Volltext Seite (XML)
102 Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. ^ 2, 3. Januar 1912. Verhältnisse auf lange Zeitdauer mit schwer bestraften Personen im Gesckäftsleben vermieden zu werden Pflege, der Kläger nicht einseitig nur nach seiner Vorbestrafung be urteilt werden. Seine ganze Persönlichkeit ist, da die Bestrafung durch andere, für seine Zuverlässigkeit sprechende Eigenschaften ausgewogen sein kann, in Betracht zu ziehen. Das gehört mit zu der Sachlage, deren Kenntnis für die verständige Würdigung des Falles zu unterstellen ist. Da das Berufungs. gericht demnach unterlassen hatte, die ganze Persönlichkeit des Klägers ins Auge zu fassen, und ihn nur nach seiner Bestrafung eingeschäht hatte, wurde das Urteil aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. (Aktenzeichen: VIl. 122/11.) 75jährigeS Geschäftsjubiläum. — Mit dem Ablauf des Jahres 1911 sind 75 Jahre des Bestehens der hochangesehenen Verlags-Firma Ferdinand Enke in Stuttgart verflossen. Die Firma hat aus diesem Anlaß einen Verlagskatalog mit einer Firmengeschichte herausgegeben, der wir nachstehend im wesent lichen folgen. Der Ursprung des Verlagshauses liegt, wie so oft, im Sorti ment. Johann Ernst August Enke, der die Tochter des Buch händlers Johann Jakob Palm in Erlangen, nicht, wie Leipziger Blätter verzeichnen, des von Napoleon erschossenen Johann Philipp Palm in Nürnberg, geheiratet und von da an Palm L Enke firmiert hatte, sonderte am 1. Januar 1837 das Sortiment von seinem Verlagsgeschäft ab und übergab es seinem Sohne Ferdinand Enke. Dieser, ein Mann von sprühendem Temperament, großer Energie und Unternehmungslust, faßte sofort neben dem Sortimentsbetrieb auch den Verlag ins Auge. Noch in demselben Jahre erschien'sein erstes Verlagswerk, sodaß das Jahr 1837 auch als Entstehungsjahr der Verlagsbuchhandlung Ferdinand Enke anzu sprechen ist. Zunächst freilich nahm das Sortiment den jungen Enke vollständig in Anspruch, aber schon im Jahre 1841 steuerte er in das Gebiet hinein, in dem seine Firma noch heute in erster Reihe steht, in die medizinische Verlagstätigkeit. In dem ge nannten Jahre erschien nämlich Canstatts Spezielle Patho logie und Therapie, die als erster Versuch einer Darstellung auf modern-wissenschaftlicher Grundlage bedeutendes Auf sehen erregte. Besonders fruchtbringend für den jungen Verleger war dann die Anfang der fünfziger Jahre angeknüpfte Verbindung mit Rudolf Virchow, dem jugendlichen Lehrer der patho logischen Anatomie in Würzburg, dessen Handbuch der speziellen Pathologie und Therapie bald großen Ruf er langte. Die bedeutendsten Kräfte jener Zeit, wie Griesinger, Bamberger, Friedreich, Hasse, Lebert, Hebra, Pitha u. a. wurden als Mitarbeiter gewonnen. Die Rücksicht auf den Raum ver bietet leider, dem Emporblühen des jungen Verlags weiter Schritt für Schritt zu folgen. Namen wie Billroth, Volkmann, Esmarch, König, Zehender, Wundt, Oppolzer bezeugen zur Genüge, in welchen Bahnen sich die Verlagstätig keit Ferdinand Enkes bewegt hat. Aber sie war nicht nur ein seitig auf die Medizin beschränkt, auch auf die naturwissenschaft lichen und rechts- und staatswissenschaftlichen Wissenschaften dehnte er sein Interesse aus, auch hier wie in der Medizin Großes leistend. Auf dem Gebiete der angewandten Naturwissenschaften erschien in seinem Verlage die viele Jahre hindurch (1853—85) bestehende Zeitschrift »Gartenflora«-, herausgegeben von Eduard von Regel, dem Direktor des botanischen Gartens in St. Peters burg. Im Jahre 1859 begann August Kekules grundlegendes Lehrbuch der organischen Chemie zu erscheinen (1859—1887), auch sei Karl Kochs mehrbändige Dendrologie (1869 — 1873), hier angeführt, ebenfalls ein epochemachendes Werk. Das Gebiet der Rechts- und Staatswissenschaften wurde insbe sondere durch die Herausgabe einiger Zeitschriften gepflegt. Es wurden Verbindungen mit den hervorragendsten Juristen angeknüpft, so mit A. L. Warnkönig, Robert von Mohl und dem berühmten Heidelberger Kriminalisten Mittermaier. Von großer Bedeutung war das Erscheinen des ersten Bandes der offiziellen Ausgabe der »Entscheidungen des Reichs-Oberhandelsgerichts«- (25 Bände 1871—1880). Dieses für die Judikatur so be deutsame periodische Unternehmen hat mit der Verschmelzung des Reichs-Oberhandelsgerichts mit dem Reichsgericht seinen Ab schluß gefunden. Zu Mitte und Ende der sechziger Jahre war der Verlag Enkes bereits zu reicher Blüte gediehen, es er schienen schon damals durchschnittlich 40 Verlagswerke im Jahre. Daß eine solche Verlagstätigkeit große Ansprüche an die Arbeits kraft Enkes stellte, nimmt nicht wunder. Er entledigte sich deshalb im Jahre 1868 des Sortiments, das noch heute unter der Firma Theodor Krische, Universitätsbuchhand lung, blüht. Am 8. Dezember 1869 starb Ferdinand Enke, und da sein Sohn noch minorenn war, so wurde in der Person von Paul Wagner ein Geschäftsführer bestellt, der das große Geschäft in den Bahnen seines Gründers zu halten verstand, bis am 28. Oktober 1874 Alfred Enke im jugendlichen Alter von 22 Jahren ans Steuer trat. Er verlegte das Geschäft nach Stuttgart und gab ihm einen erneuten kräftigen Aufschwung. Es würde den uns zur Verfügung stehenden Raum überschreiten, wenn wir die Verlagsartikel des Hauses Enke hier weiter ver zeichnen wollten, so sehr der Stoff auch zur Behandlung reizt. Ist doch die Verlagstätigkeit Alfred Enkes im Gedächtnis der Mit lebenden verzeichnet und hat im Jahre 1906 ihre schönste Aner kennung durch die Verleihung der Würde eines vr. weä. b. o. durch die Universität Tübingen an den Inhaber der Firma gefunden. Im Jahre 1908 wurde Alfred Enke noch durch die Ernennung zum K. Würt- tembergischen Kommerzienrat geehrt. Seit dem 1. Juli vorigen Jahres steht sein Sohn, Ferdinand Enke, dem Vater als Teilhaber zur Seite, während der jüngere Sprößling Alfred mit dem Jahre 1912 seine Ausbildung im väterlichen Geschäft beginnt. So kann man denn der Verlagsbuchhandlung Ferdinand Enke im Rückblick auf das Errungene und mit frohem Ausblick in die Zukunft Glück wünschen. Vor allem aber gelten unsere Wünsche dem jetzigen Chef, Herrn Kommerzienrat Vr. Alfred Enke, dem es noch lange vergönnt sein möge, die Jubelfirma zu weiteren Erfolgen zu führen. Post. — Zu den britischen Kolonien, mit denen vom 1. Januar 1912 ab Uberseetelegramme zu halber Gebühr ausge wechselt werden können, treten noch hinzu: Australien und Neu- Seeland, Inseln Fanning und Norfolk, Fidschi-Jnseln, Britisch- Nord-Borneo, Ceylon, Britisch-Amerika (Canada), Bahama-, Bermuda- und Turks-Jnseln, Antigua, Barbados, Dominica, Grenada, Jamaica, St. Christoph (St. Kitts), St. Lucia, St. Vincent Westindien, Trinidad, Britisch-Guyana, Goldküste, Nord- und Süd-Nigeria, Sierra Leone, Mauritius und Britisch-Somaliland. «eine Internationale Ausstellung in Sofia. — Die für das Jahr 1912 geplante Internationale Ausstellung wird nicht stattfinden, da sich, wie wir bereits in Rr. 287 des vorigen Jahr gangs mitteilten, bei der Organisation Schwierigkeiten gezeigt haben. Personalrrachrichten. Auszeichnung. — Anläßlich des Neujahrsfestes wurden die Herren Carl Schöpping, Inhaber der I. Lindauerschen Buch- Handlung in München, der sich hervorragende Verdienste um das buchhändlerische Vereinswesen Bayerns erworben hat, Ludwig Pustet, Mitinhaber des Firmenkonzerns Friedrich Pustet in Regensburg, Federico Pustet in Rom und Fr. Pustet L Co. in New Aork und Cincinnati (vgl. die Anzeige in vor. Nr.), sowie Inhaber von Felician Rauch in Innsbruck, und der Direktor der Verlagsanstalt vorm. G. I. Man-, A.-G. in München-Regens burg und des Literar. Instituts vr. M. Huttler in München, Herr Paul Schelosky zu kgl. bayr. Kommerzienräten ernannt. Jubiläum. — Am 1. Januar waren 25 Jahre seit dem Eintritt des 1. Buchhalters Herrn Georg Winter in die Buch handlung Alfred Lorentz in Leipzig verflossen. Besonders zahl reich waren Glückwünsche aus dem Auslande eingegangen, da mancher Chef einer großen ausländischen Firma als junger Buch händler in der Firma Alfred Lorentz tätig gewesen und von Herrn Winter in den buchhändlerischen Verkehr eingeführt worden ist. Der Chef der Firma, Herr Ernst Wiegandt, dankte dem Jubilar mit warmen Worten und feierte ihn als Vorbild eines treuen und zuverlässigen Beamten. Die beiden Prokuristen des Sortiments und des Antiquariats überreichten eine künstlerische Adresse der An- ' gestellten der Firma. Möchten Herrn Winter weitere erfolgreiche Jahre in der Firma beschieden sein!