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3472 PAPIER-ZEITUNG Nr. 79 Die Tiegeldruckpressen Von Frans Bauer, Fachlehrer an der k. k. Graphischen Lehr und Versuchsanstalt, Wien Einleitung Während der letzten zwei Jahrzehnte sind gewaltige Fortschritte im Bau von Druckmaschinen zu verzeichnen. Durch neue Typen oder durch Verbesserung und Weiter ausbau der alten wird dem Buchdrucker vorzügliches Maschinenmaterial zur Verfügung gestellt. Bedeutende Wandlungen machten die Tiegeldruckpressen durch, deren Bau, beruhend auf verschiedenen Systemen, besonders durch deutschen Fleiß immer größere Vervollkommnung findet. Die ursprünglich unterschätzte und häufig bespöttelte Tiegel druckpresse, welche man nur für die einfachsten Arbeiten geeignet hielt, errang sich im Laufe der Jahre eine solche Stellung in den Buch druckereien, daß sie bei rationeller Her stellung vieler Arbeiten allein in Betracht kommt. Sie darf heute in keinem Groß betriebe fehlen und ist sicherlich die erste Maschine, welche bei Einrichtung einer kleineren Druckerei angeschafft wird. Die genaue Kenntnis dieser Maschinen ist deshalb für den Buchdrucker wichtig, besonders um zu unterscheiden, welchePresse für seine Zwecke am geeignetsten sei. So verschieden die Anforderungen sind, die an Tiegeldruckpressen gestellt werden, so un gleich sind auch die Bauarten der verschiede nen Typen, je nach dem Arbeitszweige, für den sie bestimmt sind. Die Maschinenbau anstalten bemühten sich, gedrängt durch den allgemeinen Wettbewerb in dieser Industrie und die steigende Nachfrage, ihren Pressen Verbesserungen hinzuzufügen, welche oft untereinander in ihrer Zweck bestimmung sich gleichen, im Mechanismus aber bedeutend von einander abweichen. Vor Beschreibung der Tiegeldruckpressen ist es nötig, sie der besseren Uebersichtlich- keit wegen in Gruppen einzuteilen. Dies kann von zweierlei Gesichtspunkten aus ge schehen. Rücksichtlich der Leistungsfähig keit gibt es 1. Tiegeldruckpressen für ein facheren Akzidenzdruck. 2. Solche für feine ren Akzidenz- und einfachen Illustrations druck. 3. Pressen für feinsten Färb- und schweren Prägedruck und 4. Tiegeldruck pressen mit hoher Tourenzahl für Massen druck. Mit Rücksicht auf die Hauptunterschiede der Konstruktion werden die Tiegeldruck pressen in folgende Gruppen unterschieden: 1. Tiegeldruckpressen mit feststehendem, senkrechtem Fundament, Zylinderfarbwerk und vor dem Druck parallel gleitendem Tiegel. Die Pressen dieser Gruppe werden nach dem Erfinder J. M. Gally auch kurz Gallypressen genannt. 2. Tiegeldruckpressen mit feststehendem, senkrechtem Fundament, vornehmlich mit Tisch- oder Tellerfarbwerk und schwingendem oder balancierenden Tiegel. 3. Tiegeldruckpressen, bei welchen sowohl Fundament als auch Tiegel um den Drehpunkt eines Scharniers schwingen (Amerikanisches System). 4. Tiegeldruckpressen mit getrennt schwingendem Fun dament und Tiegel. Diese sind unter dem Namen Gordon pressen in Deutschland wohl weniger, desto mehr aber in Amerika und England bekannt. Es gibt ferner Zwischentypen, welche mit der einen oder anderen Gruppe wohl etwas gemein haben, aber wegen größerer Unterschiede in der Konstruktion in keine der selben eingereiht werden können. Ihre Beschreibung wird bei jener Gruppe erfolgen, welcher sie am ähnlichsten sind. Schließlich bilden die Schnelltiegeldruckmaschinen auch hier eine besondere Gruppe, während die Tiegeldruck maschinen nach dem Napier-System, wie auch die Doppel tiegeldruckpresse von König & Bauer eine gänzlich isolierte Stellung einnehmen. Diese Reihenfolge ist nicht nach dem Alter der einzelnen Systeme, sondern nach ihrer Wichtig keit festgelegt, sowohl bezüglich der Verbreitung als auch der Zahl der dabei in Frage kommenden Arten. I. Gallypressen Die Gallypressen zeichnen sich durch sehr kräftigen widerstandsfähigen Bau, zylindrisches Farbwerk und durch den infolge der Tiegelführung parallelen Druck aus. Als Vorbild für alle derartigen Pressen diente die von J. M. Gally 1869 in Amerika erfundene Universal Printing Press, sowie die nach demselben Prinzip von John Thomson konstruierte und besonders im Farbwerk verbesserte Colts Armory- Presse. Diese Pressen wurden später auch in Europa ein geführt, und da sie gut aufgenommen wurden, befaßte man sich auch bald hier mit dem Bau derselben. Bild 1 Max Rockstroh war der erste, der 1887 in seiner da mals in Dresden neugegründeten Werkstätte eine neue Type nach dem Muster der Colts Armory schuf, die unter der Bezeichnung »Viktoria« bekannt wurde. Sie errang im Laufe der Jahre große Beliebtheit, erhielt viele Verbesse rungen, von denen manche für den deutschen Tiegeldruck pressenbau mustergültig blieben und erfuhr allmählich gegen über dem ersten Modell eine praktischere Umgestaltung. Seit her wird der Bau von Viktoriapressen in der Fabrik von Rockstroh & Schneider Nchfg. A.-G. in Dresden-Heidenau betrieben, welche unter Leitung des Direktors Max Rock stroh steht. Natürlich sind nicht sämtliche Neuerungen an jeder dieser Pressen vereinigt, dies war auch nicht nötig, da, ebenso wie die verschiedenen Größen der »Viktoria« ihren Bestimmungen angepaßt, auch manche Verbesserungen für Sonderzwecke gedacht sind. Bei allen Typen ist aber für ausreichende Kraft für den Druck gesorgt, was besonders in der Ausführung des das Fundament tragenden Grund gestelles zum Ausdruck kommt. Auch die Ausarbeitung des Tiegels mit der Schaukel aus einem Stück trägt dazu bei.