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^ 2, 3. Januar 1912. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. 101 neuen Direktor zu ernennen hat, wird sich gewiß der Erkenntnis nicht verschließen, daß zur Nachfolge in der Leitung der Berner Bureaus nur ein Mann berufen werden kann, der den Verbandsmächten die Sicherheit bietet, aus eigener Sach- kenntnis und Erfahrung auf den Abteilsgebieten der Unionen alle Maßnahmen und Akte der Berner Bureaus selbst verantworten zu können. Dies gilt namentlich von der Mitwirkung der Bureaus bei der Vorbereitung der nächsten Revisionskonferenzen. Da Nicht schweizer für den Direktorposten kaum in Betracht kommen, so dürfte an erster Stelle zur Nachfolge des Herrn Morel Professor vr. Ernst Röthlisberger berufen sein. Seine Wahl würde in den Inter essenten- und Fachkreisen aller Verbandsländer lebhafte Be friedigung wecken, da er mit umfassender Kenntnis und wissen schaftlicher Beherrschung der Materie und genauer Vertrautheit mit Gesetzgebung und Praxis aller Länder und mit allen Per sonenverhältnissen eine hervorragende Arbeitskraft, ein unbeirr bares Rechtlichkeitsgefühl und eine stets taktvolle und bescheidene Liebenswürdigkeit verbindet. Gegebenenfalls könnte man auch eine Trennung beider Bureaus ins Auge fassen, von denen jedes nach vierundzwanzigjährigem Bestehen sehr wohl selbständig geleitet werden kann. Eine etwaige Vermehrung der Kosten dürfte dabei keine Rolle spielen. Denn die von den Bundesländern bereitgehaltenen Mittel wurden bisher nur zum Teil in Anspruch genommen. Wenn man der bisherigen Leitung einen Vorwurf machen kann, ist es der einer zu großen Sparsamkeit. Infolge der ganz unnötigen Beschränkung des Beamtenkörpers der Bureaus werden die Kräfte der einzelnen Beamten über Gebühr — zum Teil auch durch untergeordnete Arbeiten, wie Übersetzungen — beansprucht. Das bringt gewisse Gefahren mit sich, namentlich wenn, wie zu Zeiten von Konferenzen, den Bureaus außer gewöhnliche Arbeiten zufallen. Es ist unbedingt nötig, daß die Leistungsfähigkeit der Bureaus auf der Höhe der Aufgaben steht, die die von den Verbandsmächten abgeschlossenen Konventionen ihnen zugewiesen haben. Das ist der einzige Gesichtspunkt, der für die Besetzung des Direktorpostens maßgebend sein darf. Kunsthalle P. H. Veher L Gohu in Leipzig. — Die Januarausstellung wurde am 31. Dezember geöffnet. Paul Baum in Sluys-S. Anna stellt eine Reihe Gemälde, Zeichnungen und Original-Radierungen aus, A. Gutknecht-Nebra Gemälde meist aus dem Riesengebirge, G. Gelbke-Dresden, Paul Weiser-Dresden und Anna Angermann-Dresden kleinere Sammlungen von Ge- mälden, Zeichnungen und Original-Graphik. Außerdem bleibt noch kurze Zeit ausgestellt ein Original-Pastell von Franz von Lenbach »1-ri.ck^ ^eton«. In der Schwarz-Weiß-Abteilung ist eine reiche Sammlung Original-Radierungen von Anders Zorn ausgestellt. Deutsche Schulausstellung in Berlin (Pfingsten 1912). — Die letzten Lehrmittelneuheiten (1910 bis 1912) sollen dem Grundstock empfehlenswerter Lehrmittel, der vom Beirat des Deutschen Lehrervereins für die Schulausstellungen ausgewählt worden ist, eingereicht werden. Zu diesem Zwecke werden die Herausgeber und Verleger ersucht, neuerschienene Lehrmittel in je einem Exemplare an die Leiter der Schulmuseen in Augs burg, Berlin, Breslau, Dresden und Hamburg zur Beurteilung einzusenden. Nach dem 1. März eingehende Lehrmittel haben keine Aussicht auf Berücksichtigung bei der Ausstellung. Versendung der Ostermeh-Nemittendeu-Fakturen. (Vgl 1911, Nr. 301.) — Der Deutsche Verlegerverein erläßt in seinen Mitteilungen nachstehende Bekanntmachung Es wird vom Sortiment mit Recht darüber Klage geführt, daß manche Verleger die Ostermeß-Remittenden-Fakturen sehr spät versenden, wodurch unangenehme Stockungen bei den Remissionsarbeiten hervorgerufen werden. Wir weisen daher unter Bezugnahme auf eine früher ge gebene Anregung erneut darauf hin, daß es im Interesse der Verleger gelegen ist, wenn die Ostermeß-Remittenden-Fakturen so zeitig als möglich, spätestens aber am 31. Januar jedes Jahres in den Händen der Sortimenter sind, da nach § 29 der Buch händlerischen Verkehrsordnung Bestimmungen über Meß-Re- mittenden oder -Disponenden bis zu diesem Tage durch Ein- sendung einer Remittendenfaktur oder durch besondere Mitteilung Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 79. Jahrgang. bekanntgegeben sein müssen, andernfalls aber die Einhaltung der vorgeschriebenen Fristen für Rücksendung gestrichener Dis ponenden nicht beansprucht werden kann. Hausarbeitgesetz. — Der »Deutsche Reichsanzeiger« ver öffentlicht in seiner Nr. vom 30. Dezbr. 1911 das Hausarbeitgesetz, das mit dem 1. April 1912 in Kraft tritt. Der Zeitpunkt, mit dem die Paragraphen 3 und 4 (Aushängen von Lohntafeln und Aushändigung von Lohnbüchern) in Kraft treten, wird durch kaiserliche Verordnung bestimmt werden. Vereinigte Staate« von Amerika. Zolltarifentschei dungen. Ursprungsangaben auf Papier. — In Anbetracht, daß Schreib- usw. Papier gewöhnlich nicht in einzelnen Bogen, sondern in Packen verkauft oder gekauft wird, hat das Schatzamt durch Verfügung vom 20. November 1911 angeordnet, daß Schreib papier und anderes Papier mit oder ohne Wasserzeichen im Sinne von Abschnitt 7 des Zolltarifgesetzes als ausreichend ge markt gelten soll, wenn die Umschläge, Bänder oder Verpackungen, worin sich das Papier befindet, mit der Angabe des Ursprungs- la^s.) (Nachrichten für Handel und Industrie.) sL. Vom Reichsgericht. Anfechtung eines Rechts geschäfts wegen Bescholtenheit des Vertragsgegners (Nachdruck verboten). — Ein eigenartiger nicht alltäglicher Fall stand unlängst vor dem Reichsgericht zur Entscheidung an. Es handelte sich um die Frage, ob man ein mit einem anderen ge- geschlossenes Rechtsgeschäft anfechten kann, wenn man nach Vertragsschluß erfährt, daß der andere schwer vorbestraft ist. Der höchste Gerichtshof gibt zu dieser Frage sehr wertvolle Aus führungen, die eine Wiedergabe verdienen. Der Kläger hatte mit der beklagten Gesellschaft einen Pacht vertrag auf zehn Jahre geschlossen. Ein Jahr darauf focht die Gesellschaft den Vertrag an, weil sie erfuhr, daß der Kläger im Jahre 1898 vom Gerichtshof in Singapore wegen Banknoten fälschung zu 10 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden war und die Hälfte der Strafe verbüßt hatte. Der Kläger verlangte Feststellung, daß der Pachtvertrag weiter bestehe. Er wurde jedoch vom Landgericht Frankfurt a. O. und vom Kammergericht Berlin abgewiesen, damit also die An fechtung als gerechtfertigt erachtet. Anderer Meinung war der 7. Zivilsenat des Reichsgerichts, der ausführte: Die Bestrafung des Klägers ist eine schwere, und der Re vision ist nicht zuzugeben, daß wegen der Bestrafung des andern Teils ein privatrechtlicher Vertrag überhaupt nicht anfechtbar ist. Es sind privatrechtliche Vertragsverhältnisse sehr wohl denkbar, bei denen die Vertrauenswürdigkeit des Gegenkontrahenten von solcher Bedeutung ist, daß seine Bestrafung allein, insbesondere wenn sie wegen einer Straftat erfolgt ist, die Schlüsse auf schlechte Charaktereigenschaften zuläßt, berechtigten Grund zur Anfechtung aus § 119 gibt. Bescholtenheit oder Unbescholtenheit des Gegenkontrahenten haben als Eigenschaft der Person für die Anfechtung wegen Irrtums keine absolute, überall gleichwirkende Bedeutung. Ihre Bedeutung ist eine relative, sie ist abhängig von der Entscheidung darüber, inwieweit Unbescholtenheit und die bei einer solchen zu vermutende Vertrauenswürdigkeit der Kontrahenten bei dem konkreten Rechtsgeschäfte als wesentlich vorausgesetzt werden dürfte. Bei Rechtsgeschäften, die eine bloße Sachleistung zum Gegenstände haben, wird in der Regel der Irrtum über sitt liche Eigenschaften des Verpflichteten von keinem erheblichen Ein flüsse sein, es sei denn, daß durch dessen Bescholtenheit die Sicherheit der Erfüllung in Frage gezogen wird. Bei rechtsgeschäftlicher Übertragung von Vertrauensstellungen dagegen wird die Annahme naheliegend sein, daß bei Kenntnis der Bescholtenheit des anderen Teils das Rechtsgeschäft bei verständiger Würdigung des Falles nicht eingegangen worden wäre. Das sind die auch hier maßgebenden Gesichtspunkte, und ihnen wird das Berufungsgericht in seinen dem Kläger ungünstigen Ausführungen nicht aus reichend gerecht. Um beurteilen zu können, ob die Bestrafung als eine im Verkehr wesentliche und deshalb die Anfechtung rechtfertigende Eigenschaft des Klägers anzusehen ist, darf, auch unter Berücksichtigung des vom Berufungsgerichte hervor gehobenen Umstandes, daß die Eingehung vertraglicher 15