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Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 14.07.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-07-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841109282-189907140
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841109282-18990714
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841109282-18990714
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-07
- Tag 1899-07-14
-
Monat
1899-07
-
Jahr
1899
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 14.07.1899
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aber er konnte eS ahnen, und ihr Schicksal zeigte ihm, was er zu erwarten hatte. Dazu das beständige Fieber und die Beschwerden, die das übermäßig dagegen angewandte Chinin her vorrief. Zwischen Krankheit und Ohnmacht schwankte dieses Leben so fort, das in seiner Wurzel außerdem noch von der fortschreitenden Blutarmuth bedroht wurde. In jedem heißen Klima wird der Mensch blutarm, hier aber kamen die Gemüthsleiden hinzu, oie den Körper aufzehren, und der Mangel an Nahr ung. Die Conserven, die Dreyfus sich von Cayenne kommen ließ, wurden ihm entzogen. Seine Milch ration wurde ihm genommen. Man reichte ihm ekel hafte Speisen, die der Magen zurückwies, und glaubte so mit diesem armen Leib, der so gar nicht sterben wollte, fertig werden zu können. Aber er starb den noch nicht! Hervorragendes leistete die Phantasie der Henker — dieser Ausdruck wird nicht zu stark scheinen — im Ersinnen von moralischen Qualen. Zunächst hatte man die Erfindung gemacht, ihm nur Copien der Briefe seiner Familie zu geben, und zwar mit Aender- ungen und Lücken. Nicht einmal sehen durste Drey fus die Schriftzüge der Seinigen. Aber man sand, daß all das noch nicht genug sei, und so unterdrückte man einfach die ganze Correspondenz Dreyfus' mit seiner Familie und seinem Vertheidiger. Dies war ein furchtbarer Schlag für ihn; daß er nichts mehr von seiner Frau und seinen Kindern hörte, brachte seine Vernunft ins Wanken. Und nun führte man auch den letzten Streich, der ihn vollends hinftrecken sollte. Jemand fand sich, der zu ihm sagte: „Ihre Familie hat Sie aufgegeben!" Diese Worte sind thatsächlich gesprochen worden. Aber wie durch ein Wunder -- wer kann denn ergründen, woher die menschliche Seele in ihrer höch sten Roth Kraft und Zuversicht schöpft — blieb das Vertrauen, das der Verbannte in seine Familie setzte, unerschüttert, und er richtete sich hoch auf und schrie dem Hallunken, der ihm das sagte, ins Gesicht: „Sie lügen! Es ist nicht wahr! Sie lügen!" Als man in Paris anfing, von der Revision zu sprechen, verdoppelte man aus der Teufelsinsel öi- Qualen. Warum diese plötzliche barbarische Behand lung über ihn verhängt wurde, vermochte sich der Un glückliche nicht zu erklären. Er schrieb an Boisdeffrc, schrieb an Felix Faure. Gerade an die, die ihn ver nichten wollten, wandte sich der unselige Mann. Und sic ließen ihm antworten, seine Familie habe unerlaubte Mittel für die Revision angewandt, ihr habe er daher dies neue Unglück zu danken. Und Dreyfus glaubte es schließlich, wurde bitter gegen seinen Bruder und schrieb an Faure und Bo sdeffre: „Ich lege meine Ehr in Ihre Hände und erwarte mein Heil von Ihnen." Als er sich auf dem „Ssax" einschiffte, war er über zeugt, daß er selbst der Urheber der Revision sei, und daß er Zeinen Briefen an die beiden Genannten allein alles verdanke. Man muß es den anderslautenden parteiischen Versicherungen zum Trotz immer noch wiederholen: Als Dreyfus zurückkam, wußte er nichts, aber gar nichts von seiner ganzen Angelegenheit. Das erste Wort, das er zu seiner Frau sagte, war: „Du verstehst nichts, denn Du weißt von nichts!" Die Aermste hielt ihn für irrsinnig. Seine Bücher hatte man ihm nicht zu nehmen ge wagt. Aber dafür wurde jede selbstständige geistige Bethätigung ihm verwehrt. Schrieb er eine Zeile nieder, nur zur Uebung, um seinen Verstand nicht gänzlich zusammenbrechen zu lassen, so war auch schon der Wärter da und entriß ihm den Fetzen Papier AuS Verzweiflung kam Dreyfus schließlich dayin, bloß mechanisch abzuschrciben. Er kopirte ganze Kapitel aus seinen Büchern, bloß um nicht verrückt zu werden. Jedes einzelne von ihm beschriebene Blatt wurde weg genommen, nach Paris gesandt und dort genau durch sucht, in der Hoffnung, man könne daraus eine Waffe gegen den Gefangenen schmieden. Nur um Zola, von dessen Thätigkeit für ihn Dreyfus natürlich keine Ahnung hatte, gegen den Gefangenen zu erbittern, veröffentlichte man den Auszug aus einem Buche, das gegen Zola gerichtet und von Dreyfus abgeschrieben worden war! Zum Schluß kommt Clemenceau abermals au^ den Colonialminister Lebon zu sprechen, der alle diese Barbareien und Feigheiten Durch eine noch größere Feigheit und Barbarei überbot. „Auf immer hat Le- ' on seinen Namen dadurch entehrt, daß er, zitternd vor Furcht, dem Gequälten, der mir dem Tode rang, die letzte Marter zufügte. Du Paty de Clam hatte einen gefälschten Brief ans Colonialministerium ge richtet, in der Hoffnung, baß Dreyfus infolge dieser Briefes einem noch strengeren Regime unterworfen werden würde. Denn für du Paty de Clam wie für die anderen war es nöthig, daß der Verurtheilte starb. Die „Libre Parole" drohte, sprach von Fluchtversuchen. Der Colonialminister Lebon begann zu zittern, und um die Angriffe der Antizemiten von sich abzuwenden, gab er den Befehl, DreyfuS in Ketten zu legen." Nachdem man in Guyana die Depesche des Co lonialministcrs erhalten hatte, wurde das Feuer in der kleinen Schmiede der Teufelsinsel angezündet, und man beeilte sich, wohl oder übel, die Folterinstrumente zu fabriciren. Eher übel als wohl. Vom ersten Tage an zerriß das Fleisch an den Fußknöcheln, die durch den Druck der eisernen Fesseln angeschwollen waren Eine Wunde bildete sich, bald trat eine heftige Ent zündung dazu, Fäulnißerscheinungen z> igten sich. Sollte man wegen solcher Kleinigkeiten oie Tortur entstellen? Niemandem kam diese Idee. Der Verwundete klagte nicht, streckte mit stoischem Gleichmuth seine blutenden Füße den Henkern entgegen und bat nur, man solle ihm doch wenigstens sagen, weshalb man diese neue Strafe über ihn verhänge! Keine Antwort! DaS dauerte zwei Monate. Am Morgen wurden die Fesseln abgenommen, am Abend wurden die Eisen wieder aui die blutenden Wunden gelegt. Während dieser Zeit las der Minister L'bon aufmerksam die antisemitische Presse und constatirte mit Befriedigung, daß man ibn nicht angriff. „Dar hat sich," schließt Clemenceau, „am Ende des neunzehnten Jahrhunderts in der ftanzöstschen Re publik ereignet!" Ta-es-eschichte. Deutsche* Keich. Wilhelm hat seinem Jugendlehrer, dem Khnmrath Hinzpeter, der ihm über daS Anbrinaen r Erinnerungstafel an der Sparrenburg Mit- theilung gemacht hatte, folgendes Telegramm gesandt: „Von der hervorragend gelungenen Statue des Großen Kurfürsten für die Siegesallee beabsichtige Ich eine Reproduktion in Bronce der Stadt Bielefeld zu schenken und aus dem Sparrenberg im Burggarten aufstellen zu lassen. Dies soll ein Zeichen sein dankbarer Er innerung für die Aufnahme seitens der Stadt und ein Mahnzeichen bilden, daß wie in diesem Ahn auch in mir ein unbeugsamer Wille ist, den einmal als richtig erkannten Weg, allem Widerstande zum Trotze, unbeirrt weiterzugehen. Wilhelm I. H." — Das Tele gramm wird natürlich wieder zu den lebhaftesten Preß erörterungen Anlaß geben. Vielfach will man den Schlußsatz darauf beziehen, daß der Kaiser aus der Durchführung der vom Reichstage abgelehnten „Zucht hausvorlage" bestehen wolle. Soeholt, 12. Juli. Der Kaiser unternahm mit Gefolge einen Ausflug zum Djubrand, wo das Früh stück auf einer Felsspitze am Ufer des zugefrorenen Sees eingenommen wurde. Heute Vormittag nahm der Kaiser Vorträge der Vertreter der Kabinette ent- gegen. Das Wetter ist andauernd warm und schön. Die „Hohenzollern" begiebt sich nach Hellesylt und Sanevefjoro. Berchtesgaden, 12. Juli. Die Kaiserin ist mit den drei ältesten Prinzen heute Nachmittag hier ein getroffen und konnte von den bereits hier weilenden jüngeren Prinzen und Prinzessin Victoria Luise empfangen werden. Zum Empfang hatten sich der Bürgermeister, der Bezirksamtmann, sowie eine zahlreiche Menschenmenge auf dem Bahnhofe eingefunden. Die Stadt ist reich beflaggt. Vor dem „Grand Hotel", in dem die Kaiserin Wohnung genommen hat, wurde sie von 200 Schul kindern in bayerischer Gebirgstracht durch Gesang begrüßt. München, 12. Juli. Nach den Urwahlen wird sich das Parteienverhältniß in der Kammer folgendermaßen gestalten: Centrum 81 Sitze (bisher 73), Socialdemokraten 11 (bisher 5), Bauernbund 7 Sitze. Die übrigen 59 Sitze entfallen auf Liberale, Bund der Landwirthe und Conservative. Soweit sich das Ergebniß der Urwahlen für die Kammer der bayerischen Abgeordneten bisher überblicken läßt, hat das Centrum die Mandate in Straubing verloren. Es hat dagegen Mandate ge wonnen in Deggendorf, Passau, Regensburg und Weiden; ferner gemeinsam mit den Socialdemokraten in München I, in Steyr und voraussichtlich jn Zwei brücken. Das Centrum dürfte voraussichtlich bei den Hauptwahlen gegen zehn Mandate und damit die ab solute Majorität in der Kammer der Abgeordneten erlangen. Die Socialdemokraten haben ihre bisherigen Sitze behauptet und gewinnen dazu durch Compromiß mit dem Centrum im ganzen vielleicht sieben neue Mandate. Der Wahlkreis Fürth ist nicht von den vereinigten Socialdemokraten und Demokraten erobert, sondern dürfte den Liberalen verbleiben. Zum Wahlbündniß des Centrums mit den Social demokraten bemerken die „M. N. N.": „Dieses Bündniß ist so unnatürlich, daß es unmöglich von langer Lebens dauer sein kann. Petroleum und Weihwasser ver tragen sich einmal nicht. Jn den berühmt gewordenen Schwabinger Missionspredigten wurden den Gläubigen noch die ganzen Scyrecken der Hölle ausgemalt, die den Leser eines socialdemokratischen Blattes einst er warten. Jetzt sah man aber Männer mit der Soutane mit socialdemokratischem Stimmzettel anmarschiren und Musterung über die Leute halten. Was sagt dazu das christliche Volk? Die Compromißwirthschaft, die nach den vorliegenden Resultaten fast im ganzen Lande die Wahlen beeinflußt hat, muß schon in die Brüche gehen, wenn eine ultramontane Majoritär in den Landtag einzieht." Die „Nordd. Allg. Zlg." meldet: Die Königin- Regentin von Spanien verlieh dem Staatssecretär Grafen von Bülow das Großkreuz des Ordens Karls III. Rußland. Die Abweisung emer internationalen Deputation, welche beim Zaren zu Gunsten FinlandS inleiveniren woute wird j:tzt durch den eigentlichen Träger :er Russificirungsmaßregcln, den Generalgouv rneur von Finland, in recht ch-racteristischer Weise begründet Generalgouverneur von Finland, General Bobrikow, erklärte einem dänischen Journalisten gegenüber, die internationale Deputation sei vom Zaren abgewiefen worden, weil er nicht wünsche, in seinem eigenen Hause darüber belehrt zu werden, wie er Rußland regieren solle. Sollten die Finen sich dem Willen des Zaren widersetzen, io würden ihre Privilegien vernichtet wer den. Die finländischc Presse würde, wenn sie die gegenwärtige Agitation wnsetzc, Zwangsmaßregeln bervorruren und damit dem Lande einen schlechten Gefallen thun. Petersburg, 12. Juli. Mit Rücksicht auf den schweren Verlust, von welchem das russische Kaiserhaus und ganz Rußland betroffen wurden, wird von den ge planten festlichen Veranstaltungen auf dem deutschen Schulschiff „Charlotte" Abstand genommen. Dec Com- mandant des Schiffes, Büllers, stattete heute dem deut schen Botschafter und den Spitzen der russischen Marine behörden Besuche ab. England. Daß in der Haager Conferenz die von der eng lischen Armeeverwaltung eingesührten Gewehrgeschosse, oie beim Eindringen in einen Gegenstand in viele kleine Theile zerplatzen und daher sehr große Zerstör ungen bewirken, allseitigem Tadel begegnet sind, hat auf die Vertreter Englands keinen Eindruck gemacht. Sie haben sich überhaupt wirklichen Reformen abge neigter gezeigt, als die Commissare irgend einer an deren Macht, namentlich der für den Landkrieg lange zur Geltung gelangten Schonung fremden Eigenthums die Ausdehnung auf den Seekrieg verweigert. Die Zerreißung der inneren Organe eines auf feindlicher Seite stehenden Soldaten durch das Dum-Dum-Geschoß ist eine nutzlose Grausamkeit, da für den Ausgang eines Kampfes vollkommen denselben Dienst eine Wunde thut, die den Mann außer Gefecht setzt, aber seine Wiederherstellung nicht ausschließt. Dc.§ wegen fehlender Geschlossenheit des Bleimantels auseinander fahrende Geschoß hat ähnliche Wirkung, wie eine Ex- plosiv-Kugel. Die Petersburger Convention vom 29. November 1868 hat die Verwendung von Explosiv geschossen aus Handfeuerwaffen untersagt; dem Hin weise auf diese vor 30 Jahren schon aus Gründen der Menschlichkeit getroffene Abmachung konnten die Engländer in der Conferenz nur den rein formalen Einwand gegenüberstellen, daß die Dum-Dum-Geschosse nicht Explosivstoffe enthalten. Am 10. d. hat im Unterhause der Ire Davitt die Frage an die Regier ung gerichtet, ob es wahr sei, daß die nach Südafrika geschickten und zu schickenden Soldaten mit den berüch tigten Geschossen ausgestattet seien. Der Staatssecretär des Krieges, Wyndham, hat dies zugeben müssen, wo rauf ein hundertfaches „Pfui!" und der Ruf: „Schande für England!" antwortete. Während Rußland auf Milderung der Kriegsbräuche dringt, führt England eine neue Barbarei schlimmster Art ein! Andere Staaten werden auf diesem Wege nicht folgen, aber, sobald sie mit England in Conflict kommen, auf irgend eine Art Repressalien üben. So kann die Welt um Jahrhunderte in die Uncultur zurückgestoßen werden, die brutale Losung: Kein Pardon! Keine Gefangenen! wird wieder aufleben und das schon durch die Art der heutigen Waffen gegebene ungeheuere Blutvergießen noch vermehren. Der Staatssecretär Wyndham be merkte mit einer gewissen Selbstgefälligkeit, daß die Dum-Dum-Geschosse in England selbst, nämlich in Woolwich, angefertigt werden. Sie scheinen auf die Erregung von Schrecken abgesehen zu sein, doch wird dieser Zweck bei europäischen Soldaten kaum erreicht werden. Jn den Colonieen war die britische Krieg führung immer ausgesucht grausam. Wir erinnern an das „Wegblasen" der Gefangenen in Indien 1857, die in Reihen gebunden vor die Schlünde der Kanonen gestellt wurden. Die Procedur war darauf berechnet, die Rebellen in ihrer religiösen Empfindung zu treffen, sie glaubten des Paradieses nicht theilhaft zu werden, nachdem ihre Gliedmaßen so in die Lüfte zerstreut wären. Kerbte«. Die serbische Regierung ist begreiflicherweise eifrig bemüht, ihr rigoroses Vorgehen gegen die radikale Partei anläßlich des Attentats auf König Milan durch die Verbreitung bedrohlich klingender Situationsberichte zu rechtfertigen. Ob und inwieweit dabei der Wahr heit Gewalt angethan wird, läßt sich einstweilen, so lange die Radikalen unter dem lähmenden Schrecken des Standrechts keinerlei Meinungsäußerung mehr wagen, nicht beurtheilen. Die folgende», von o'ficiöser Seite aus Belgrad stamm-nden Mittheilungen müssen also mit allem Vorbehalt ausgenommen werden. Da nach nimmt die Angelegenheit, betreffend den Mord anschlag auf König Milan, einen Umfang an, wie er selbst von denjenigen, welche daS Verbrechen sofort kür ein politisches hielten, nicht geahnt morden war. Es stehe nämlich bereits fest, daß die That des K icszovic au! eine weitverzweigte politische Verschwörung zurück zuführen lei, deren Ziel nicht bloS die Beseitigung des Obercommandanten war. Damit sollte vielmehr die Revolution eingeleitet werden, die sich gegen die Dynastie überhaupt richtete und deren Endzweck der vollständige Umsturz der bestehenden Ordnung in Serbien sein sollte. Im Hinblick auf diesen Eharacter der Verschwörung, sowie auf den Umstand, daß d>c Behörden noch nicht die Sicherheit besitzen, aller Per sonen, die an dem Complott hervorragend betheiligt waren, hubhast geworden zu sein, habe man es on maßgebender Stelle für nothwendig gehalten, über die Stadt Belgrad und den Donaukreis den Belagerungs zustand zu verhängen und in der Hauptstadt das Standrecht zu verkünden. — Bezüglich der unmittel baren Vorgeschich:e des Attentats sei nunmehr festge stellt, daß KneSzovic kurz vor der verbrecherischen Tha während seines mehrtägigen Aufenthaltes in Bukare Zusammenkünfte mit Personen hatte, die Agenten de Karageorgjivic gewesen sein sollen, und daß er die letzten Weisungen für die Ausführung des Mord anschlags entgegennahm. Belgrad, 12. Juli. Für die Zeitungen wurde die Präventivcensur eingeführt. Nachtrag. Hohenstein-Ernstthal. Die Bornaische Pferde- krankheit fordert in der Umgegend immer mehr Opfer. Jn St. Egidien sind innerhalb der letzten Tage fün Pferde an der Seuche verend-t, und in Wüstenbrand fiel chr ein werthvolles Thier der Firma Hildsberg u. Hayn zum Opfer. Kreuznach, 10. Juli. Schwere Ausschreitungen haben sich an den beiden letzten Abenden in unsere, sonst so friedlichen Stabt ereignet. Schon am Sonn abend Abenö kam cs durch geungfüzige Rempeleien zwischen den seit dem 1. Juli neu angestellten Nacht schutzleut-n und einigen Raus: olden zu starken Am sammlungcn auf dem Bismarckplatzc, die sich gestern Abend erneuerten. D e Polizei, solchen Massen gegen über machtlos, wurde verhöhnt un: ^gepfiffen. Gegen Mitternacht zog ein großer Volkshaufe unter Schreien, Johlen, Pfeifen, Singen nach dem Stadthause, an dessen Vorderseite sämmfliche Fensterscheiben ein geworfen wurden. DiedemVolkshauienen gegeatretenden Polizistenwurdenumringtundüberwälligt. Eincrvonihnen winde durch cinenKnüppelschlag auf den Kopf schweroer ö tz>; ein ihm beispringender Polizeiscrgeant wurde durch- gcprugcli. Der gegen Mitternacht heimkehrende Bürger- n ister konnte wegen der ras Stadthaus belagernden Volksmenge nicht in seine Wohnung gelangen und mußte in einem Gasthof übernachten. Erst n^ch 2 Uhr morgens zogen die Ruhestörer ab. Zum Glück blieb das mit zahlreichen Badegästen besetzte Kurviertel von den Ausschreitungen verschont. Heute früh erfolgt- eine große Anzahl von Verhaftungen und Ver nehmungen. Köln a. Rh. Von einem bedauerlichen Unglück wurden dieMilglieder des Landwirthschaftlicheu Vereins Krefeld betroffen, welche auf einer Reise ins Sieben gebirge begriffen waren. Auf der Rückfahrt vom Drachenfels scheuten auf einer steilen Stelle die Pferde, der Wagen schlug um und sämmtliche Insassen wurden gegen eine Felswand geschleudert. Alle wurden mehr oder minder verletzt. Der Zustand dreier Fahrgäste ist so bedenklich, daß deren Ueberführung in ein Hospital erforderlich war. Wie«, 11. Juli. Jn der Gumpendorfer Straße spielte sich heute eine furchtbare Scene ab. Ein Bäcker gehilfe stahl in einem Trödlerladen Kleider, wurde er tappt und von der aufgeregten Menge verfolgt. Von einem entgegenkommenden Fleische-wagen sprang ein Gehilfe ab, warf sich dem flüchtigen Diebe entgegen, fiel aber plötzlich todt zur Erde. Der Dieb hatte ihm daS Messer ins Herz gestoßen. Brünn, 12. Juli. Ausständige Arbeiter der Firma Löw u. Beer in Svitavka erzwangen durch Gc- waltthaten und Drohungen die Arbeitseinstellung in der Spinnerei von Netti u. Fischer in Motta Rakottina. Die Gendarmerie verhaftete hierbei 58 Personen, welche wegen Gewalthätigkeiten dem Gerichte eingeliefcrt wurden. Brünn, 12. Juli. Die Arbeiter der Firma Löw-Beer in Switawka erzwangen durch Gewaltthaten und Drohungen bei der Firma Netti-Fischer die Einstellung der Arbeit. Die Gendarmerie ver- haftete 58 Personen wegen Verbrechens der öffent lichen Gewaltthätigkeit und lieferte sie dem Gerichte ein. Budapest. Zufolge der Ueberschwemmungen ist ein großer Theil der Kroatier an der Save und Kulpa von Hungersnoth bedroht. Madrid, 13. Juli. Einige liberale und repub likanische Deputirte schlagen vor, die Couponsteuer der öffentlichen Schuld auf 33 o/g zu erhöhen. Prütoria, 13. Juli. Der abgeänderte Entwurf be züglich des Wahlrechtes, der gestern dem Volksraade unterbreitet wurde, besteht aus 10 Artikeln. Der 1. Artikel bestimmt, daß jeder männliche Ausländer, der das 17. Lebensjahr erreicht hat, die Naturalisirungs- urkunde erhalten kann, wenn er einen bestimmten Zeitraum im Lande gewohnt hat, ohne zu einer ent ehrenden Strafe verurtheilt worden zu sein und ge wisse Bedingungen bezüglich der Steuerzahlung er füllt hat. Die folgenden Artikel bestimmen, daß die Naturalisirung nach zweijährigem und die Erlangung das vollen Wahlrechts nach fünfjährigem ständigen Aufenthalte im Lande erfolgen kann. Die Ausländer, welche in Transvaal vor Veröffentlichung des Ge setzes gewohnt haben, können das volle Wahlrecht 9 Jahre nach ihrer Ankunft oder 5 Jahre nach Ver öffentlichung des Gesetzes erlangen, es sei denn, daß sie schon früher wenigstens 7 Jahre in Lande ge- wohnt haben. Die Bürger, welche schon früher na- turalisirt wurden, können das volle Wahlrecht nach der Naturalisation erlangen. Söhne von Bürgern be finden sich in derselben Rechtslage, wie die Väter. Die Söhne ausländischer Bürger können im Alter von 16 Jahren die Naturalisation und im Alter von 20 Jahren das volle Wahlrecht erhalten. Nur die Weißen können das Wahlrecht erlangen. (Man sieht, die Buren thun alles mögliche, uni die Engländer zufrieden zu stellen.) Telegramme vom WoM sche« Snreau Paris, 13. Juli. Wie dem „Petit Parisien" aus Lille gemeldet wird, nahmen die Kundgebungen gestern Abend einen ernsten Eharacter an. Die Fenster der Kirche St. Katharina wurden eingeworsen. Eben so wurden gegen das Waisenhaus St. Cent de Paul Steine geschleudert. Die Polizei mußte mit dem Säbel auf die Manifestanten einhauen, deren Zahl 3 bis 4000 betrug. Vor der Erziehungsanstalt der Brüder schaft wurde die Polizei mit Flaschen und anderen Dingen beworfen. Paris, 13. August. Das Kriegsgericht in Rennes tritt am 18. August zusammen. Prüstel, 13. Juli. Gestern Abend herrschte hier ein schweres Gewitter. Fast alle Fernsprech leitungen, darunter die nach Frankreich und Deutsch land wurden zerstört. Kairo, 13. Juli. Hier treffen zahlreiche englische Officiere ein. General Talbot und andere Ofsiciere, selbst solche, die krank sind, erhielten den Befehl, ihren Urlaub nicht anzutreten. Konstantinopel, 13. Juli. Es verlautet, daß in Ursa (Vilajet Aleppo) Ausschreitungen gegen die Armenier vorgekommeu sind. ZWMlüiWW WM» LiM-Wtckw. Abfahrt von Wüstenbrand nach Limbach: 6,04 B. — 10,58 V. — 1,16 N. — 4,10 — N. 8,15 N. Vermischtes. DaS große Bergwerk Fügnerzeche Zuckermantel ist nach einem auS Tcplitz eingcgangenen Telegramm total abgebrannt. ' Eine niedliche Geschichte, bei der eine Henne die Hauptrolle spielt, wird dem Pirn. Anz. aus Burkhardswalde berichtet. Die Tochter eines dortigen Gutsbesitzers giebt sich besonders der Pflege des Hühner volkes hin und diese bezeigen ihre Erkenntlichkeit dadurch, daß sie ihrer Pflegerin, sobald sie derselben ansichtig werden, nachlaufen. Zufällig gerieth nun vor einiger Zeit eine der Hennen in die Schlafkammer der Be treffenden, wo sie das weiche Pfühl des dort stehenden Bettes sehr geeignet zur Anlegung eines Eiernestes fand. Mehrfach wurden denn auch Eier daselbst gesunden, riS kürzlich über Nacht die gefiederte stille Theilhaberin des Bettes mit eingeschlossen worden war. Am frühen Morgen wurde nun die Besitzen i des BetteS durch lautes Gackern aus dem Schlafe geweckt; die Henne wollte offenbar dadurch ihr Erstaunen über die ander weite Beschlagnahme der Bettes und die Aufforderung ,um Räumen desselben ausdrücken — ein Ansinnen, dem auch bereitwilligst entsprochen wurde, woraus die gackernde Hofbewohnerin sofort wieder ihr Eierleze- Geschäft besorgte. * Unwetter. Das gesammte Wupperthal wurde erneut von einem schweren Unwetter heimzesucht, das am Dienstag Abend stundenlang anhielt. Infolge der gewaltigen herniederstürzenden Wasiermassen wurden zroße Verkehrsstörungen hervorgcrufen. An den Bahn- -öfen RitterShauscn und Barmen waren die Bahn trecken durch Geröll verschüttet, so daß die Züge nicht »urchfahcen konnten. Um de i Verkehr aufrecht zu er- yalten, mußten Sonderzüge abgelassen werden. Die Vupper führt Hochwasser. Der Fischerthaler Bach, der gleichfalls reißens angeschwollen ist, ergoß seine Fluthen über die Eisenbahngleise. Zahlreiche Häuser, sowie der Barmer Bahnhof sind fußtief unter Wasser gesetzt. Oberhalb Vohwinkel ist ein Vater und seine Tochter auf freiem Felde vom Blitz getroffen worden; beide wurden gelähmt. * 112 Jahre alt geworden. In Sampola >ei Ajaccio ist die älteste Frau Corsicas, Katharina Cassanova, gestorben. Sie war im Jahre 1787 ge boren und wurde aiso 112 Jahre >.lt. Körperlich wie eistig war sie bi- an ihr LebenSende vollkommen üstig, und noch im vergangenen Jahre ging sic selber in den Walo. um dürres Holz zu sammeln. * Weibliche Pferdebahn-Eondnctevre. Dem ericht amerikanischer Blätter zufolge ist unter den Bewohnern von Madison im Staate Indiana eine
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