie die Welt besteht, Men die sich zum mindesten zu einem Gewohnheits- oder sogar uns eshenrecht herausgebildet hat. Wenn das materielle Streben zugerer Zeit immer mehr dazu drängt, von der Einrichtung ab- fertipen, so ist das im höchsten Maße bedauerlich und recht- erw&t die verletzenden Ausfälle nicht, welche in dem schon kommnten Artikel gegen die Handlungsgehilfen zum Ausdruck sätzeen. Solche Ausfälle dienen nur dazu, zu verhetzen, Gegen- DieLzu verschärfen und eine Verständigung zu erschweren, welclandlungsgehilfen stehen ihren Chefs im Pflichtbewußtsein, nicht $ der Artikelschreiber an ihnen zu vermissen scheint, weisenach, im Gegenteil, an manchen Beispielen wäre zu be- PflicEr, daß der Angestellte in nicht seltenen Fällen seine hinats Zn einer Zeit gewissenhaft erfüllt und noch darüber Streug arbeitet, wo der Chef seinen Erholungen und Zer- zu ers gen nachgeht, um dann erst im Bureau zu einer Stunde so sescheinen, wo sich beim Angestellten das ihm anscheinend der sr verübelte Bedürfnis zur Ruhe einstellt. Die Einrichtung kaum nntagsruhe, die übrigens auch von den Angestellten wohl gestrein dem Umfange der englischen und amerikanischen an- Dle Bet wird, hat mit dem Pflichtbewußtsein nichts zu tun. Erwäpsst rebungen beruhen auf der praktischen und logischen erfüll, 8, da in sehr vielen Fällen die geschäftliche Pflicht ’ das geschäftliche Interesse gewahrt und den Chefs sowie den Angestellten dennoch der volle Sonntag zur Ruhe und Er holung gewährt werden kann. Die Frage der Sonntagsruhe ist somit eine Frage der Organisation, nicht aber eine solche der Arbeitsverminderung. Es gibt zweifelsohne Betriebe und Ge schäfte, besonders solche, die mit dem Verkehrsleben und der Volksernährung in engem Zusammenhänge stehen, bei denen die volle oder beschränkte Sonntagsarbeit unerläßlich ist. Es gibt aber deren unvergleichlich mehr, wo die Sonntagsarbeit aus alter Gewohnheit beibehalten wird und ohne Schaden für das Geschäft abgestellt werden kann. So wird auch wohl kein Mensch behaupten wollen, daß, wenn der Verfasser des Artikels »Englischer Sonntag im Deutschen Reich« mit seinen Aus führungen den Schutz der Papierhandlungen Im Auge hatte, die Deckung des Papierbedarfes zu dem dringendsten Lebens bedürfnis zu zählen ist. Die Bestrebungen der Handlungs gehilfen richten sich zweifelsohne gegen solche Betriebe und Geschäfte, In denen die Sonntagsarbeit sehr gut unterbleiben kann. Die Sonntagsarbeit beschränkt sich ja in vielen Ge schäften nur auf das Lesen der Korrespondenz oder, wie es harmlos heißt, Erledigung der eiligsten Sachen. Aber die Arbeit an und für sich ist es ja nicht, sondern der Umstand, daß der Angestellte sich niemals des Gefühls der Freiheit zu erfreuen hat, daß er auch Sonntag um Sonntag unter dem Druck des Zwanges steht und ihm die Freiheit für manche Unter nehmungen, welche er nach einer Woche Arbeit zu seiner geistigen und körperlichen Erholung und auch im Interesse seiner Familie mit Recht beanspruchen kann, benommen Ist. Ein Vergleich mit den Herren Chefs ist in dieser Beziehung nicht angängig, denn das Erscheinen auf dem Bureau oder im Geschäft ist für sie eine Sache des eigenen Willens. Sie können sich ihre freie Zeit sowie auch ihre Geschäftszeit nach eigenem Gutdünken einrichten, während der Beamte an festgesetzte Stunden gebunden ist, die er aus eigenem Willen wohl über schreiten, aber niemals abkürzen darf. Dem Schreiber dieser Zellen äußerte noch vor kurzem der Chef eines Hauses, daß er Sonntags arbeite, um dem sonntäglichen Verkehr aus dem Wege zu gehen, er sich dafür aber einen Tag in der Woche zu seiner Ausspannung nehme. Dem Angestellten Ist es benommen, eine solche Wahl bezüglich der Ruhetage zu treffen, und so bleibt es denn nicht aus, daß bei Einrichtungen wie die hier erwähnte der Beamte neben der Wochenarbeit noch die Sonntagsarbeit hat. Geradezu erheiternd wirkt die in dem Artikel aufgestellte Behauptung, daß sogar viele Geschäftsleute nur arbeiten und Spesen opfern, um die Gehälter ihrer An gestellten zu verdienen. Es gibt ja glücklicherweise viele Chefs, die menschenfreundlicher und politisch klüger denken, als es In dem Artikel in Nr. 76 zum Ausdruck kommt; es gibt sogar solche, welche außer dem vollen Sonntag noch einen halben Tag in der Woche freigeben oder den 4 Uhr-Schluß eingeführt haben; aber eine Menschenfreundlichkeit, die den Chef arbeiten läßt lediglich der Angestellten wegen, gibt es wohl kaum, und an eine solche wird der Artikelschreiber wohl selbst nicht ernstlich glauben. Zum mindesten läßt sich der hier berührten Behauptung mit demselben Recht entgegenhalten, daß es die nach Tausenden zählenden Angestellten sind, durch deren Mit arbeit und Intelligenz viele Geschäfte zur Blüte und manche Geschäftsinhaber zu Wohlhabenheit und Reichtum gelangen. Daher sollte es auch nicht darauf ankommen, ihnen die Freiheit und Ruhe zu gewähren, auf welche sie als Menschen Anrecht haben. Wenn die größte Mehrheit der Menschen den Sonntag feiert, wenn sogar der gewöhnliche Arbeiter sich Sonntags des Gefühls der Freiheit zu erfreuen hat, ist es dann von den An gestellten so unbescheiden und ungebührlich, ein übertriebenes Ruhebedürfnis oder ein ungeregelter Freiheitsdrang, diese Mög lichkeit auch für sich anzustreben? Ist da ein Vergleich mit dem Beruf von Künstlern und Geistlichen angebracht, dessen Ausübung von vornherein und in der Hauptsache in die Sonntage fällt, während geschäftliche und kuechtliche Arbeiten seit je den Wochentagen zugewiesen waren, und Ihre Ueberleitung auf die Sonntage nur eine Abweichung von der Regel und der guten Sitte ist? Und hört es sich da nicht wie eine Verhöhnung an, wenn den Angestellten, welche die Sonntagsruhe anstreben, zu gerufen wird, doch einen anderen Beruf zu suchen! Man darf wohl annehmen, daß es wenige Chefs gibt, deren soziales Emp finden auf einem Niveau steht, wie es in dem Artikel in Nr. 76 der Papier-Zeitung zum Ausdruck kommt, wird doch sogar der Reichstag zweifelsohne der sozialen Gesetzgebung wegen dema gogischer Einflüsse und arbeitgeberfeindlicher Gesinnungen ge- zeint. Gegenüber diesem gegen den Reichstag erhobenen Vor wurf ist hier wohl die Zwischenfrage gestattet, ob bei dem Vor wurf, welchen der Artikel gegen die Frauen der oberen Zehn tausend erhebt, welche das Kraut nicht fett machen und vor