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4076 PAPIER-ZEITUNG Nr. 92 Verein der Plakatfreunde (Sitz Berlin) Vorsitzender: Dr. Hans Sachs, Berlin W 62, Kurfürstendamm 247 Die Sitzung am 5. November wurde von Herrn Reg.- Bauführer Hans Meyer eröffnet. Nach verschiedenen ge schäftlichen Mitteilungen machte er auf die Plakat-Aus stellung im »Hohenzollern-Kunstgewerbebause« aufmerksam. Den Vortrag des Abends hielt Herr Kunstmaler Giorgio Graf von Buonaccotsi aus Nürnberg über »Den Holzschnitt und die Plakatkunst« Zu diesem Zwecke hatte der Vortragende eine Aus stellung von wertvollen Plakaten, Originalholzschnitten und Skizzen veranstaltet. Besonders vertreten war Herr Ernst Neumann, Berlin, mit mehreren graphischen Blättern, Plakaten und Originalholzschnitten, darunter eine inter essante Serie »Plakatformeln«; auch von ehemaligen Schülern und Schülerinnen Neumanns waren verschiedene Arbeiten ausgestellt. Ferner waren vertreten Frl. Wenzel von der Münchener Künstlergenossenschaft, Frau M. Have mann, Lehrerin an der Kunstgewerbeschule in Hamburg. Von Herren sind zu nennen: Zach-München, Braumüller- Wiesbaden, Graf-München, Braun Algäu, Braun-Heilbronn und endlich der Vortragende selbst und Arbeiten seiner Schüler. Der Vortragende führte an Hand der geschichtlichen Entwicklung des Maueranschlags den Nachweis, daß der moderne Plakatstil aus den Bedingungen des Holzschnittes entstanden sei: Es mag kühn erscheinen, führte er aus, dies schlankweg zu behaupten, aber wer sich etwas näher mit dieser Frage befaßt und die Plakatkunst vom Standpunkte des Holzschneiders ver folgt, wird erstaunt sein, welchen Einfluß der Holzschnitt auf die Entwicklung des Plakats gehabt und heute noch hat. Der Holzschnitt ist eine uralte Kunst, der älteste datierte nennt das Jahr 1423, und die ersten gedruckten Plakate der frühesten Zeit, z. B. wappengeschmückte Regierungserlasse und dergleichen waren meist vom Holzstock abgezogen oder wenigstens mit Holzschnitten verziert. Als später der Kupfer stich in Gebrauch kam, wurde dieser und noch später auch die Stahlplatte in den Dienst der Reklame gestellt, aber man er kannte bald, daß diese Verfahren für den Straßenanschlag gänz lich ungeeignet sind. Man griff wieder zurück zum Holzschnitt, soweit Plakate gedruckt wurden, oder man behalf sich mit ein fachen typographisch ausgestatteten Schriftzetteln, wie viele alte Buchhändlerlisten zeigen. Als Senefelder 1795 die Lithographie erfand, und dieses Verfahren mit den Jahren immer billiger wurde, war die Technik gefunden, welcher der Holzschnitt auf die Dauer nicht standhalten konnte, und seine Anwendung wurde für öffentliche Anzeigen immer seltener. Durch Gottfried Engelmann wurde die Chromolithographie erfunden, und nun war es mit dem Holzschnitt für Plakatzwecke vorbei. Aber nicht für immer! Nach einer Zeit des Nieder ganges jeglicher Kunst erwachte In allen Kulturstaaten Europas künstlerisches Leben. John Ruskin war der Wecker, William Morris ließ das Wort zur Tat werden, indem er die Kelmskott-Press gründete. Da mals ging auch durch das übrige Europa leises Frühlings erwachen, fern hervorkommend, aus dem sagenumwobenen Japan. In diese Zeit fällt die eigentliche Geburt des künst lerischen Plakats an Hand der Lehren des Holzschnittdruckes, sowohl in Frankreich wie in England. Während die Franzosen aus fernen Quellen schöpften, suchten die Engländer ihr Heil in der Kunst der Väter, und es entstand wohl aus dem Geiste der Kelmskott-Press jene Serie von Schwarzweißdrucken, deren erstes und berühmtestes Blatt »Die Frau in Weiß« von Fred Wolker war. Mit diesem feierte der Holzschnittdruck seine Auferstehung im Dienste des Plakats, denn dieser Entwurf war mit dem Messer auf Langholz ge schnitten, wie zu Dürers Zelten, und auf der Buchdruckpresse vervielfältigt. Der Holzstich eines Bewick, der die Sticheltechnik der Kupferplatte auf den Holzstock übertrug und damit den Ton schnitt erfand, ist in Wesen und Ausdruck, ebenso wie in der Technik gänzlich verschieden vom Holzschnitt. Während der Holzschnitt durch seine Eigenheiten und technischen Schwierig keiten tunlichst einfache Behandlung fordert, mußte und sollte der Holzstich die dem Kupfer- und Stahlstich eigentümliche Feinheit anzustreben suchen. Infolge des störenden Spahnens vom Langholz mußte sich stets die Anwendung des Hirnholzes für den Holzstich früher oder später ergeben. Der Holzstich wurde von einer Reihe tüchtiger Künstler aufgenommen und zu der Vollendung gebracht, die wir heute kennen. Das Hirnholz, wie es zum Stich gebraucht wird, war und ist sehr teuer, und so griff der Holzschneider Fred Wolkers, der bekannte William Hooper für das große Format eines Plakats zum Langholz zurück, wie der Vortragende mit Sicherheit aus einigen Anhaltspunkten anzunehmen glaubt. Nur durch die dem Langholz entsprechende Schnitt- statt Sticheltechnik konnte das Wolkersche Blatt den großen Erfolg erreichen, denn damit war die Zeichnung auf möglichste Einfachheit und starke Schwarzweißwirkung angewiesen, und nicht zum mindesten liegt auch darin der Grund zu der dem Blatte nachgerühmten Stilistik. So hatte der alte Holzschnitt der jungen Plakatkunst einen wichtigen, ersten Dienst erwiesen. Der schottische Maler Mac Neil Whistler, dessen Bilder schon 1864 ganz deutlich den Einfluß der japanischen Farben holzschnitte erkennen lassen, ist der zweite, dessen Plakate Fernwirkung, zumal in der Schriftzeichnung, haben. Japans Holzschneider hatten eben das malerische Problem des Farben- und damit auch des Tonschnittes in einer dem Material besser entsprechenden Weise durchgebildet, als wir mit unserm Holzstich. Auch hatte dieses Volk seine ganze Kraft auf die Entwicklung dieser einen Technik verwendet, da ihm unsere graphischen Verfahren so gut wie unbekannt ge blieben waren. Der Vortragende gab hierauf einen Ueberblick über Japans Künstler und ihre Tätigkeit und wies nach, welche europäischen Künstler in ihrem Schaffen von den Japanern beeinflußt sind. Die Werke der Japaner sind nur in den ältesten Zeiten als Mal kunst allein von Bedeutung, später trat der Holzschnitt mit der Malerei in Wettbewerb, welcher In der Periode Kwansei den endgiltigen Sieg errang. Dadurch, daß der japanische Künstler den Druck selbst leitete, konnte sich der Holzschnitt und Druck auf solche künstlerische Höhe erheben, daß er Männer wie die Goncourts, Manet, Monet, Whistler, Degas und andere derart be geistern konnte, daß sie sich mit ihrer ganzen Kraft unter dessen Einfluß stellten. Moronobu kam durch Vereinfachung der Tuschskizze auf das Geheimnis eines guten Stils, mit Wenigem viel zu sagen. Er kann als Vorarbeiter von Thomas Theodor Heine bezeichnet werden; auch bei ihm hat jeder Punkt, jeder Strich seinen Zweck. Der Franzose Chret machte sich von Harunöbu die Raum gestaltung um die Figur herum durch matte Farbe zunutze und übertrug diesen Wink auf den Stein. Felix Vallottons fröhliche Schwarzweißarbeiten im Plakat und Holzschnitt sind auch ein wenig bei den Japanern in die Lehre gegangen, aber er ist europäisch geblieben. Bei uns dauerte es längere Zeit, ehe sich die erste Ueber- setzung der Lehren japanischer Holzschnittkunst in deutschem Empfinden zu zeigen begann. Später ging es hauptsächlich indirekt mit den Franzosen, statt direkt mit den Japanern als Lehrmeister rasch vorwärts. Weißgerber, Hohlwein, die Künstler der früheren Steglitzer Werkstatt und andere setzen das begonnene Werk fort. Auf den Schultern des genialen Engländers Nicholson stehend, arbeiten der Münchner Bund zeichnender Künstler, der Verband deutscher Illustratoren, die Berliner freie Vereinigung der Graphiker fleißig weiter. Mitten unter diese Schar formt sich ein Julius Diez seine merkwürdige Ausdrucksweise. Ein anderer »Suchender im Leben« ist Ernst Neumann, dessen Arbeiten der Vortragende eingehend besprach. Die Grundform des Plakats Ist die Fläche, in ihr und mit ihr kann der Künstler gestalten, wie es seinem Empfinden ent spricht. Die bedingte Fernwirkung und auch die Betonung der Fläche ist prägnant in der Technik des modernen Holz- und Linoleumschnittes gegeben, allerdings darf nur dekoratives Fein gefühl das Messer führen, sf Eine Fachausstellung der Papier- und Lederwaren-Industrie, Buchbinderei und verwandten Berufe, verbunden mit einer Ma schinen- und Materialausstellung, veranstaltet die Berliner Buch binder-Innung vom 2. bis 17. Mai 1908 in den Gesamträumen der Philharmonie, Berlin, Bernburgerstr. 22/23 (S. Nr. 82 S. 3605) Die bim Vorstand, den Obermeistern Slaby und Papajewsky, zahlreich angemeldeten Beteiligungen aus den mit dem Fach verbundenen Fabrikations-, Geschäfts- und Berufszweigen, die Beteiligung der Innung durch Fachschule und Kunstklasse, der Mitglieder, sowie verschiedener Großbuchbindereien, lassen.e kennen, daß die kommende Ausstellung ein umfassendes Bild dieses hochentwickelten Fachgewerbes bieten wird. Die Ma schinen-, Werkzeug- und Materialausstellung wird besonders reichhaltig beschickt, hier haben sich die ersten Firmen groe Plätze gesichert. Wir erhielten vom Vorstand eine Liste der etwa 70 ausstellenden Firmen, unter denen sich die bedeutend sten des Faches und ihrer Hilfsgewerbe befinden. Der Vorstand bereitet Prämiierung der besten Ausstellungs gegenstände vor, jedoch sollen nur Staats-, städtische, von Kor porationen gestiftete und Ehrenpreise verteilt werden. Anfragen sind an das Bureau der Fachausstellung, Berlin, Bernburger Straße 22/23, zu richten.