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Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 05.02.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-02-05
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841109282-189902058
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841109282-18990205
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841109282-18990205
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-02
- Tag 1899-02-05
-
Monat
1899-02
-
Jahr
1899
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 05.02.1899
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Hetzen über seine deutschfeindliche Schriststellerei ui einer Form zur Kevntniß gebrecht worden, die dem Zurechtgewiesenen die Lust benehmen wird, Personen und Einrichtungen der deutschen Verwaltung zum Gegenstand weiterer Stilübungen zu machen." Das gänzlich unmotivirte Vorgehen Bau manns war um so erklärlicher, als dieser bei allen seinen Reisen in Deutsch-Ostafrika stets seitens der Beamten und Mlitärs unserer Colonialverwaltung alle Förderung erfahren hat. Die Geschästsordnungscommission des Reichstages ertheilte heute die Genehmigung zur Strafverfolgung des Abg. Schmidt-Afchersleben (Soc.) wegen Majestäts beleidigung und Beleidigung eines Mitgliedes des königlichen Hauses. Abg. Schmidt und die social demokratische Fraction hatten bekanntlich die Genehmi gung selbst nachgesucht. Stuttgart, 2. Februar. Hiesige Blätter wollen aus militärischen Kreisen erfahren haben, daß die dies jährigen Kaifermanöver zwischen dem württembergischen und dem badischen Armeecorps theilwcise in der Gegend bei Hechingen sich abspielen werden. Bei dieier Gelegenheit werde der Kaiser sein Hauptquartier auf einige Tage in der Stammburg Hohenzollern auf schlagen. Braunschweig, 3. Februar. Im Landtage theilte Staatsminister Otto mit, die Frage werde erwogen, ob anstatt des Stichcanals, dessen Kosten er auf zehn Millionen Mark veranschlagen würde, eine Stichbahn von Braunschweig an den Mittellandcanal zu bauen sei. Er habe gestern mit dem preußischen Minister der öffentlichen Arbeiten verhandelt und großes Entgegen kommen gefunden. Düsseldorf, 3. Februar. Der Provinziallaudtag stimmte dem Anträge des Provinzialausschusses zu, zur Erhaltung des Siebengebirges auS Mitteln der Provinz 200,000 Mk. aufzuwenden. Freyburg a. d. Unstrut, 3. Februar. Die heute hier abgehaltene, von der Landwirthfchaftskammer der Provinz Sachsen einberufene Versammlung von Winzern aus Saal- und Unsttutgebiet, die von einigen Hundert Personen besucht war, beschloß, um die Auf hebung der jetzigen Methode zur Vernichtung der Reblaus bei der Staatsregierung zu petitioniren, und erklärte sich für die Verwendung amerikanischer Reben bei Reuanpflanzungen. Oesterreich - Ungarn. Prag, 3. Februar. Den „Rarodni Lisch" zufolge erklärte der Ministerpräsident Graf Thun in der gestrigen Sitzung der parlamentarischen Commission der Rechten des Abgeordnetenhauses, die einzige thatsäch- liche Veranlassung der Vertagung des MeichSrathS sei die erwiesene vorsätzliche Obstruction und der Mangel jeder Hoffnung auf Beseitigung derselben. Der Ein tritt besserer Zustände bilde seinen sehnlichsten Wunsch Die Mehrheit habe Alles gethan, um ein Fortführen der Arbeit im Hause zu ermöglichen. Eine weitere Fortsetzung der unfruchtbaren Thätigkeit des Reichs- rathes sei schon wegen des Parlamentarismus unmög lich. Eine Verständigung dir Nationalitäten sei uner läßlich, aber nur bei gegenseitiger Willfährigkeit und Versöhnlichkeit auf der Grundlage der Gerechtigkeit Gleichberechtigung möglich. Die Dauer des außer parlamentarischen Zustandes sei nicht zu bestimmen. Prag, 3. Februar. Der deutsche Student Biberl, der jüngst bei einem nächtlichen Streite den czechischen Studenten Linhardt erschoß, wurde wegen Ueber- schreitung der Rothwehr zu dreimonatlichem Arrest verurtheilt. Der Vercheidiger, der Freispruch beantragt hatte, meldete Berufung an. Lemberg, 3. Februar. Der RegierungScommi ssar veröffentlicht eine Mittheilung, wonach die Förderung der galizischen Sparkasse an die Navhthaunternehmer Wolski, Odrzywolski und SzczepanowSki mittelst notarieller Urkunde bis zum Höchstbetrage von 5 Mill. Gulden hypothekarisch sichergestellt ist. Es kann mit Sicherheit behauptet werden, daß den Spareinlagen keine Gefahr droht. Frankreich. Paris, 3. Februar. Kurz vor Esterhazys Abreise fand seine Confrontirung mit du Paty de Clam statt, die sehr bewegt ausfiel. Die Beiden nannten sich gegenseitig Lügner und warfen einander Verrath vor Die Strafkammer des Cassationshofes dürfte schon morgen die Untersuchung schließen. Paris, 3. Februar. Die revisionistische Presse meldet übereinstimmend, der ganze Fqldzug Beaure paires verfolge den lediglichen Zweck der Nichtiger klärung der bisherigen für den Generalstab geradezu niederschmetternden Ergebnisse der Untersuchung. Der „Eclair" versichert, 18 Cassationsräthe der Civil- kammer seien ohne Einsichtnahme der Acten ent schiedene Revisionsgegner. Paris, 3. Februar. Die „Petite rspublique" ver sichert, der Generalstab habe einen angeblichen Brie des deutschen Kaisers an Dreyfus zusammengestellt gehabt. Sie versichert, daß diese Fälschung bestanden, daß der Generalstab Kenntniß davon hatte, und daß der Generalstab Gebrauch .davon gemacht habe, um verschiedene Officiere, die an die Schuld von Dreyfus nicht zu glauben vermochten, zu überzeugen. Wir haben, bemerkt das Blatt weiter, noch wichtize.e Ent hüllungen zu machen, vorläufig begnügen wir uns hier mit und fordern die Criminalkammer des Cassations hofes aus, den General Schneegans und den Obersten Stoffel zu verhören Den letzten Meldungen aus Madagascar zufolge sind ,eit dem 20. Januar bis 31. Januar keine Pest fälle vorgckommen. Paris, 3. Februar. Heute Vormittag ereignete sich auf dem Bahnhofe Courcelles der Gürtelbahn in Folge falscher Weichenstellung ein Eisenbahnunfall. Ein Reisender wurde schwer verletzt; zwölf erlitten leichte Verletzungen. England. London, 2. Februar. Das „Reut. Bur." meldet aus Havanna von heute, der nach Cuba entsandte amerikanische Spezialcoinmissar Robert Porter habe mit Gomez in Remedios eine Besprechung gehabt. Das Ergebniß sei gewesen, daß Gomez an M'Kinley em Telegramm gerichtet habe, in dem er den Prä sidenten seiner Mitwirkung bei der Auflösung der cubanischcn Armee versichert und bei der Vertheilung von drei Millionen Dollars unter seine Soldaten, um diese in den Stand zu setzen, nach ihren Wohn orten zurückzukehren. London, 3. Februar. „Daily Chronicle" bespricht die Politik Deutschlands auf Samoa und sagt, es sei unzweifelhaft, daß Deutschland den Zweck verfolge, sich in Pagopago festzusetzen, um auf diese Weise die französischen Colonien von Noumea und Haiti zu be herrschen. (Wenn die Engländer gegen Deutschland Hetzen können, ist ihnen keine Erfindung zu thöricht. London, 3. Februar. „Daily Mail" meldet aus Konstantinopel: Die Nachrichten aus Jemen seien äußerst ernst. Der Militärcommandant sei mit dem Civilgouverneur uneinig, Aufstände seien bevorstehend, )ie Bevölkerung sehr aufgeregt. Man befürchtet, daß )ie aufständischen Bewegungen keinen genügenden Widerstand seitens der Behörden finden werden. Amerika. Rewyork, 3. Februar. Das Transportschiff „Shermann" ist von hier in See gegangen, um sich iber Suez nach Manila zu begeben. An Bord be finden sich das reguläre 3. Infanterie-Regiment und das zweite Bataillon des 17. Regiments. Rewyork, 1. Februar. Hier trat die neue Ver ordnung, wonach jeder von Europa zurückkehrende Reisende bei der Landung in den Vereinigten Staaten genau den Werth jedes mitgebrachten Artikels angeben muß, in Kraft. Die peinliche zollamtliche Untersuchung der Effecten der Reisenden wird natürlich viel Zeit beanspruchen. Australien. Melbourne, 2. Februar. Die Premierminister der australischen Staaten sind hier zu einer Berathung zusammengctreten und sind einstimmig zu einer Lösung aller Streitfragen gelangt, die dem Zustandekommen der Föderation der australischen Staaten jemals ent gegenstanden. Die Föderation ist damitthatsächlichgesichert. Deutscher Reichstag. Berlin, 3. Februar. Der Reichstag setzte heute die zweite Berathung des Etats bnm Reichspostetat fort. Bei der Einnahme für Porto- und Telegrapheugebühren 335*/, Millionen betonte der Berichterstatter Abg. Paasche (nat.-lib.), dal die Reichsregierung eine sehr baldige Regelung der Telephongebühren in der Budgeicommission zugesagt habe. Er erkannte das Entgegenkommen bei Herab setzung des Geldportos auf 10 Pfennige für Sendungen bis zu 5 Mark an; man müsse aber für dieses Porto bis zu 20 Mark versenden dürfen. Auch die Bestell gebühr für Postanweisungen müsse fortfallen. Abg. Müller-Sagan (freis. Vp.) sprach dem Staatssecretär für die Herabsetzung des Geldportos Dank auS, befür wortete aber ebenfalls die Erhöhung des Geldbetrages. ES gebe aber manche Dinge noch zu bessern. So müsse die Verschiedenheit der Behandlung von Post sendungen im internationalen Verkehr verschwinden. Die Bezahlung für ein Telephongespräch nach aus wärts, das wegen Abwesenheit der Angerufenen nicht zu Stande kommt, sei eine schreiende Ungerechtigkeit. Im Vorortverkehr genüge die Zahl der Leitungen nicht. Wie sich der Portoertrag bei noch größerer Erweite rung des Geldbetrages, der für den erniedrigten Satz zu versenden sei, gestalten werde, sei kein einfaches Rechenexempel, da sich doch auch die Zahl der Sen dungen vermehren wird. Der Staatssecretär bringe ganz zu Unrecht die Freigabe der öffentlichen Straßen zur Benutzung für die Telegraphen-Verwaltung mit der Herabsetzung der Tclephongebühren in Verbindung. Es sei doch ein unqualificirbares Verfahren, wenn, wie chm soeben bekannt geworden sei, dem Magistrat zu Kattowitz durch eine Verfügung der Oberpostdirection Telephonsperre angedroht werde, wenn die Stadt die Straßen der Telegraphenverwaltung nicht freigebe. Die übermäßige Ausdehnung der Porto- und Tele grammfreiheit fürstlicher Personen im Interesse ihrer industriellen Betriebe wirke nur verbitternd. Der Staatssecretär v. PodbielSky erwiderte, er stehe absolut auf dem Princip, daß das Inland in seinen postali schen Beziehungen nicht schlechter gestellt sei als die internationalen Verträge feststellten. In dieser Rich tung gingen seine Bemühungen, Ungleichheiten abzu stellen. Ler Entwurf für oie Neütarificirung im Telephonweseu ist dem Bundesrath bereits zugegangen. Die Katton'tzer Sache ist mir nicht bekannt, sie kommt mir unwahrscheinlich vor. In Berlin sollen die öffent lichen Fern sprechstellen vermehrt werden, auch mit dem Nachtdienst werden wir Versuche anstellen. Die billi geren Postanweisungen verlangen thatsächllch Zuschüsse des Reichs. Die weitere Ausdehnung der Sache ver liert durch den beabsichtigten Postcheckverkehr seine Be deutung. Mißbräuchliche Ausnutzung der Portofreiheit wird von uns streng gerügt. Die Postverwaltung nimmt ihre Rechte in jeder Beziehung wahr. (Bei fall.) Abg. Böckel (Antis.) wünschte Aufhebung des Strafportos für unfrankirte Briefe. Staatssecretär v. Podbielski erklärte, es handle sich um einen Zuschlag wegen vermehrter Arbeit. Abg. Graf Stolberg (cons.) befürwortete die Ermäßigung der Tclephongebühren für leine Orte. Abg. Müller-Sagan (fr. Vp.) erklärte, )aß die Partei für eine übermäßige Ausdehnung des Werberechts nicht zu haben sei. Den Titel „Einnahme aus Zeitungen" benutzte der Berichterstatter Abg. Dr Paasche (nl.) dazu, übertriebene Angriffe gegen die Ansichten über die Postzeitungstarifnovelle nach den in der Budgetcommission regierungsseitig gemachten Mittheilungen zurückzuweisen; mit Nichten solle die Presse zu einer Einnahmequelle für die Post gemacht werden; es handle sich lediglich um eine gerechtere Ab wägung von Leistung und Gegenleistung gegenüber großen Annoncenblättern. Auf seinen Rath trat daS Haus der Besprechung der Angelegenheit nicht näher, da die Novelle dazu Gelegenheit geben werde. In einer stundenlangen Rede häufte der socialdemokratische Abgeordnete Singer Vorwurf auf Vorwurf auf die Postverwaltung wegen ihrer Behandlung der Beamten, o daß er sich zwei Ordnungsrufe und wiederholte Verwarnungen des Vicepräsidenten Schmidt zuzvg, so wie eine geharnischte Widerlegung seitens des SmatS- secrctär« von Podbielski, welche den Grundton hatte: Socialdemokraten dürfen in der Reichspostverwaltung nicht geduldet werden. Sein Princip, nach dem er bisher stets gehandelt und das er auch in Zukunft be obachten werde, sei strengste Gerechtigkeit. Der Abg. v. Kardorff (Rp.) stattete dem höchsten Postbeamten dafür den schuldigen Dank ab und sprach den Wunsch aus, alle Ressorts möchten eben so verfahren. (Leb hafter Beifall). Rach einigen Bemerkungen des anti semitischen Abg. Werner und des Socialdemokraten Baudert vertagte das Haus die Weiterberathung auf morgen: außerdem wird die von der GeschäftSordnungS- commission vorgeschlagene Genehmigung zur Straf verfolgung des Reichstagsabgeordneten Schmidt- AfcherSleben (Soc.) dem Hause zur Entscheidung vor liegen. Nachtrag. Hamburg, 4. Februar. Am 18. März be- giuut vor der Strafkammer in Altona die Haupt- Verhandlung in der Strafsache des Fürsten Herbert Bismarck gegen de» entlassenen Förster Spoerke wegen Hausfriedensbruches. Fürst Herbert wurde als Zeuge geladen. Wien, 4. Februar. Der Studiosus Viberle wurde auf Ansuchen seines Anwaltes gegen eine Caution von 3000 Fl. vorläufig auf freien Futz gesetzt. Er begiebt sich zur Erholung nach Italien. Paris, 4. Februar. „Cri de Paris" meldet, auf beiden Seiten der Vogesen bestreite mau energisch, datz Unterhandlungen für eine An näherung zwischen Frankreich und Deutschland im Gange seien. „Wir können" (so sagt das Blatt), „dagegen aus zuverlässiger Quelle versichern, datz solche Unterhandlungen thatsächlich eifrig gepflogen werden, die den Zweck haben, beide Länder zu eiuer Verständigung zu bringen, um in gewissen Fällen Hand in Hand gehe« zn können. Marsaille, 4. Februar. Rochefort ist hier am Bahnhof empfangen worden. Er begab sich im offenen Wagen zum Hotel. Auf dem Wege dahin war er Gegenstand srenndlicher und feind licher Kundgebungen. London, 4, Februar. Das Blatt „Speetator glaubt, Belgien werde binnen Kurzem gezwungen fein, den Congostaat aufzugeben. „Bayli Mail bestätigt gleich falls diese Ansicht und sagt, England werde in diefem Falle nicht um die Erwerbung bemüht fein, Wohl aber ein offenes Auge behalten müssen, damit der englische Kan del im Congogebiete nicht beeinträchtigt werde, wie dies s.Zt. auf Madagaskar v er Fall gewesen sei. Wahrscheinlich wäre, datz Rußland bei Regelung dieser Angelegen heil von Frankreich wichtige Bortheile zu erziele« in der Lage sein werde. Konstantinopel, 4. Februar. Der Sul tan hat dem serbischen Minister mitgethetlt, alle Maßregel« seien getroffen, daß der makedonische Kongreß nicht stattfinde. Die Zeit der Maskenbälle ist da und wollen wir daher nicht verfehlen, unsere verehrlichen Leser und Leserinnen auf diese alljährlich wiederkehrende humor volle Zeit aufmerksam zu machen. Am Montag, den 6. Februar, findet im Schützenhause (Altstadt) ein großer öffentlicher Maskenball statt, welcher, wie aus einem Inserate in heutiger Nummer ersichtlich ist, recht amüsant zu werden verspricht. Der Besitzer dieses Etablissements hat weder Unkosten noch Mühe gescheut, um seinen Besuchern einen angenehmen und vergnügten Aufenthalt zu bieten. Man sieht sich beim Eintritt in den schön decorirten Saal in ein förmliches Flammenmeer versetzt, da Hunderte von Lichtern dem Ganzen einen feenhaften Anblick verleihen. Bei der anerkannt guten Bewirthung seitens des Wirthes wäre ein sehr zahlreicher Besuch sehr zu wünschen, zumal bei derartigen Veranstaltungen die Unkosten ganz be deutende sind. Der Lehnserve. Roman von Karl Vruzmer. (Nachdruck verboten.) 22. Fortsetzung. Helene von Knorr war allein und umfaßte noch einmal mit der ganzen Kraft ihres Geistes den In halt jener fchönen Worte von Schiller, aber vergebens. So geistig fchaffensreich sie sonst war, diese Aufgabe fchien ihrem Ringen nach Klarheit zu spotten. Un willig warf sie die Feder von sich und trat zum Fenster, und wen erblickte sie unten? In feinster Paradeuniform zog eben Lieutenant Kurt von Knorr am Haufe vorüber uud nickte, die Hand am Helm, freundlich zu ihr hinauf, mit tiefem Neigen gab sie den Gruß zurück. Unausgesetzt behielt er das Fenster im Auge, vor dem Helene stand, fast verrenkte er sich den Hals beim Rückwärtsschauen, der prächtige Junge, bis er schließlich im Menschenstrom ihren Blicken ent schwand, — wie wallte ihr das Herz hoch auf! Vollends geneth Helene jetzt in Widerspruch mit ihrer Aufgabe, kaum war sie ihrer Gefühle mächtig, sie befand sich in einer fiebernden Aufregung. Aus der Sturmfluth ihrer Empfindungen wurde sie aufgeschreckt durch den Postboten, der ihr einen zier lichen Brief überreichte. Sie erbebte, von wem konnte er sein? Hochklopfenden Herzens sank sie auf den Stuhl und verfiel, im Anstarren der hübschen Schrift züge, in endloses Brüten. „Von einer festen Manneshand ist die Adresse geschrieben," sprach sie leise vor sich hin, indem sie die Worte mit den Augen sörmlich verschlang. „O Gott, mir ist's, als stände ich vor meinem Schicksal!" In naiver Befangenheit hält sie den Brief vor das Sonnenlicht, um ein Wort durchschimmern zu sehen, vergebens, das Couvert ist so vorsichtig ver- dichtet, daß kein Zeichen den Absender verräth. „Darf ich ihn öffnen?" fragt sich Helene mit vor Aufregung Hochrothen Wangen. „Nein, ich darf nicht, ob er vielleicht auch mein ganzes Glück um faßt, denn mein Herz fagt mir, daß er von Kurt ist. —" Leidenschaftlich drückt sie das Brieflein an ihre rosigen Lippen, an ihren wogenden Busen, eine Thräne feuchtet die geliebten Schriftzüge. Plötzlich erfüllt ihre Seele Verzagtheit, daß Gewissen prickelt sie, sie versinkt in dumpfes Brüten, da, o Schreck! Unge ahnt macht sich eine andre Gewalt zum Herrn der Situation! * * * Frau Professor Berger, die sich beim Schall der Sammclglocke von ihrem Lauscherposten zurückgezogen, um den Kindern nicht die Sünde des Horchens, die selbst auf ihre unantastbare Stellung ein schlechtes Licht geworfen hätte, zu verrathcn, hatte sich in ihr Boudoir begeben, wo sich ihr — sie war ja selbst mal jung gewesen — zwar die Ueberzeugung auf zwang, daß die drei Mädchen gegen die Satzungen der Moral gefrevelt, aber in Anbetracht des Umstandes, daß binnen wenigen Tagen ihr Cursus zu Ende ging und sie in daS volle Leben hinauslraten, — sie selber war einst bildschön gewesen und mit acht zehn Jahren verheirathet worden — sprach in ihrem milden Herzen eine Stimme versöhnend sür die natür lichen Wallungen der Jungfrauen, sintemalen ihre eigne Brust in einem Pensionat einst von dem himm lischen Hauch der Liebe befruchtet worden. Demgemäß entschloß sie sich, um den Frevel keinen Staub aufwirbeln zu lassen, da mit dem Ab gänge jener Mädchen sich der ganze Liebeszauber in Dunst auflöste. Dem Rufe ihrer Anstalt aber glaubte sie die Pflicht zu schulden, die auSgestreute Saat iw Keim zu ersticken, daß sie , ortwuchernd nicht Wurzeln treibe und den schönen Glanz ihrer Anstalt umschalte Mit der Absicht, jetzt ihrem Liebling, den sie allein wußte, in das Gewissen zu reden, betrat sie das Arbeits zimmer der drei wieder in dem Moment, als Helene im Begriff war, den geheimnißvollen Brie' i brechen: Mit den Worten: „Wohlan, ich öffne ihn, denn ich hab: das R-ch: dazu," will sie zur That schreiten, als pl tzlich Professor zuspringt, und ihr blitzschnell dar? Schreibe! entwinden Mit einem Schrei schnellt Helene in jähen Schrcckvon ihrem Stuhl empor, kein Wortvermag sie über die Lipven zu bringen. Anstatt aber auf die Ertappt. daS ganze Gewicht ihrer Entrüstung auszuschütten, zieht Frau Professor die kleine Sünderin neben sich auf den Divan nieder und spricht mit weicher Stimme: „Du wirst mir den Brief überlassen, Helene, ich ahne den Absender und werde ihn zurückschicken, um Dein junges Leben vor Leid zu wahren, denn ich meine es gut mit Dir," fügte sie voll Wehmuth hinzu und wandte sich von der kleinen Frevlerin ab. „Vergieb, Tante, ich habe keine Ahnung, von wem " vermochte die Schuldbewußte nur zu stammeln, dann vergrub sie ihr Gesicht in die Hände und schluchzte bitterlich. „Du wirst der in Erfahrung gereiften Frau zu trauen, daß sie recht handelt und es gut mit Dir meint," Hub die Mattone wieder an. Unfreiwillig ward ich vorhin Ohrenzenge Eurer Unterhaltung. Ob ich auch bald meinen Einfluß über Eucy drei einbüße, ich darf solchen Thorheiten kein Zugeständniß machen und werde handeln." Frau Professor Berger wußte dabei ihren Worten ein so zum Herzen sprechendes Gewand zu geben, daß Helene sich zerknirscht an ihre Brust warf und unter heißen Zähren flehte, sie möge es ihrer Mutter verschweigen, da sie das Unrecht nicht so gekannt habe. „Es sei Dir vergeben, Kind, und ich werde schweigen," erwiderte die liebevolle Matrone. „Diesen leichtfertigen Brief behalte ich aber, um ihn dem Ab sender uneröffnet wieder zuzustellen und ein ernst- mahnendes Wort an ihn zu richten." „Ist der Brief aber auch von Kurt, Tante, wollte mgen von Herrn Lieutenant von Knorr ?" rief Helene unvorsichtig aus, wodurch sie ihr süßes Geheimniß verrieth und der Professorin den Leitfaden vazu in die Hand gab. „Soll ich ihn nicht lieber öffnen, um den Absender zu ermitteln?" Alle Hrbel setzte der kleine Racker an, sich den Inhalt des Briefes zu eigen zu machen, wobei ihr Purpurröthe in daS Antlitz stieg, kühl wies die Matrone chr Bemühen ab. „Laß mich handeln und sei unbesorgt," sprach sie unwillig. „Bewahre Deinem kindlichen Gemütb möglichst ange die Unschuld der Jugend, Du ahnst niHt w tchen Täuschungen daS reifere Alter preisgegeben ist." Frau Professor erhob sich, strich liebreich mit der Hm d über das Blondhaar der kleinen Frevlerin, hauchte einen Kuß auf ihre rosige Stirn und verließ daS Gemach. HelencS Herz wurde von den nagendsten Zweifeln zerrissen, und aus den liebevollen Ermahnungen der guten Matrone wuchs m ihrem Innern quälend das Gefühl der Schuld aul. Bittre Vorwürfe machte sie sich, ihr Herz zu früh dem Rausch der Liebe ge öffnet zu haben, und in ihrem kindlichen Gemüth reiften edle Entschlüsse. Als sie sich mit ihrem Gewissen abgefunden hatte, kam sie zu dem Bewußtsein, daß sie recht albern ge handelt, nicht den süßen Brief rasch gelesen und ver steckt zu haben. Wie Dunstzebilde verflüchtigten sich ihre guten Vorsätze vor dem tiefer« Empfinoen, das ihre Brust durchglühte. Obwohl sie noch an der Kind heit Grenze stand, rasch in den Schatten trat die Moral, und in ihrem Herzen wuchs die Liebe leidenschaftlich wieder auf, sie konnte nicht mehr davon abkommen. Wie mit einem Blitzschläge wurde sie sich bewußt, daß aus ''em Vorsatz der Frau Professor, Kurt den Brief uneröffnet und mit weisen Ermahnungen begleitet zu rückzuschicken, Weiterungen für sie erwachsen konnten. Wer wuß'e, wie der Geliebte die stachligen Redens arten der Tante aufnahm, und ob sie ihn nicht zu derber Abwehr reizten? Um jeden Preis mußte sie der Absicht der Marrone vorbeugen, aber wie? AuS ihrem Traumleben wurde Helene jäh durch den Eintritt der beiden Freundinnen aufgerüttelt. Mit feuchten Mänteln traten sie ins Zimmer und entledigten sich derselben rasch. * * „Gott sei gelobt, daß ein sanfter Regen unsern Dauermarsch unterbrochen und uns nach Hause gejagt hat!" rief Jenny lustig aus und strich sich das wellige Haar vor dem Spiegel glatt. „So laßt uns denn mit Muße an unsere letzte Aufgabe gehen." „Was ist Dir, Leni?" fragte Alice erstaunt, indem sie sich über die bereits am Tisch sitzende Freundin neigte und einen Kuß auf ihre Stirn hauchte. „Du machst den Eindruck, als wärst Du krank, leichenblaß bist Du, und Dein Gesicht umschatten Wolken tiefen Grams, ich bebe, Kind, was ist unterdessen vorgesallen?" „Ach, ach, ich kann es kaum beschreiben, wißt, Kinder, mir ist, als ob ich um zehn Jahre gealtert bin, und Silberfäden mein Haar durchweben", ent gegnete Helene mit schelmischem Ernst. „Sprich, Mädchen, wir zittern!", schrieen die beide» wie aus einem Munde auf. (FortsetzunMolgt.)
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