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Beklagten angetragenen, vom Kläger zurückgegebenen Eid, indem cs für den Fall der Nichtlcistung desselben den Beklagten dem Klaggesuch gemäß vernrtheiltc und andernfalls ihn von der Klage vollständig loszählte. Hiergegen appellirte Kläger mit dem Anträge auf unbedingte Verurtheilung. Das königl. sächsische Oberlandesgericht, an welches die Sache von dem nach früherem Rechte zuständig gewesenen Appellations gerichte abzugeben gewesen war, ordnete hierauf mittelst Erkennt nisses vom 23. October 1879 anderweite Instruction an, aus fol genden Gründen: „Beruhte das Anführen Beklagtens über den Umfang der Hefte Nr. 2—10 des ersten Bandes in Wahrheit, so würde der erste Band, wenn das Heft Nr. 1 einschließlich der mit dem Schluß- Hefte des Bandes ausgegebenen und an Stelle des Prospectes und der Jllustrationsproben tretenden Einleitung sieben Bogen, jedes der Hefte Nr. 3 — 10 aber, wie das vorgelegte Heft Nr. 2 nur drei Bogen hat, nur 34 Bogen umfassen, während der Band nach der vom Beklagten weiter behaupteten Versicherung des Reisenden ca. 50 Bogen haben müßte, da das Probeheft ca. 5 Bogen Text enhält. Darauf jedoch, daß jeder Band den letzteren Umfang habe, konnte Beklagter, trotz der angeblichen Zusicherung des Reisenden des Klägers, kein Recht erlangen, da er aus dem ihm gleichzeitig mit dem Probehefte vorgelegten Prospecte auf der Rückseite des Heftes Nr. 1 ersehen mußte, daß der Reisende bei Abgabe jener Versicherung in einem offenbaren Jrrthume sich befand, da die Verlagshandlung selbst den Umfang des Bandes nur auf mindestens 40 Bogen angegeben hatte. Dahingegen muß Kläger, da bei Ab schluß des Kaufes ein Probeheft vorgelegt und auf Grund dessen der Vertrag abgeschlossen worden, den Inhalt des Prospectes dem Beklagten gegenüber vertreten. Er kann daher den Vertrag nur durch Lieferung eines Werkes von solchem Umfange erfüllen, daß auf jeden der zehn Bände mindestens 40 Bogen entfallen. Denn auch nach Ansicht der gegenwärtigen Instanz ist der größere oder geringere Umfang eines Werkes nicht ohne Weiteres als etwas Unwesentliches anzusehen, da ja der Preis eines Werkes, je nach dem größeren oder geringeren Umfange, höher oder niedriger vom Verleger gestellt, vom Käufer bewilligt zu werden pflegt; in jedem Falle würde aber eine Differenz von sechs Bogen in einem Bande zu erheblich sein, als daß die Lieferung eines solchen als vertrags mäßige Leistung erachtet werden könnte. Der Kläger würde also, wenn die Angaben des Beklagten bezüglich der Stärke des ersten Bandes wahr sind, den Vertrag insoweit nicht erfüllt haben. Um deswillen würde aber Beklagter nach allgemeinen Grundsätzen nicht ohne Weiteres berechtigt sein, vom Vertrage abzugehen. Ein Rück trittsrecht würde ihm nur dann zuzugestehen sein, wenn bereits liquid wäre, daß dem Kläger die Erfüllung des Vertrages unmög lich ist. Letzteres würde aber nicht schon dann angenommen werden können, wenn gewiß wäre, daß der erste Band mit weniger denn 40 Bogen abschließt. Denn es würde Kläger in diesem Falle seinen Vertragspflichten noch dadurch genügen können, daß einer der fol genden Bände ebensoviel Bogen über den Minimalumfang von 40 Bogen enthält, als am ersten Bande gefehlt haben, da sich bei einem Werke wie dem vorliegenden ein vermögensrechtliches In teresse des Beklagten daran, daß kein Band stärker als der andere sei, nicht wohl annehmen läßt. Dahingegen kann es keinem Zweifel unterliegen, daß Beklagter, wenn der erste Band weniger als 40 Bogen enthalten hat, zur Zurückhaltung des antheiligen Kauf preises für die ferneren Bände bis zur Nachlieferung des Fehlenden berechtigt war. Die Voraussetzung des Retentionsrechtes, nämlich die Connexität der sich gegenüberstehenden Leistung und Gegen leistung ist vorhanden, da die käufliche Bestellung eines zusammen hängenden Druckwerkes ein untrennbares Ganze betrifft, daher nur ein Kaufvertrag vorliegt, und nicht soviel selbständige Kaufverträge als geschlossen zu gelten haben, als das Werk Bände enthält. Es kann auch nicht bedenklich fallen, der vom Beklagten auf Grund des ihm vermeintlich zustehenden Rechtes, vom Vertrage zurücktreten zu können, geltend gemachten Weigerung, den Kaufpreis zu zahlen, aus dem Gesichtspunkte einer Retentionseinrede Beachtung zu schenken, da die Zurückhaltung als das geringere in dem weiter gehenden Verlangen auf gänzliche Befreiung von dem Vertrage mit enthalten und als eventuell mitgewollt anzusehen ist. „Ob nun die weiterhin dem Beklagten vom Kläger zugesen- detcn Bände so umfangreich gewesen sind, daß das nach des Be klagten Behauptung am ersten Bande Fehlende als nachgeliefert betrachtet werden könnte, ist aus den Auslassungen der Parteien nicht zu ersehen, da dieselben sich über den Umfang der späteren Bände überhaupt nicht ausgesprochen haben. Dagegen ist in der Bezugnahme des Klägers im Verhandlungstermin darauf, daß Beklagter über den Umfang des Werkes nach dem Prospecte nicht habe im Zweifel sein können, die Behauptung zu finden, daß er dem Prospecte gemäß geliefert habe, daß also der erste Band mindestens 40 Bogen enthalte und er somit den Vertrag erfüllt habe. „Die Bescheinigung der Erfüllung liegt dem Kläger ob, da Beklagter wie Kläger zugestanden, sofort nach Empfang des ersten Bandes dem Kläger den angeblichen Mangel angezeigt und ihm den Rücktritt vom Vertrage erklärt hat, darin aber ein geeigneter Vor behalt des tz. 863.1oA. oit. zu erblicken ist, während in der That- sache der Zahlung des Preises für den ersten Band seitens des Be klagten eine stillschweigende Anerkennung der Erfüllung, welche er bis zu dem von ihm zu erbringenden Beweise des Gegentheils als Zeugniß gegen sich selbst gelten lassen müßte, im vorliegenden Fall um deswillen nicht gefunden werden kann, weil ihm das Buch unter Postnachnahme zugesendet worden, er also den Preis früher zahlen mußte, als er überhaupt in der Lage war, von dem Inhalte der Sendung Kenntniß zu nehmen. „Hat nun auch Kläger eine Bescheinigung der Erfüllung nicht unternommen, so kann dies doch nicht den Verlust der Replik zur Folge haben, da aus dem Protokoll nicht zu ersehen ist, daß der die Verhandlung leitende Richter feiner Jnstructionspflicht genügt und den Kläger zur Angabe von Bescheinigungsmitteln aufgefordert habe oder sonst der Kläger außer Stande sei, Bescheinigungsmittel anzugeben. „Es war daher die Sache behufs Vervollständigung der In struction in der angedeuteten Richtung in die erste Instanz zurück zuverweisen." — Im anderweiten Termine wurde etwas Weiteres nicht ver handelt, als daß Beklagter, nachdem Kläger eine Zuschrift der Ver lagshandlung vorgelegt hatte, nach welcher das fragliche Werk complet in 408 Bogen vorliegen werde, den Inhalt dieser Zuschrift als richtig zugestand, dagegen Kläger erklärte, über den Umfang der einzelnen Bände Genaueres nicht angeben zu können. — Das Prozeßgericht verurtheilte hierauf den Beklagten, weil der Vertrag nach seinem Zugeständnisse nunmehr als vom Kläger erfüllt anzusehen und damit das Retentionsrecht nachträg lich hinfällig geworden sei, zur Annahme des Werks, zur Bezahlung des Kaufpreises für den zweiten und dritten Band sammt Zinsen vom Tage des anderweiten Termins an und zur Erstattung der Kosten der anderweiten Verhandlung; dagegen wies es die Klage, soweit sie auf Erstattung von Portoverlägen und auf Bezahlung von Zinsen für eine frühere Zeit gerichtet war, schlechterdings ab und compensirte die Kosten der ersten Verhandlung. .. . (Wengler's Archiv f. civilr. Entschdgn.)