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Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 29.09.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-09-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841109282-189909293
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841109282-18990929
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841109282-18990929
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-09
- Tag 1899-09-29
-
Monat
1899-09
-
Jahr
1899
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 29.09.1899
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der Reiches lause« Berichte ei«, welche deutlich erkennen lasten, daß die Detaillrure eiu flotte- Herbst- und Wmtergeschäft erwarte«. Daraus wird fich ergeve«, daß die bei de« Grossisten und Fabrikanten noch vor- Handeven Vorräthe in normaler Weile geräumt w-" u Änvrr. Die GeschästSlage verdient überhaupt eine günstige Beurtheiluvg. Diese» Urtheil bafirt nicht nur aus uncouttolirbare« Wahrnehmungen, sondern auf den statistische« Ausweisungen. — Bom Fichtelberg. Der bedeutende Erweiterungsbau des Fichtelberghauses wurde am Montag eröffnet. DaS HauS enthält nun 2 Gast zimmer, 10 Fremdenzimmer, 1 Schlaffaal und den Bau für den Sommer; eL ist auch im Winter geöffnet. Bei der Eröffnung zeigte sich der Fichtelberg bereits im Schneekleioe, am Nachmittage bot sich dagegen wiederholt vom Thurme eine prächtige Fernsicht dar. Der Eröffnung wohnten viele Mitglieder des Erz- gebirgSvereinS bei. Der Vorsitzende im Gesammtvor- stande des Erzgebirgsvereins, Hr. Seminaroberlehrer Möckel, gab der Freude über das vollendete Werk Ausdruck, worauf er allen Förderern des Baues, be sonders dem kgl. Finanzministerium, den kgl. Forst behörden und dem Baumeister, Herrn Kreisel aus Bärenstein, herzlich dankte. An die Eröffnung schloß sich ein geselliges Beisammensein. Die Bewirtschaftung des Hauses ist recht gut. — Wie verschieden sich hinsichtlich ihrer schäd lichen Wirkung die Blitzschläge in den Städten und auf dem Lande äußern, ergiebt eine statistische Zu sammenstellung, welche die Blitzschläge, die in Preußen in den Jahren 1891 bis 1894 mindestens 1 Mark Schaden verursachten, genauer untersucht hat. Danach kamen auf ganz Preußen 4888 Blitzschläge mit 20 579 493 Mark Schaden. Bon den Schäden ent fallen auf Berlin nur rund 6000 Mark, auf die übrigen großen Städte 145 000 Mark und aus die kleineren Städte 816 000 Mark, dagegen auf die Landgemeinden über 13*/z Millionen Mark und auf die Gutsbesitze 6 Millionen Mark. Man ersieht hieraus, wie unverhältnißmäßig größer die Gefahr des Blitzschadens auf dem Lande als in den Städten ist. — Chemnitz, 27. Sept. In der vorletzten Schwurgerichtsverhandlung der gegenwärtigen Sitzungs periode hatten sich die Technikumsschüler Max Nickel und Achille Claisö aus Limbach wegen gemeinschaft licher Brandstiftung, schwerer Sachbeschädigung und Ruhestörung zu verantworten. Die beiden Angeklagten haben in der Nähe von Limbach am 1. Juni ein- Scheune in Braud gesteckt, in welcher sich ein dort nächtigender Handwerlsbursche befand, der so heilige Brandwundeu erlitt, daß bald darauf der Tod des Verletzten eintrat. Aus der persönlichen Vernehmung der noch im jugendlichen Alter stehenden Angeklagten ist folgendes hervorzuheben: Nickel stammt aus Crim mitschau, besuchte dort erst die Volks- und später die Realschule. Seit 1899 war er Schüler des Technikums zu Limbach. Nickel ist noch unbestraft. Claisö ist am 13. August 1880 iu Breslau geboren. Er ist der Sohn eines Privatiers. Dieser Angeklagte besuchte mehrere Gymnasien und schließlich das Technikum zu Altenburg. Dort wurde er einmal wegen groben Un- fugS zu 30 Mark Geldstrafe verurtheilt. Seit emem Jahr besuchte Claisö das Technikum zu Limbach. Zu nächst wurde der Angeklagte Nickel vernommen, welcher seine Antworten in bestimmter Weise abgab. Am Abend des 1. Juni d. I. sei er mit Claisö und mehreren andereo Studie, genossen in verschiedenen Restaurationen gewesen, wo man viel gezecht habe. In der Chemnitzer- und Bahnhofsstraße hatten sie dann mehrere Laternen ausgelöscht und die Glühstrümpfe zerbrochen. Weiter wurde ein Wegweiser umgerissen, ein Baum aus der Erde gerissen und seiner Krone beraubt. Die An geklagten gingen dann nach einem Teiche, um die dort befindlichen Gondeln lorzuketten. Als sie eine am einem Felde stehende sogenannte „Luftscheune" er blickten, schlug Claisö seinem Freunde Nickel vor, diese niederzubrmnen. Nickel ging darauf anfangs nicht ein und wollte nur das Dach abdccken. Dieser Plan kam aber nicht zur Avs'ührung. Die Angeklagten wandten sich nnn mit ihren Freunden nach Lem Teich, wo eine kurze Gondel'ahrt unternommen wurde. Die Ruder war' an ins Wasser und das Fahrzeug wurde ans Ufer gJchisppt. Dann sagte Cimfö: „Wie wäre cs, wenn wir den Strohfeimen (damit ist die Luftschcune gemeint) nieder, raffelten." Daraus erwiderte Nickel: .Gieb mal ein Streichhölzchen her, ich brenne ihn an." Claijö reichte ihm die Hölzchen, Nickel ran ne nach der 100 Schlitte entfernten Scheune, zündete dos Hölzchen an und war? es ins irtroh. Danach wandte sich Nickel der Landstraße zu, wo er Elaffö die übrigen Zünd- hölzer zurückgab. Nickel begab sich schleunigst nach Hause, zog sich um und eilte wieder nach der Brand stätte, wo er den Krankenwagen vorkand. In der Scheune hatte ein Handwerksbnrsche geschlafen, welcher entsetzliche Brandwunden erlitt. Der Aermste schleppte sich mit seinen Qualen nach einem nahen Wasser tümpel. Am Brandort hat Nickel den Mitangeklagten Claise getroffen, welcher ihm von den bedauerlichen Folgen der Streiches berichtete. Am folgenden Morgen verabredeten die Angeklagten mit ihren beim Anbrennen der Scheune gegenwärtigen Freunden, nichts zu ver- rathen. Claisö hatte dem Nickel den Vorschlag ge macht, nach der Schweiz zu entfliehen, da dieses Land nicht ausliefere. Nickel wußte von seinen Eltern Geld zu erlangen und entfloh nach einigen Tagen. In Lindau wurde er verhaftet. Mehrmals schrieb Nickel seinem Vater, verschwieg aber, daß er die Scheune angezündet habe. Stadtwachtmeister Wagner-Limbach erzählte, daß er in der Nacht zum 2. Juni geweckt worden sei, mit der Meldung, daß es iu der Nähe des Bahnhofes brenne. Er sei sofort nach der Brand stätte gegangen, wo die Scheune über und über in Flammen stand. In der Nähe des Wasfertümpels habe er einen kläglich wimmernden, mit Brandwunden bedeckten Menschen gesehen. Es sei sofort dessen Ueber- führung ius Limbacher Krankenhaus angeordnet worden. Am andern Tage habe mau dort die Personalien des Mannes festgestellt und dieser habe ihm (dem Zeugen) seine Wahrnehmungen in jener Nacht mitgetheilt. ES sei ihm nn Schlafe vorgekommen, als wenn in der Nähe der Scheune Leute wären. Er glaubte auch folgende Worte vernommen zu haben: „Das müßte aber prasseln!" Die Geschworenen bewilligten mildernde Umstände und so lautete das Urtheil auf je 1'/, Jahre Gefängniß und 1 Woche Haft, sowi- Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte auf je 2 Jahre. — Chemnitz, 27. September. (Bezirksausschuß sitzung.) Ein nachträglich eingegangenes Gesuch der Gemeinde Mittelbach um Gewährung einer Wegebau unterstützung wurde abschlägig beschieden, da eine über das Maß des Gewöhnlichen hinausgehende Aufwend- ung für Wegebauten in dem Gesuche nicht nachge wiesen war. — Dem Ansuchen der Stadtgemeinde Zwönitz um Genehmigung zur Aufnahme eines Dar- lehns von 110,000 M. bei der Versicherungsanstalt für das Königreich Sachsen zu Dresden wurde ent sprochen. Das Darlehn soll zur Deckung der Herstell ungskosten der neuen Zwönitzer Wasserleitung Ver wendung finden. — Einem Gesuche um Abstandnahme von einer Bedingung, die anläßlich der erbetenen Dispensation zur Dismembration bezüglich des Grund stückes Fol. 623 des Grundbuches für Oelsnitz i. E. gestellt war, wurde in Rücksicht auf die hierbei in Frage kommenden bergbaulichen Interessen entsprochen. — In einer ebenfalls heute Nachmittag abgehcltenen außerordentlichen Bezirksversammlung, welcher der Herr Kreishauptmann beiwohnte, wurden die Verträge wegen der Eingemeindung der Landgemeinden Gablenz, Kappel und Altendorf mit Chemnitz bekannt gegeben und denselben die Zustimmung ertheilt. Aus dem Bezirksstammvermogen sind rund 24,000 M. an die Stadt Chemnitz herauszuzahlen. — Zu besetzen: die 2. ständige Lehrerstelle in Mittelfrohna. Kollator: die oberste Schulbehörde. Das Einkommen beträgt bei freier Wohnung im neuen Schulhause nebst Gartengenuß 1200 Mk. Gehalt und 100 Mk. persönliche Zulage. Bewerbungsgesuche nebst den erforderlichen Beilagen sind bis zum 16. October an den Königl. Bezirksschulinspector Schulrath Richter in Chemnitz einzureichen. -- Limbach. Am 23. uns 24. d. M. tagt, hier der dlcsjägrigc (18 ), mit einem Preisturnier ver bundene Congreß des Erzgebirgifch-Bogtländifchen Schachbundcs. Es halten sich hierzu --elegirtc de; Schachvereine zu Annaberg, A»e, Chemnitz, Glauchau, Limbach, Meerane und Plauen eingebunden. — Zwickau. Der Brandschaden für die Ge treide- und Futtervorräthe bei dem hiesigen Scheunen brand an: 23. d. M. wird auf 12,000 M. geschätzt. Ueber den bei dem Brande der Scheune ums Leben gekommenen Unbekannten hat man noch nichts Näheres n Erfahrung gebracht. Die Uederreste wurden behufs )er Beerdigung nach dem Friedhose gebracht. Es ließ sich nicht einmal feststellen, ob die Person männlichen oder weiblichen Geschlechts war. — Meerane, 27. Sept. Auch hier hat der im 14. städtischen Wahlkreise aufgestellte Candidat Herr Stadtrath Reinhold sich in einer vom Städtischen Verein emberufenen Versammlung den Wählern vor- gestellt und sein Programm entwickelt. In der Debatte wurde der Hr. Candidat über seine Stellung zur Grundsteuer, zur WaarenhauSsteuer und zum Drei- klaffenwahlsystem befragt, zu welchen Fragen er sich in ähnlicher Weise äußerte wie in der Versammlung in Hohenstein-Ernstthal. — Kamenz, 2b. Sept. Der Besitzer der Ober mühle Pörschel geriet am Montag beim Kleedreschen mit der linken Hand in die Dreschmaschine, fo daß ihm mehrere Finger arg zerquetscht wurden und fich in Folge dessen eine Amputati « derselben nöthig machte. Pörschel hatte fürchterliche Schmerzen auszustehen, da er etwa eine halbe Stunde warten mußte, ehe die Dreschmaschine aufgemacht und er aus seiner ver- häugvißvollen Lage befreit werden konnte. — Brand, 26. Sept. Die Grube „Bescheert Glück" geht nun auch ihrer Auflösung entgegen. Mit Ende dieses MonatS werde» wieder 50 Bergleute (die meisten von Braud, die anderen von Zug) die Grube verlassen müssen, indem fie auf der Grube „Himmel fahrt" bei ^reiberg Beschäftigung erhielten. Mit Ende October werden wieder ca. 40 Mann auf genannte Grube verschickt. — In Kliugeuthal ist man sehr aufgebracht darüber, daß am Sonntag Nachmittag auf der Graslitzer Straße in Markhausen (dem unmittelbar an Klingen thal anstoßenden ersten böhmischen Dorfe) einige Herren aus Klingenthal von jugendlichen Tschechen ohne jede Veranlassung überfallen, beschimpft (man hörte Be zeichnungen wie „Deutsche Hunde", „Sachsenhunde" und dergleichen) und schließlich sogar mit faustgroßen Steinen geworfen worden sind. — Ertrunken ist in der Lienstag-Nacht in der bei Adorf vorüberfließenden Elster der Geschirrführer Greil. Derselbe ist jedenfalls in der Dunkelheit und in betrunkenem Zustande ins Wasser gerathen und darin umgekommen. — Die Stichwahl im Pirnaer Reichstagswahl kreise hat zu dem Siege des Candidaten der OrdnungS- parteicn geführt. Lotze erhielt 13,307, der Social demokrat Fräßdorf 12,605 Stimmen. Allem Anscheine nach ist die Mehrzahl der Wähler, die am 18. Sep tember für den freisinnigen Candidaten Strohbach ge stimmt hatten, am Dienstag für Lotze eingetreten .nd hat so die Entscheidung zu Gunsten des nationalen Candidaten herbeigeführt. Bei dcm ersten Wahlgange am 18. September wurden Stimmen abgegeben für Lotze 10,692, für den Freisinnigen Strohbach 1825, für Fräßdorf 11,571 Stimmen. Somit beträgt der Stimmenzuwachs, der am Dienstag erzielt wurde, für Lotze 2615, für den Socialdemokraten nur 1034. — Oberrittersgrün. Am 25. d. M. gegen 12 Uhr nachts ist das erst im Juni vorigen Jahres neuerbaute Wohnhaus des Waldarbeiters Karl Selt mann hier gänzlich niedergebrannt. Das Feuer ist in dem angebauten Schuppen ausgebrochen und hat, durch die in demselben lagernden Getreide- und Heu- vorräthe genährt, sehr rasch um sich gegriffen. Der Besitzer und die übrigen Hausbewohner haben nicht versichert. Da die Kinder der einen im Hause mit wohnenden Familie während der Unfallsnacht allein in der Wohnung zurückgelassen worden waren, so ist nicht ausgeschlossen, daß das Feuer durch diese ver wahrlost worden ist. — Dresden. Die seit mehreren Jahrhunderten im Besitz der Fleischer von Dohna befindlichen Fleisch- Hallen au der Kreuzstraße zu Dresden sind nunmehr nach jahrelangen Verhsndlungen >ür 600000 Mark in den Besitz der Stadt übergegaugen. Die Dohnaischcn Fleischer sind dadurch mit einem Male zu reichen Baarmitteln gekommen. Sie hatten daS Recht, in der. Dresdner Flcüchdänken feil zu halten, vor Jahrhunderte, vom RRYc zu Dresden erhalten, weil sie damals, als die Pest iu Dresden mülhete, die Stadt mit Rischem Fleische versorgten. — Um »cm Lehrermangel abzuhelsin, soll, wie man aus Dresden berichtet, Ostern 1900 die Hüllte der Schüler der jetzigen 2. Seminarclassen aus ein halbes Jahr vicariaiswelse mit entlassen werden. — Dresden, 27. September. Dienstag Vor mittag wurden die Bewohner in der Nähe der Moritz- traße zu Radebeul durch einen heftigen Knall in Schrecken versetzt. Als darauf vom Kirchthurm gestürmt und durch die Freiwilligen Feuerwehren zu Radebeul und Oberlößnitz Feuersignale ertönten, bemächtigte sich der Bewohner eine allgemeine Erregung. Wie fest gestellt wurde, hatte im Hause des Herrn Privatus Kitter, Radebeul, Moritzstraße 7, eine Gasexplosion tattbefunden. Durch Zufall war am Montag Abend in emem Vorderzimmer ein Ga-hayn offen geblieben, wodurch selbstverständlich GaSauSströmungen statt fanden. Man bemerkte wohl am Morgen Gasgeruch, glaubte aber dieses auf einen Fehler am Gasrohr Mückführen zu müssen, weswegen ein Gehilfe des Herrn Schlossermeisters Auerbach zum Ableuchten herbeigeholt wurde. Kaum war diese Arbeit begonnen, als eine Explosion erfolgte. Dadurch erhielt der Schlossergehilfe einen heftigen Schlag, wurde aber glücklicherweise nur leicht verletzt. Die Glassplitter der Fensterscheiben flogen auf die Straße, während die Gardinen in Brano geriethen und die Zimmer decke wie auch die gejammten Möbel arg beschädigt wurden: daS Fensterkreuz ist nach außen gedrückt. Beim Herabreißen der brennenden Gardinen verletzte sich Herr Ritter an den Händen. Die inzwischen ein getroffenen Wehren konnten sich nur noch an den Reinigungsarbeiten betheiligen. — Ungeheures Aufsehen erregt ein Artikel in der am Sonnabend in Dresden erschienenen „Dresdner Rundschau", für dessen Wahrheit ein preußischer Lieutenant a. D. Adalbert Pohlent, der in Serkowitz als Privatus lebt, bürgt. Der Artikel trägt die Ueberschrift „Noch ein Kommerzienrath" und zieht den Mitinhaber der Bankfirma Günther u. Rudolf, Herrn Kommerzienrath Palmi«, einen an gesehenen Bürger der Stadt, der reich an Titeln und Würden ist, vor das Forum der Oeffentlichkeit. Der Verlag genannter Zeitung will sich von der Richtig keit der erhobenen Beschuldigungen überzeugt haben. Im Auftrage der Herren Kommerzienrath Palmie und Fritz Günther, Mitinhaber der bekannten Bankfirma Günther u. Rudolph, ist bereits die „Dresdner Rund schau" vom Rechtsanwalt Är. Rietz wegen des er wähnten Artikels verklagt worden, ebenso der Ein sender einer Zuschrift, die zu dem Artikel Veranlassung gegeben hat, Rentner Pohlent in Serkowitz, Preuß. Leutnant a. D. Dieser neue Skandal wird in allen Schichten der Bevölkerung lebhaft besprochen und man sieht dem Ausgang des Processes mit Spannung entgegen. — Leipzig. Der Fall Lorenz iu Auerbach i. V. beschäftigte am Dienstag das Reichsgericht. Vom Land gericht in Plaue- i. V. ist am 28. April der Kauf mann und Stadtverordnete Julius Erwin Lorenz in Auerbach wegen Beleidigung des Bürgermeisters Kretzsch mar daselbst zu 100 M. Geldstrafe verurtheilt worden. Während einer Stadtverordnetensitzung bat der Stadt verordnete Lorenz, die Pflasterung des zweiten TracteS der Bismarckstraße einmal zur Sprache zu bringen. Dies geschah, und nunmehr faßte am 5. August 1898 der Magistrat unter Mitwirkung des Bürgermeisters den Beschluß, die Sache den Stadtverordneten vor zulegen mit der Aufforderung, den Stadtverordneten Lorenz zu näherer Aussprache über die fragliche Aeuße- rung zu veranlassen. Als nun die Sache wieder in der Stadtverordnetenversammlung zur Sprache kam, erklärte Herr Lorenz, er finde den Rathsbeschluß komisch. ÄM 15. October 1898 stell'« dann der Herr Bürgermeister Strafantrag gegen Herrn Lorenz, da er den Ausdruck „komisch" sür beleidigend hielt. DaS Landgericht Plauen hat auch den Ausdruck „komisch" als beleidigend angesehen, indem es ihn sür gleich bedeutend mit „lächerlich" hielt, während der Angeklagte behauptet hatte, er habe ihn nur im Sinne von „ver wunderlich" gebrauch:. Den Schatz des 8 193 billigte das Gericht dem Angeklagten zwar im Allgemeinen zu, cs war aber der Ansicht, daß der Angeklagte im vor liegenden Falle auf Straffreiheit keinen Anspruch habe, weil 'die Absicht der Beleidigung aus der gewählten Form Hervorzehe. — In der Verhandlung vor oem Reichsgericht beantragte sowohl der Vcrtheidiger, wie auch der Reichsanwalt die Aufhebung des Urtheils. DaS Reichsgericht hob denn aua? das Urtheil auf und verwies die Sachs an das Landgericht Zwickau. Bon den beleidigenden Umständen, auS denen auf die Ab sicht der Beleidigung geschloffen werden könnt", sage das Urtheil gar nichts, hält also die gewählte Form für vele-.digcnd. Offenbar hat aber das Landgericht Form und Inhalt der Aeußerung mit einander ver wechselt. -- Leipzig» DiakonuS Liebster-Leipzig schreibt im „Sächsischen evangelischen Kirchenblatt" : „Unter den gegenwärtigen Verhältnissen ist eine starke, einheit liche Hocialdemokratie nothwendig als Hart der Frei heit und der socialen Entwickelung .... eine auf Zerstörung gerichtete Politik oer (evangel. Arbeiter-) Muttersohn. Roman von Arthur Zapp (33. Fortsetzung., (Nachdruck verboten.) „Dann bekommst Tu ja in Deinem ganzen Leben keinen Titel, Ottochen", klagte sie, nnd es wäre doch so schön gewesen, wenn sie Dich Herr Rath oder Herr Staatsanwalt titulirt hätten. Als Staatsbeamter, das ist doch eine ganz andere Sache, da weiß man doch gleich, was Einer vorstellt. Und nun — nun willst Du bloß ein einsacher Kaufmann werden, und man weiß nicht, wie man Dich anreden soll und wie man sagen soll, wenn von Dir die Rede ist. Mein Sohn, der — ja, was denn? Warum willst Du denn nun nicht Staatsbe- amter werden?" Otto schlug die Augen nieder und schwieg. Er konnte ihnen ja nicht mittheilen, was in seinem Innern vorgegangen war, wie er sich in tagelangem, schweren Kampfe den Entschluß abgerungen hatte. Er konnte ja nicht sagen, daß er sich nicht mehr würdig hielt, über die Verbrechen anderer zu Gericht zu sitzen, er, der selbst ein ungesühntes Verbrechen auf dem Ge wissen hatte. „Warum willst Du denn nicht Staatsbeamter werden?" wiederholte die Mutter dringlicher ihre Frage. „Weil — weil ich mich schäme, länger Eure Hülfe in Anspruch zu nehmen", erklärte er, indem er zur halben Wahrheit feine Zuflucht nahm. „Weil Vater fchon genug für mich gethan hat und jetzt keinen Pfennig mehr entbehren kann. Bis ich eine feste Anstellung als Richter erhalte, können immer noch Jahre vergehen. Wenn ich aber bei einer Aktienge- ellschaft eintrete, habe ich gleich mein festes Salaic und man kann hier ganz anders steigen als iin Staatsdienst. Ja, wenn ich es einmal zum leitenden Direktor bringe, habe ich ein Einkommen, wie kein Staatsminister es hat." Der alte Köster horchte hoch aus. Sein Gesicht erhellte sich mit einem Male, seine Augen sunkelten. Von der Seite hatte er die Sache noch gar nicht be trachtet. „Freilich, das ist wahr", sagte er und stand aus und begann aufgeregt auf und ab zu fchreiten. „Und wenn man's recht überlegt, fo ist's gar keine schlechte Idee, 'n Titel, na ja, das ist ja ganz hübsch, die Hauptsache aber bleibt doch immer, wie viel Einer verdient. Was glaubst Du wohl, Mutter, was so'n Direktor von einer Versicherungsgesellschaft für'n Ein kommen hat? Fünfzigtausend und mehr, sage ich Dir." — Frau Köster aber ließ sich durch diese Zahlen nicht imponiren. „Das Geld ist nicht die Hauptsache im Leben", erklärte sie. „Ein junger Mensch hat noch Ehrgeh und will mal was vorstellen. Und Du hast doch immer gesagt, Otto, daß Du nicht eher ruhen wirst, als bis Du's zum Minister gebracht hast." „Damals war ich unvernünftig", entgegnete Otto mit unbeugsamer Entschiedenheit, „und dachte nur an mich. Heute habe ich einen anderen Ehrgeiz, Mutter Es läßt mir keine Ruhe, bis ich an Euch wieder gut gemacht habe, was Ihr für mich geopfert habt. Nein, Mutter, quäle mich nicht! Es ist mein fester, nnab- änderlicher Entschluß." Und in der Thal, er zeigte sich allen Bitten und Thränen der Mutter gegenüber unempfindlich. Kaun Staatsbeamter geworden, nahm er bereits wieder eine Entlassung aus dem Staatsdienst und nun wandte !r sich scbristlich und persönlich an eine Anzahl von Versicherungsgesellschaften, während er sich zugleich zur Vorbereitung theoretisch emsig mit dem Studium des Versicherungswesens beschäftigte. Ein Herzensbedürfniß war es ihm, Karl recht ost in seiner Häuslichkeit und in seinem Geschäft zu besuchen. Die Wunden, welche die Zeit der schärfsten Gewissensqual ihm geschlagen, waren noch nicht ge schlossen, und es war die beste Linderung der noch leise in ihm fortglimmenden Schmerzen, wenn er sich an dem Anblick von Karl's stillem häuslichen Glücke weiden, wenn er seine Gewissensregungen mit dem Tröste beschwichtigen konnte: „Es hat ihm nicht ge- fchadet, er ist heute glücklicher als zuvor." Und wirklich, Karls Antlitz hatte nie so froh ge strahlt, wie in den ersten Tagen nach seiner Entlassung aus dem Untersuchungsgesängniß, nie hatte ihm ein so inniges Glückgefühl aus seinen Augen geleuchtet, als jetzt, wo er nach wochenlanger Entbehrnng Frau und Kinder wieder hatte, und nie hatte er mit so un ermüdlichem Eiser sich seinem Geschäfte gewidmet. Halbe Nächte faß er bei seinen Geschäftsbüchern und feine Arbeitslust kannte keine Grenzen. Umsomehr befremdete es Otto, als er eines Nachmittags bei Karl eintrat und ihm Niemand wie fonst freudig entgegeneilte. Frau Helene saß auf dem Sopha und hielt ihren kleinen Sohn auf dem Schooß, der ganz gegen seine Gewohnheit ein stilles, cinge- schüchtertes Wesen an den Tag legte. Das Gesicht der jungen Mutter trug deutliche Spuren den ver gossenen Thränen. Karl stand am Fenster, seine Mienen zeigten einen scheuen, düsteren Ausdruck; zögernd, mit müden Bewegungen ging er seinem Bruder ein paar Schritte entgegen. Otto stand erstaunt still und sah fragend von Einem zum Andern. Aber Karl wich feinem Blicke aus und Helene beugte sich tief hinab und verbarg ihr Gesicht an der Schulter ihres Kindes. „Was habt Ihr denn?" fragte Otto endlich und eine unbestimmte, leise Unruhe regte sich in seiner Brust. Karl seufzte tief auf, strich sich mit der Hand über die Stirn, und in seinen Blicken, die sich end lich zu dem Bruder erhoben, drückte sich ein tiefer seelischer Schmerz, eine bei ihm doppelt auffallende Muthlosigkeit aus. „Ich bin noch immer nicht freigesprochen, Otto," kam es aus der schwer aufathmenden Brust heraus. Der Jüngere verfärbte sich jäh. „Nicht frei — ich — ich verstehe Dich nicht, Karl." „Der Richter hat mich freilich freigesprochen," fuhr Karl in demselben dumpfen, klanglosen Ton fort, „aber in den Augen meiner Geschäftsfreunde bin ich noch immer der Angeklagte, der Verdächtige." Otto ließ sich schwer auf den Stuhl nieder den Frau Herene, ihren Knaben auf das Sopha setzend, herbeitrug. , , Er hatte das Gefühl, als wanke ihm der Boden unter den Füßen. „Wie — wie meinst Du denn das?" stammelte er und neigte sich weit zu dem kleinen Fritz hinüber, um die flammende Gluth, die ihm ungestüm in's Ge sicht schoß, von den anderen nicht sehen zu lassen. Karl hatte angefangen, rastlos im Zimmer auf und ab zu schreiten. (Fortsetzung solqt.)
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