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Freitag, den 25. August 1899. 49. Jahrgang. Nr. 197. Hohenstein-Ernstthal, Oberlungwitz, Gersdorf, Knga«, Hermsdorf, Kernsdorf, Langenberg, Falken, Langenchursdorf, Meinsdorf, Rußdorf, Wüstenbrand, Grüna, Mittelbach, Ursprung, Erlbach Kirchberg, Pleißa, Reichenbach, Callenberg, Tirschheim, Kuhschnappel, Grumbach, St. Egydien, Hüttengrund u. s. w. für den Verwaltungsbezirk -es Stadtrathes z« Hohenstein-Ernstthal. Giegern aller Gearernde-Verwcrltrrirgen der rrurliegenöen Ortschaften. Inserate nehmen außer der Expedition auch die Austräger auf dem Lande entgegen, auch befördern die Annoncen- Expeditionen solche zu Originalpreisen. Anzeiger Bekanntmachung. Die städtischen Collegien zu Hohenstein-Ernstthal haben beschlossen, steil AiNssllU sül' Einlagen bei der hiesigen städtischen Sparkasse von 3 auf Drei nnst ein Drittel Praeent jährlich zu erhöhen. Die Erhöhung tritt am l. Januar 1900 in Kraft. Hohenstein-Ernstthal, am 22. August 1899. Der Stasttrath. vr. Polster, Bürgermeister. Bekanntmachung. ES wird hiermit erneut zur allgemeinen Kenntniß gebracht, daß den Unterofficieren und Mann schaften dienstlich verboten ist, sich auf Veranlassung von Civilpersonen mit dem Vertrieb von Druckwerken und Waaren innerhalb von Truppentheilen oder Behörden — seien dies nur ihre eigenen oder fremde — zu befassen. Den Unteroffizieren und Mannschaften ist zugleich befohlen, von jeder seitens einer Civilperson an sie ergehenden Aufforderung zum Vertrieb von Druckwerken oder Waaren ihren Vorgesetzten Meldung zu machen. Dresden, den 22. August 1899. Kriegs-Ministerium. I. .B.: Frhr. v. Friesen. ' Bekanntmachung. Es wird hiermit erneut zur allgemeinen Kenntniß gebracht, daß den Unterofficieren und Mann schaften dienstlich verboten ist: 1) jede Betheiligung an Vereinigungen, Versammlungen, Festlichkeiten, Geldsammlungen, zu der nicht vorher besondere dienstliche Erlaubniß ertheilt ist, 2) jede Dritter, erkennbar gemachte Bethätignng revolutionärer oder socialdemokratischer Gesinnung, insbesondere durch entsprechende Ausrufe, Gesänge oder ähnliche Kundgebungen, 3) das Halten und die Verbreitung revolutionärer oder socialdemokratischer Schriften, sowie jede Einführung solcher Schriften in Kasernen und sonstige Dienstlocale. Ferner ist rämmtlichen Angehörigen des activen Heeres dienstlich besohlen, von jedem zu ihrer Kenntniß gelangenden Vorhandensein revolutionärer oder socialdemokratischer Schriften in Kasernen oder anderen Dienstlocalen sofort dienstliche Anzeige zu erstatten. Diese Verbote und Befehle gelten auch für die zu Uebungen eingezogenen und für die zu Controlversammlungen einberufenen Personen des Beurlaubtenstandes, welche gemäß 8 6 des Militärstrafgesetzbuches und 8 38 L. 1. des Reichs-Militärgesetzes bis gum Ablauf deS Tages der Wiederentlassung bezw. der Controlversammlung den Vorschriften des Militär- Strafgesetzbuchs unterstehen. Dresden, den 22. August 1899. Kriegs-Ministerium. I. V.: Frhr. v. Friesen. Bekanntmachung. Die Abtheilungsliste für den zum 38. ländlichen Wahlkreis gehörigen Wahlbezirk Gersdorf für die bevorstehende Ergänzungswahl eines Abgeordneten zur 2. Kammer der Ständeversammlung liegt vom 23. bis einschließlich den 25. August d. Js. zur Einsichtnahme für die Betheiligten aus dem hiesigen Gemeindeamte — Kassenzimmer — öffentlich aus. Einwendungen gegen die Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Liste sind bei Verlust bis einschließ lich den 28. August dsS. Js. bei der Octsbehörde schriftlich oder mündlich anzubringen. Gersdorf, den 21. August 1899. Der Gemeindevorstand. Göhler. Zur Lage in Prentzen. Während die liberale Presse fortfährt, die Ent lassung deS preußischen Staatsministeriums zu fordern und namentlich scharfe Angriffe gegen Minister v. Miquel richtet, vertheidigt die „Nordd. Allg. Ztg." die Regierung gegen diese Angriffe. Als sich unverkennbar gezeigt habe, daß sich die Opposition gegen den Canal nicht mehr auf sachlich; Gründe stütze, sondern durch übel berathene den Zusammenhang der Dinge ver kennende oder verleugnende Führer geleitet, die An gelegenheit zu einer politischen, persönlichen Macht frage stempelte, habe die Regierung nicht gezögert, energisch auf die Consequenzen eines solchen Ver fahrens hinzuweisen. Es könne keinem Zweifel unter liegen, daß der Ausgang der Canalfrage eine Ver schärfung der politischen und wirthschaftlichen Gegen sätze zuwege gebracht habe, die nicht ohne Rückwirkung auf die allgemeineDolitik bleiben könne. Das osficiöse Organ schließt: Wir sind der festen Ueberzeugung, daß, wenn sich die Wogen der Erregung gelegt haben, und die bereits begonnene Auseinandersetzung inner halb der einzelnen Parteien und der Parteien unter einander sich vollzogen hat, eine Klärung der Ansichten platzgreifen wird, die einen gewaltigen Rückschlag gegen die gegenwärtige Herrschaft der Partei-Jnteressen und der Parteitaktik bedeutet. Rascher vielleicht als viele heute annehmen, wird sich die Bevölkerung bewußt werden, welcher Schlag gegen seine vitalen, kulturellen, wirthschaftlichen und militärischen Interessen geführt wurde, als man meinte, die Regierung zu treffen, die sich in den Dienst eines Culturwerks gestellt hat, dessen Größe und Bedeutung niemand zu leugnen wagt. Ferner bemerkt der conservative „Reichsbote": „Wenn wir alles bedenken, so hätten wir gewünscht, man hätte sich für diese wirthschaftlich-technische Vor lage nicht so sehr engagirt, daß es schließlich nicht bloß zu einem Conflict init der Regierung, sondern auch zu einem solchen mit dem König gekommen ist. Als man wußte, daß die Sache dazu führen würde, hätte man nach den Reden des Kaisers der Sache eine andere Wendung geben sollen. Jetzt ist der Conflict da — das kann gar nicht mehr geleugnet werden — und wir wissen in der That nicht, wie die conservative Partei als solche einen Conflict mit dem Könige ausfechten will. Man tröstet sich zwar damit, daß bei einer Auflösung des Abgeordnetenhauses die conservative Partei keine Verluste erleiden werde. DaS mag sein, wenn der Bund der Landwirthe seine Agitationsorganisation für sie arbeiten läßt; aber man denke sich eine Agitation, die in dieser Sache doch gegen den König und seine ausdrücklichen Kund gebungen vorgehen und die also auch das conservative Volk in diese Opposition gegen den König hinein ziehen müßte. Und da- in unserer Zeit! In welche GewifsenSconflicte bringt das alle ernsten conservative» Männer? Würde man uns nicht den Vorwurf machen, daß wir die Autorität des Königs erschüttert und kein Rechr mehr hätten, anderen Parteien daraus einen Vorwurf zu machen! Was würden wir auf feiten der Demokraten und Socialdemokraten zu hören bekommen, wenn wir den Kampf gegen den Umsturz führen wollten? Wenn man also jetzt darauf hinweist, daß die conservative Partei zum Kampf gegen den Umsturz unentbehrlich sei, so übersieht man die Folgen, welche es gerade für diesen Kampf haben muß, wenn die Kämpfer eben selbst erst aus einem Kampf heraus kommen, in welchem sie dem ausgesprochenen Willen des Kaisers die schärfste Opposition gemacht haben. Wenn es sich um eine große, ernste Gewissenssache handelt, wo es gilt: man muß Gott mehr gehorchen, als den Menschen — da darf man auf den Erfolg nicht sehen; aber daß man es in dieser wirthschaftlich- technischen Verkehrssache soweit kommen liest bedauern wir um der schlimmen Folgen willen, die es für unsere ganze innere Entwickelung und für die conser vative Partei, deren Einfluß doch so dringend nöthig ist, haben wird, wenn es sich um die Frage handelt, ob Niederlage des Königs oder Niederlage der konser vativen Partei -- in welche schweren Conflicte bringt das die conservativen Gewissen! Wer kann die Nieder lage des Königs oder die Zertrümmerung der conser- vativen Partei wünschen! Wir können es nur tief bedauern, daß es bis dahin gekommen ist und wir meinen, die Conservativen im Lande selbst sollten sich regen, um die Sache wieder in Ordnung zu bringen." Die Berliner Politischen Nachrichten wenden sich gegen die Kreuzzeitung, die dem Reichskanzler die Drohung in den Mund legt, daß die conservative Partei, wenn sie sich nicht gefügig zeige, auch nicht auf die erwünschte Berücksichtigung der Landwirth- schaft beim Abschlusse der Handelsverträge werde rechnen können. Sie bestreiten, daß der Reichskanzler die Drohung der bezeichneten Art ausgesproche habe, und stellen fest, daß der Reichskanzler wörtlich gesagt habe: „Diese Frag? wird weittragende Folgen in Beziehung auf das bisherige Verhältniß der Conser vativen zu der Regierung haben. Es kann nur un heilvoll auf das Zusammengehen der staatserhaltenden Elemente des Landes, namentlich auf das Zusammen gehen auf dem Gebiete der HandelSpoliiik, wirken. DaS mögen die Herren von der Rechten bedenken!" DaS genannte Organ bemerkt: Der Sinn dieser Worte ist klar und schließt jedes Mißverständniß aus. Der Reichskanzler spricht von den Gefahren für das Zu sammenwirken derjenigen Elemente, deren Zusammen- ichluß die Voraussetzung für eine erfolgreiche Durch führung des Grundsatzes des gleichmäßigen Schutzes aller Zweige der nationalen Arbeit bildet. Darüber, daß der Streit um die Canalvorlage in dieser Hinsicht unheilvoll wirkt, kann ein Zweifel wohl nicht bestehen. Aus diese Thatsache hingewiesen zu haben, ist doch himmelweit von der Drohung verschieden, wie sie die Üreuzzeitung im Widerspruch mit den Thatsachen unterstellt. Um über die gegenwärtige schwierige innere Lage hinwegzukommen, schlägt die „Post" in einem längeren Artikel vor, durch eine den Mittellandcanal und sämmt- liche in Verbindung damit stehende Verkehrsein richtungen und Anlagen umfassende Enquete in die weitesten Kreise der Bevölkerung volle Klarheit über die Wirthfchafis-, Verkehrs- und politische Bedeutung des Canalplanes zu tragen und so, statt auf dem Wege des Kampfes, auf dem der freien Ueberzeugung zu allseitig befriedigendem Abschlusse zu gelangen. Die „Post" erinnert an die Börsenenquete, durch die es auch s. Z. gelungen sei, eine Linie zu finden, auf der sich die sich bekämpfenden Kräfte vereinigen ließen. Hierzu bemerkt die „Frkf. Ztg.": In politischen Kreisen ist man allgemein der Ueberzeugung, daß die Entwickelung der durch Ablehnung der Canalvorlage geschaffenen Krisis einen sehr langsamen Verlaus nehmen wird, und hauptsächlich deshalb, weil sehr schwer neue Männer zur Durchführung der Canal vorlage und der vom Reichskanzler angedcuteten Aenderung der inneren Politik gefunden werden dürften. Es taucht wieder der Gedanke auf, die Canal fragen einer Enquete zu unterziehen, was natürlich auf eine Verschleppung hinausliefe. Die Conservativen würden einen solchen Verwickelungsvorschlag ablehnen; sie beabsichtigen noch im Laufe dieser Session mit dem Minister des Innern, Frhrn. v. d. Recke, abzvrechnen, weil er versucht hat, einen Druck auf die Landräthe auszuüben. Es verlautete gestern, die Conservativen würden beantragen, alle aus dem Ministerium des Innern kommenden Gesetzentwürfe abzusetzen. In ihren Reihen herrscht große Zuversicht, weil sie über zeugt sind, daß sich der Mann oder die Männer nicht finden werden, die einen Kampf gegen sie aufnehmen. AM m dm ZmMlM st R«. Rennes, 23. August. Die heutige Fortsetzung des Processcs gegen Dreh sus bot des Interessanten nicht allzuviel. Die meisten Z uzen gaben sich zwar d.e möglichste Mühe, Drey'uS zu belasten, doch hatten sie wenig Glück damit. Der G.schicklichkeit des VertheidigerS Labori gelang es zu dem, die Unzuverlässigkeit deS Zeugen Dubreuil in ein icharfeS Licht zu stellen. Generallcontrolcur der Arm.e L: Roy sagt aus, daß er Dreyfus im dritten Bureau des Generalstabes gesehen habe, daß DrcyfuS mit fremden Militärattaches sprach, die dorthin kamen, und daß seine indiscrete Hal ung sich sehr von der schweigsamen seiner Kameraden unterschied. — Lom Mandant Dervieu hat Dreyfus im zweiten Bureau gekannt. DrcyfuS hat mit ihm von seinen Finarz- verhältnissen gesprochen. Von da kam da» Gest räch auf den Maß, von dort auf die Grenze. DrcyfuS wußte dort äu erst gut Bescheid. Er setzte, sagte der Zeug; im Tone der höchsten Entrüstung, eine gewisse Eigenliebe darin, besser unterrichtetzu sein als wir andern. Unter dem Vorwande, sich verspätet zu haben, kam treyfus manchmal um 11 Uhr in das Bureau und blieb bis 2 Uhr. Um diese Zeit gab es keinen Officier im Bureau. Er hatte, wenn er wollte, alle Muße, die Papiere zu durchstöbern. Der Schlüssel lag an einem Ort, den wir kannten. DrcywS kannte ihn natürlich auchu nd konnte also die Schränke öffnen. —'Hier wirst Demange ein: „Sie wurden 1894 vernomm n und sagten damals nichts dergleichen!" Dervieus damalige Aussage wird verlesen, aber sie ergiebt nicht-, was mit Sen heutigen Darlegungen übereinstimmte. Der Zeuge du Chatelet hat bei einer Promenade mit Drey'-uS durch die Rue Mironesnil diesen sagen hören: „Sehen Sle, in diesem Haufe velor ich letzte Nacht bOOO Fr." Drchius erklärt auf das bestimmteste: „Ich habe nie gespielt. Ich erinnere mich deutlich jenes Gespräches mit du Chatelet, welches l llerdings über Spielverlaste handelte; aber ich erinnere mich, daß ich du Chatelet, auf jenes Haus weifend, eine Dame zeigte, die sich beim Fenster schließen ungeschickt anstellt.'. Ich sagte, 'S sähe aus, als ob die Dame mit den Fensterläden signalisire. Das Gespräch war im scherzhaften Tone geführt. — Demange fragt du Chatelet, warum er dies nicht schon 1894 gesagt habe. — Du Chatelet antwortet: „Da Dreyfus schon genug belastet war, wollte ich meinen früheren College» nicht durch diese Bagatellen noch mehr unterdrücken." Demange fragt nochmals: „Sie haben, um Dreyfus Neugierde zu kennzeichnen, auszesagt, er habe sie gefragt, ob die roth ge- Tasche, die General Gonse täglich erbielt, wichtige Document; enthalte ?" Du Chatelet glaubt sich dessen zu erinnern, aber Dreyfus sagt: „Ich werde Ihrem G-dächtnig nachhelfen. Ich habe Innen erzählt, daß ich am Sonntag Morgen für Gonse de Tasche in Empfang nahm, enisiegelte und sie dann dem General übergab." Du Chatelet giebt di-S zu. — Der Zeuge Dubreuil, Hausbesitzer, sah Dreyfus im Salon Bodson. Dubreuil entwirft eine lebhafte Schilderung diese- Salons, wo Herr und Frau odson ihre Bekannten separirt empfingen. N ir selt.v. wirren die Gäste ver einigt. Herr Bodson soll, von Drey'uS sprechend, gesagt haben: „Diesen Gast meiner Frau könnte ich an der Armee ja^en lassen." Dubreu l 'ragte gar nicht warum; denn er selber hatte Tag- vorder mit einem deutschen Attache bei Madame Bodson gespeist. Labon fragt: „Sic werden uns wohl den Namen dieses AttachöS sagen könne», oder wie er aa-sah, oder sonst etwa-Näheres ?" Dubreuil antwortet „Ach, wer kann alle diese fremden Namen behalten! Ich erinnere mub nicht mehr diese- Attaches, aber Drrvwk habe ich wiederholt dort gesehen." Laoon wendet sich an den G-ncht-ho' und sagt: „Ich verlange zur Beurtheilong »er Glaubwürdigkeit dieses Zeugen, welcher als P'erde Makler dem Gericht dekanm ist rm gerichtliche- Unheil