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BAPIER’VERARBEITUNG B Bu CH GEWERBE- Ausstellungsfragen Berlin, 21. Dezember 1907 Am 11. Januar 1908 wird in Düsseldorf eine Konferenz der ständigen Ausstellungskommission für die deutsche Industrie im Einverständnis mit den zuständigen Reichsämtern und den Preußischen Ministerien für Handel und Gewerbe zusammen treten, um über die in den nächsten 5 Jahren stattfindenden Ausstellungen von internationaler Bedeutung zu beraten. Es handelt sich um folgende Ausstellungen: Weltausstellung Brüssel 1910 Zentenar-Ausstellung Buenos-Aires 1910 Internationale Industrie-Ausstellung Turin 1911 Große Japanische Ausstellung Tokio 1912 Die Konferenz soll eine Klärung der Frage herbeiführen, ob eine weitere Beteiligung des heimischen Gewerbefleißes an diesen Ausstellungen in Aussicht zu nehmen wäre. Ich fordere die Mitglieder des Vereins auf, welche ein Interesse an diesen Ausstellungen haben oder auch beabsichtigen, solche zu beschicken, mir umgehend möglichst eingehend darüber Mitteilung zu machen, an welcher der Ausstellungen und in welchem ungefähren Umfange sie gedenken teilzunehmen. Läuft eine genügende Anzahl von Angaben ein, so werde ich den Herren Einsendern mitteilen, ob ich eine persönliche Vertretung in der Konferenz herbeiführe oder durch eine Ein gabe die Wünsche unseres Vereins zur Geltung bringe. Max Krause Kgl. Kommerzienrat Vorsitzender des Papier-Industrie-Vereins Berlin S 42, Alexandrinenstr. 93 Amerikanisches Werkstubenleben im Buchbinderei- und Kartonnagen-Gewerbe Im Völkergewirr der amerikanischen Großstadt ist es neben der deutschen die englische Nation, welche mit ihren heimischen Sitten und Gebräuchen die amerikanische Gewerkschaft beherrscht und namentlich in der Werkstatt ein Vorrecht hat. Englische und deutsche Werkstätten halten sich dem Aeußern nach insofern getrennt, als letztere naturgemäß den meisten Zulauf deutscher Eingewanderter haben, aber der Verkehr in der Werkstatt und namentlich die Sprache ist vorwiegend englisch. Der Neuangekommene hört in der Unterhaltung seiner Mitarbeiter ein Kauder welsch; wird wirklich deutsch gesprochen, so ist sicher das dritte Wort englisch. Er ist gezwungen, besonders die Fachausdrücke englisch zu sprechen. Der englische Ein fluß mit seiner Vorliebe für umständliches Zeremoniell ist namentlich bei der »Union« der Arbeitnehmer zu beob achten. Das amerikanische Gewerkvereinswesen ist ein wichtiger Faktor in diesem auf seine Freiheit stolzen Lande. Gesellen- oder Meisterprüfungen kennt man nicht, eine Lehrzeit, wie sie der Deutsche kennt, gibt es auch nicht. Der junge Mann, welcher einen Geschäftszweig erlernen will, bildet sich nur in einigen Handgriffen aus; hat er sich diese angeeignet, so tritt er in die Reihe der tarifmäßig bezahlten Arbeiter ein. Der amerikanische Handwerker ist demgemäß in seinen Leistungen sehr ein seitig. Wie die heilige Vehme muten die Union-Versammlungen an, wo die Aufnahme neuer Mitglieder und andere gewerk schaftliche Angelegenheiten erledigt werden. Die steife englische Förmlichkeit zeigt sich hier sehr deutlich. Im Versammlungsraum wird eine Seite vom Vorstand ein genommen, welcher auf einem Podium untergebracht ist, drei eichengeschnitzte gotische Stühle bilden die Ehren sitze. Ein neu aufzunehmendes Mitglied muß eingeführt und vorgestellt werden, der Eintritt ist nur gegen Losungs wort gestattet. Die Mitglieder sitzen an den drei übrigen Seiten in zwei oder drei Reihen entlang, der Mittelraum des Saales bleibt frei. In diesen Sitzungen darf nichts ge trunken werden. Vor der vordersten Reihe der Mitglieder stehen in Abständen gewaltige Spucknäpfe, welche fort während benutzt werden. Dies Ausspucken macht den Amerikaner durchaus unappetitlich, namentlich in der Werk statt macht sich diese häßliche Angewohnheit breit. Die Treffsicherheit, mit welcher Leute aus der hinteren Reihe den Spucknapf zu treffen wissen, ist bewundernswert. Nach Einführung und Vorstellung des neuen Mitgliedes wird dessen Anmeldung geprüft und durch Mehrheitsbeschluß die Annahme genehmigt oder verworfen. In einer späteren Versammlung hat der Neuaufgenommene einen Eid zu leisten, in dem er gelobt, die Satzungen der Union zu be folgen. Nach Ablegung des Eides erfolgt Uebergabe der Mitgliedkarte. Sämtliche Vereinsverhandlungen werden in englischer Sprache geführt. Neu Eintretende, die in einem anderen Lande nachweisbar Mitglied einer Union waren, sind frei vom Eintrittsgelde, andernfalls beträgt der Ein tritt für Buchbinder 30 M., für Schachtelmacher 10 M. Be fremdend ist der Eindruck des Arbeitsnachweises, wo den Mitgliedern unentgeltlich Arbeit nachgewiesen wird. Die Internationalität der Anwesenden gibt vor allem zu beob achten. Die Jagd nach dem Dollar bildet auch hier' das hauptsächliche Unterhaltungsthema, und mancher weiß von fernen Weltteilen und Abenteuern zu berichten; unter diesen Arbeitsuchenden sind oft Goldgräber und Pferde hirten vertreten. Im allgemeinen bietet der Aufenthalts raum denselben Eindruck wie die Union-Versammlung, wieder ist es die häßliche Sitte des Ausspeiens, die einem das Bleiben verleidet. Die Annahme eines Arbeitsuchenden seitens des Meisters hängt stets von der Mitgliedschaft der Union ab, es haben sich Unionhäuser gebildet, gewaltige Geschäftshäuser, deren Mieter aus allen möglichen Berufsarten zusammengesetzt, nur Union-Mitglieder beschäftigen. Alle Werkstubenangelegenheiten über Regeln der Arbeitszeit usw. können nur von der Union geordnet werden. Der Ausstand einer Berufsart ist Sache der ganzen arbeitenden Bevölkerung, jeder betrachtet die Sache als seine eigene und sucht durch Boykott oder andere Gewaltmaßregeln sein Teil dazu bei zutragen, um der ausständigen Partei zum Siege zu ver helfen. Riesenhafte Demonstrations-Umzüge der Arbeiter werden oft angewendet, um die Bevölkerung auf ihre An gelegenheit aufmerksam zu machen. Bewundernswert ist die Ausdauer des amerikanischen Arbeiters im Verhältnis zum deutschen. Früh 7 Uhr im Sommer und Winter be ginnt die Arbeitszeit, ohne Eßpausen wird bis Mittag ge arbeitet, es folgt eine Stunde Mittagszeit, um von 1—6 Uhr wieder ohne Unterbrechung weiter zu arbeiten. Diese Tageseinteilung hat auch die Lebensweise geregelt; man kommt früh für einen halben Tag gesättigt zur Arbeit. Die Unsitte des blauen Montags ist unbekannt, allerdings beträgt die amerikanische Arbeitswoche nur 51/2 Tage, da am Sonnabend um Mittag in den englischen Werkstätten Feierabend ist, um 4 Uhr in den deutschen. Die kirch lichen Feiertage, welche in Deutschland auf einen Wochen tag fallen, feiert man dort nicht, nur das Weihnachtsfest ist erst in neuerer Zeit durch Arbeitsruhe gefeiert worden, wird aber vom Arbeitgeber bezahlt. Ueberhaupt existiert das Feiern vom zweiten und dritten Feiertag garnicht. Dafür hat allerdings der Amerikaner drei Tage im Jahr, welche er gründlich feiert; das sind Neujahr, der 4. Juli (Feier der Unabhängigkeitserklärung), und im November das Danksagungsfest; auch diese Tage werden, wenn sie auf einen Wochentag fallen, bezahlt. Trotz diesem, nach unseren Begriffen arbeitsreichen Leben des Amerikaners ist Arbeitslust und Regsamkeit bei den Arbeitern. Nüchtern in ihrem Wesen, sind sie sich jederzeit bewußt ihrer Pflicht,