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Zeilk.uk W Krhtißlii! -KMoler ZHeblalt. Nr. 108. Vera Lauten. Rvinnn von (Slisavcth Kronau. (Nachdruck verboten.) (17. Forlsepung.) Als sie nun nach und nach erfuhr, daß Vera außer Gefahr sei, machte sie sich keiue Gedanken mehr darüber. Als die letztere die Ellersburg verlassen hatte, versäumte sie es nicht Albrecht mitzutheilen, daß Fräulein Lanken abgcreist sei, jedenfalls um ihren Millionär zu Heimchen, wie sie hinzusügte. Es wäre vergebens, die furchtbaren Seelenqualen zu schildern, die Albrecht durchlebte, als er nun end lich alle Hoffnung aufgeben mußte. Ein düsterer, finsterer, spöttischer Mann war aus ihm geworden, der an nichts Edles und Reines mehr glauben konnte. Den Anblick Olgas hätte er nicht ertragen können. War sie es doch gewesen, die seinem Herzen durch ihre Mittheilungen den Todesstoß versetzt hatte. Des halb entschloß er sich, auf Reisen zu gehen, vielleicht würde er unter einer anderen Sonne seinen Schmerz betäuben können. Er schrieb nur kurz an Gräfin Olga, daß er sich entschlossen habe, mit einem Freunde eine lanogeplante Reise tim die Welt zu machen, und er ihr deshalb auf längere Zeit Lebewohl sage. Gräfin Olgas Zorn und Wuth bei Empfang dieses Briefes war grenzenlos, doch sie konnte nichts thun, als sich in Geduld fassen und auf seine Wiederkehr harren. So zog denn auch Albrecht hinaus, um in, Trubel und im Getriebe der Welt Vergessenheit zu suchen. Hui, wie die Schneeflocken wirbelten! Größer, immer größer, dichter und dichter fielen sie von dem düsteren grauen Dezemberhimmel hernieder und senkten sich lantlos auf die sckllummernde Erde. Sie tanzten um die Wette einen tollen Reigen, dazu blies ein schneidender Wind, der die frisch gefallenen Schnee massen nach allen Richtungen zerstreute. Selbst die sonst so belebte Wiener Ringstraße schien heute wie ausgestorben. Donnerstag, den 11. Mai 1899. Am Fenster eines vornehmen Hauies stand ein junges Mädchen und blickte auf die Straße hinab. Es war vier Uhr nachmittags. Ein Licht nach dem anderen flackerte auf, aber bald war das Flocken gewirbel so dicht geworden, daß das junge Mädchen mit dem kurzgeschnittenen blondgelockten Haar nicht mehr hindurchsehen konnte und nur noch träumerisch hiuausstarrte. Endlich trat es in das elegant einge richtete Zimmer zurück. Ein Helles Kaminseuer be leuchtete das nicht große Gemach grave genug, um jeden Gegenstand in demselben erkennen zu lassen. Das junge Mädchen, es war Vera, welche wir hier im Hause des reichen Hofrath Dören wiederfinden, ließ sich in einem bequemen Fauteuil nieder und blickte eine Weile in das lustig prasselnde Feuer. Mehr als ein volles Jahr war vergangen, seit Vera die Ellersburg verlassen hatte, wo ihr kurzer Glückstraum ein so trauriges Ende genommen hatte. Vera war voller, ja noch hübscher geworden, augen scheinlich hatte sie ihre erste herbe Enttäuschung über wunden. Jetzt gerade ließ sie das vergangene Jahr, welches sie im Hause der Hofräthin Dören verlebt, an ihren geistigen Auge vorüberziehen. War es denn wirtlich erst ein Jahr, seit sie hier weilte? Vera kam sich Plötzlich so alt vor mit ihren 21 Jahren, war wirklich sie es gewesen, die jenes bunte herrliche Leben geführt hatte auf der Ellersburg und im Erlenhof? Wie war jetzt alles so anders geworden! Vera war nicht unglück lich in ihrem jetzigen Wirkungskreise, nein, sie hatte sich daran gewöhnt. Sie liebte das schöne lustige Wien, sie ging gern in Theater und Concerte und nahm dankbar entgegen, was ihr geboten wurde, aber es war doch anders in ihr geworden, eine gewisse Gleichgiltigkeit, eine ihr selbst unerklärliche Oede und Leere machte sich oft fühlbar. Daß sie nie wieder so ein Heim finden würde wie bei Wolkensteins, das hatte sich Vera von vorn herein klar gemacht. Dort war sie Wandas Freundin, fast wie ihre Schwester gewesen, hier war sie, wenn Beilage. auch geachtet und geliebt, doch nur die Erzieherin, das war ein himmelweiter Unterschied. Eine laute, etwas harte Stimme weckte Vera aus ihren Träumen. „Natürlich wieder im Finstern," tönte die Stimme, ungestüm wurde die Thür ausgerissen und herein stürzte ein junges Mädchen von etwa fünfzehn Jabreu mit robuster, etivas untersetzter Gestalt, deroen Händen und Füßen, aber einem pikanten kecken Gesichtchen, in dem Trotz, Gutmüthigkeit und Arroganz miteinander um die Herrschaft kämpften. Es war Ida Dören, Veras Zögling und Schülerin. „Was um Himmels willen träumen Sie denn schon wieder, Vera?" fragte Ida, „Du lieber Gott, ich müßte ja sterben vor Langeweile, wenn ia> hier allein im dunkeln Zimmer sitzen sollte und Trübsal blasen, so wie Sie es machen." Ida wollte sich aus schütten vor Lachen. Träumen war allerdings etwas, was Ida Dören nicht begreifen tonnte, nichts lag ihr ferner. Das viele Denken erschien ihr überhaupt sehr unbequem, ihr einziges Sinnen und Trachten ivar darauf gerichtet, recht bald erwachsen zu sein, in die Welt geführt zu werden, bald Brillanten zu tragen und sich putzen zu dürfen nach Herzenslust, das war es, was Idas Denken vollständig ausfüllte. Halte fie es doch von klein auf gehört, daß sie, Ida Toren, einmal nur die Hand auszustrecken brauchte, um einen Baron mit ihren Millionen und ihrer plumpen kleinen Hand zu beglücken. Ida Dören hatte ein warmes empfängliches Herz, aber einen oberflächlichen, eigenwilligeen Charakter und durch deu Einfluß einer schwachen Mutter hatten sich Idas Fehler weit mehr entwickelt, als die in, Innern schlummernden guten Regungen. Erst Vera Lanken halte es verstanden, diese in dem jungen Kinde zu wecken und was keiner ihrer Lehrer und Erzieher vollbracht hatte, den Trotz und den Eigensinn der eingebildeten Millionärstochter zu brechen, das konnte Vera mit einem einzigen bitten den oder ernsten Blick. (Forts, f.)