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Mittwoch, d n 17. Juni 1942 Pulsnitzer Anzeiger — Ohorner Anzeiger Nr. 1S9 — Seite 4 Letzte Meldungen Bisher Mehrere hundert Engländer von italienischen Lazarett schiffen gerettet Rom. In einem ausführlichen Bericht der „Agrncia Ste fani" über den Hergang der Schlacht im Mittelmeer heißt es, daß das italienische Lazarettschiff noch mit der Bergung Ler Schiffbrüchigen beschäftigt ist und bereits mehrere hundert eng lische Matrosen an Bord genommen habe, deren Zahl ständig steigt. Weitere japanische Erfolge — 20 000 Mank Tschungkmgtcnppen gefangen genommen Tokio. 2m weiteren Verlauf der japanischen Operationen voir Kwangsin aus in westlicher Richtung entlang der Eisen bahnlinie rückten die japanischen Truppen, Frontberichten zu folge. bereits in die Nähe der Stadt Kweki vor. Oestlich von. Kwangsin sollen 20 000 Mann Tschungkingtruppen von den Japanern gefangen genommen worden sein. Ungewöhnliche Kältewelle im Argentinien Buenos Aires. In den Südgebieten von ganz Süd amerika herrscht augenblicklich eine anormale Wetterlage. In Argentinien ist eine außergewöhnliche Kältewelle hereingebrochen. Aus den Cordilleren-Provinzen werden Fröste von 18 Grad ge meldet. Bei über 20 Grad schneit es in größeren Teilen der Provinz Buenos Aires. c Aus dem südlichen Staate Rio Grande do Sui wird ein heftiger Orkan gemeldet. Es stürzten 50 Häuser, 2 Hotels und eine Kirche ein. Dabei wurden 10 Personen getötet, und zahl reiche schwer verletzt. Am RaM der SvinMMammlUW Soldatenmütter spenden die Kleidung ihrer Söhne Das Testament in Großvaters Bratenrock. Zur Altkleider- und Spinnstofssammlung ergeht in diesen Tagen ein letzter Appell, der in Verbindung mit der Verlänge rung der Sammelfrist einen Aufruf auch des letzten Volks genossen bedeutet, in Kästen, Truhen und Schränken Inventur zu machen und das Entbehrliche dem drohenden Mottenfraß zu Gunsten einer Wiedernutzbarmachung zu entreißen. Auch bei der Spinnstoffsammlung sind die Beispiele deutschen Opser- geistes wieder zahlreich, wie viele Meldungen aus den deut schen Gauen beweisen. Groh sind die Berge an Alttextilien, die sich bei den Sammelstellen häuften und teilweise schon den Weg der Wiederverwertung angetreten haben. Von der Ortsgruppe Grevesmühlen in Mecklenburg wird berichtet, daß eine Frau die gesamte Garderobe ihrer bei den Söhne gespendet hat, die im Felde gefallen sind. Die zahl reichen Anzüge, Mäntel und viele Wäsche aller Art mußten auf einem Handwagen zur Sammclstelle gebracht werden. Das Beispiel dieser Kriegermutter, deren Mann schon im Weltkrieg gefallen ist, sprach sich in dem kleinen Städtchen rasch, herum und bewirkte eine außerordentliche Spendenfreudigkeit. Die Inhaberin einer Gemüsehandlung in Stendal hatte durch Luftproftbrief bei ihrem Sohn angesragt, der Nun schon drei Jahre Soldat ist, ob sie die zu klein gewordenen Anzuge abgeben dürfe. In wenigen Tagen kam die Antwort über Luft post, in der er es als selbstverständlich bezeichnet, daß man seine alten Klamotten zur Sammelstelle bringt. Er werde so lange die Uniform tragen, bis er sich wieder neue Zivilkleider kaufen ionne. Äucy yier arsoroerle der Aviranspon der zu nein ge wordenen Anzüge und Mäntel einen Handwagen. Recht bemerkenswert ist auch das Teilergebnis eines Land ortes im Kreise Weimar, hat doch dieser Ort mit 778 Ein wohnern bei nur 20l Haushaltungen allein in den ersten drei Sammeltagen an Männerkleidung 108 Jacken, 78 Hosen, 48 Mützen, 40 Westen, 17 Mäntel, einen Anzug und 21 sonstige Stücke, an Frauenkleidung 54 Kleider, 47 Blusen, 38 Jacken, 28 Schürzen, 25 Röcke, 12 Mäntel, einen Kittel und 35 sonstige Stücke, außerdem 1368 Kilogramm Lumpen gesammelt. Im Rheinland sind vielfach Karnevalskostüme mit ihrem bunten Flitter abgegeben worden, um als neuer Stoff eine nützliche Wiederauferstehung zu feiern. Auf einer Sammel stelle in Plaue n i. V. wurden von einem Veteranen die histo rischen Uniformen der ehemaligen sächsischen Regimenter ab geliefert, die früher bei Festumzügen regelmäßig noch Ver wendung fanden. In Gube n sicht man in einer Sammelstelle die langhaarige Perücke der Germaniafigur über dem roten Königsmantel. Dieses Kostüm wurde von der Gardekamerad sschaft eingelicfert, bei deren Festen früher die Germania auf- zutreten Pflegte. Unter den Sachen, die das Zeichenbüro eines vis äsr Ings 7MM komMi von ^/l. LsrssniQnn i Ursbsr-stsektrcbuti! llcsi <Ser. llrssüsw 35j Achtzehntes Kapitel In einem kleinen Zimmer des ersten Stockes in vr. Bode lunds Haus sah Inspektor Hartmann mit dem Arzt am Sterbe lager Horje Mallings. Der Schwerverletzte atmete schwer und litt entsetzliche Schmerzen, die der Arzt zu lindern versuchte. Stockend offenbarte er den beiden Männern sein ganzes ver- pfut-btes Leben. Der Inspektor schrieb alles, was von Bedeutung für den Fall Inge Tolmain war, auf und vr. Bodelund be stätigte die Aufzeichnungen mit seiner Unterschrift. Wenige Tage später trug man den „schwarzen Horje" zum kleinen Jnfelfriedhof hinaus. Der Inspektor hatte es nun eilig. EP erklärte Else^ Ferch land, daß er zur Berichterstattung nach Hause müsse. Sie bat ihn, auch Ferchlands Gattin zu benachrichtigen. Or. Bodelund hatte erklärt, einstweilen über das Geständnis Horje Mallings nichts verlauten zu lassen. Dann verabschiedete sich Hartmann herzlich von den ihm lieb gewordenen Menschen. Das stürmische, regnerische Wetter der letzten Tage lieh nach und ein strahlender Morgen brach an, als Or. Bodelund Direktor Ferchlands Krankenzimmer betrat „Guten Morgen, Fräulein Ferchlandl Nun, was macht unser Patient?" „Er war völlig ruhig, Herr Doktor. Selbst in den Morgen stunden wurde er kaum einmal munter." „Na sehen Sie, da habe ich doch recht behalten." Der Arzt trat an das Bett heran und befühlte den Puls des Kranken. Dann nickte er dem jungen Mädchen zu. „Er hat die Krise überstanden. Das Fieber ist gewichen und hat einem ruhigen Schlaf Platz gemacht. Ich hoffe, dah er noch im Laufe des Vor ¬ mittags erwachen wird." Else Ferchland atmete erleichtert auf. „Ach, wie froh bin ich, daß all unsere Mühe nun doch nicht vergebens, war, Herr Doktor. Wie lange Zeit, glauben Sie, wird seine Genesung in Anspruch nehmen?" Der Arzt zuckte die Achseln. , „Das läßt sich nicht mit Bestimmtheit sagen, Fraulein Ferch- ckand. Ihr Bruder besitzt zwar eine überaus starke Natur, aber immerhin, ein paar Wochen wird er wohl aufnehmen müssen. ^Wichtig und erste Voraussetzung dabei ist, daß jede Aufregung Berliner Betriebes ablieferte, war ein Paket Pausleine wand, 10, 15 Jahre und länger aufbewahrte Zeichnungen, die keinerlei archivarischen Wert mehr besaßen. Ein besonderes Kuriosum der Spinnstoffsammlung wird jedoch aus Brötzingen in Baden gemeldet. Eine Bauers frau hatte aus der Kleidertruhe das alte Hochzeitskleid der Großmutter und den Bratenrock des Großvaters gespendet. Bei der Ablieferung knisterte in dem Futter des Bratenrockes Papier. Man trennte es auf und fand darin das Testament der Großeltern, aus dem hervorgeht, daß 15 Morgen Ackerland, die in der Nähe des kleinen Gutes der Bäuerin liegen, in den Besitz des Hofes übergehen sollen, sobald der Vetter des Bauern gestorben ist. Der Großvater hatte seinerzeit seinem Vetter eine größere Summe geliehen und dieses Ackerland wurde als Sicherkeit gegeben. Die Angelegenheit war schon mehrfach Ge genstand von Prozessen gewesen, jedoch hat der Bauer das Ackerland nicht erhalten können, weil eins schriftliche Urkunde über den Vertrag fehlte und die Erben des Vettern die Schuld zurückzahlen wollten. Der abgelieferte Bratenrock hat jetzt der Bauersfrau zu ihrem Ackerlaud verhalfen. Eine Einwohnerin aus Waldau im Kreise Liegnitz hat zur Altkleider- und Spinnstoffsammlung ihren wertvollen alten Brautstaat gespendet, und zwar ein schwarzes Seidenkleid, einen dazugehörigen Spitzenumhang, einen Kapotthut und hohe schwärze Schuhe. Zu einem bemerkenswerten Eingeständnis bequemt! sich der amerikanische Journalist Mitchell in der „Newqork Daily News"': „Die USA find einzig und allein deshalb in diesen Krieg verwickelt, weil die Regierung in Washington den Zeitpunkt für gekommen ansaH, auf einer Seite in den Kampf einzugreifen, der ursprünglich eine europäische nick astatische Angelegenheit war." Der Verfasser protestiert gegen die „Heuch ler. die die Rolle von mutwillig lleberfallensn spielen", und stellt dann fest: „Die Tatsache, daß unsere Gegner den erste« Mveren Schlag geführt haben, kann nur auf unsere eigene Sorglosigkeit zurückgeführt werden, nicht abeir auf eine besonders moralische Verkommenheit des Feindes." Im Laufe des Montags traf ein weiterer Transport vo« 410 Heimkehrern aus Nord-, Mittel- und Südamerika an der spanischen Grenze ein. Am Dienstagmorgen setzten di« Rückkehrer ihre Fahrt nach Stuttgart fort. Der rumänische Staatsführer, Marschall Antonescu, auf dem Weg zum Oberbefehlshaber einer Heeresgruppe, Generalfeld marschall von Bock. PK.-Aufnahme: Kriegsberichter Mittelstaedt (Wb.). Wann wird verdmrkeSt? Vom 17. Juni 22,21 Uhr bis 18. Juni 4,19 Ahr Die Haltung der peruanischen Regierung Ter bisherige Geschäftsträger Perus in Berlin, Dr. Cerro Cebria« der sich bekanntlich weigerte, in seine Heimat zurück zukehren und der spanischen Presse die Gründe dafür dar legte, übergab dem Berliner Korrespondenten des Madrider ABC ein Antwortschreiben auf eine vor einigen Wochen er folgte Gegenerklärung der peruanischen Botschaft in Madrid. Dr. Cerro Cebrian stellte darin noch einmal klar und eindeutig fest, daß die Haltung der peruanischen Regierung nicht die Zu stimmung des Volkes findet, denn eine der bedeutendsten Par teien, die „Union Revolutionaria", habe seit ihrer Gründung durch General Sanchez Cerro einen erbitterten Kampf gegen den Kommunismus und den nordamerikamschen Imperialis mus geführt. Aber Cerro fei als Präsident im Jahre 1933 auf geheimnisvolle Weife ermordet worden, ebenso wie Oberst Busch, der als Präsident von Bolivien die gleichen Prinzi pien habe. In beiden Fällen habe man die Mörder nicht ent larven können. Seine kürzlichen Erklärungen vor der schen Presse seien nicht allein der Ausdruck seiner perfönü^Zn Meinung, sondern der des größten Teiles des peruanischen Volkes. Dresdner Schlachtbichmarkt (Preise in RM) Niu der: Ochsen o> 50 b) 46 c) 41 d> —. Bullen aj 48 b) 44 c) 39 d) 30,5 Kühe aj 48 b) 44 c) 35-38 di 24—28,5. Färsen a> 49 b) 45 c) 40 d> 3l,5. Kälber: SonderklasfüH- a) 57 bj 57 cj 48 d> 38. Lämmer: a1) 51—54 a2, 74 l>1) —c2) 45 ö) 40 Schafe: a) 45-46 b) 42 c 34- Schweine: aj 62,5 b 1) 62,5 b 2> 62,5 cj 61,5 ist 57,5 e) 55,5 sj 55,5 g 1> 62,5 g 2j 57,5 Amtliche« Teil Fischberteilung auf Abschnitt 2 der roten Fischkarte bei Max Kunath Nr. 1516—1765 Einpackpapier ist mitzubringen. Pulsnitz, am 17. Juni 1942 Der Bürgermeister Die MMerberigtung in Pulsnitz findet am Freiing, den 1S. Juni 1942, von 13,45 bis 14,45 Uhr in der Hilfsstelle der NSV., Alberbstr. statt. ' ! . - l Pulsnitz, am 17. Juni 1942. Der Bürgermeister Sonnabend, den 20. Juni 1942, 10 Uhr sollen rn Pulsnitz meistbietend gegen Barzahlung versteigert werden: Zwei teiliger Kleiderschrank Ausziehtisch 4 Rohrstühke, Bettstelle mit Stahlfedermatvatze, Auflagen (3teilig), Kopf- und Keilkissen, Federbett mit Bezug, Linoleumleppich u. a m. Bietersammelort Gasthaus „Wettiner Hof". Der GeBckDiwllzieher. Vir geben unsere Ver lobung bekannt 6ertr»ä 8ckäker Lr!iar6 Lückert Kltr.-Ob.-Sskr. palsnür I-siprig 15. suni 1942. HeimwLber für schmale und breitere Bän der gesucht. Zu erfr. i. d. Gesckst. d. Zta Die Treibstoffsorgen bei ihren Lastkraftwagen sind behoben durch Einbau eines: kuck - Mrgsz - üsuersior sofort ab Lager lieferbar, kurz fristig. Einbau durch d.General Vertretung und Etnbauwerk Ernst Marti« L Co. Dresden-N 23, Bürqerstr. 56 Tel. 51740 Lür ckis nnläMG unserer VevlobuaA entgegen gebrückten Qlückr- vünsäis unck (^ßschsvüs ckaoksn ruglsick Im dlamsn bsicker Litern allen kerrlick Uarxsrete Prescher Kurt l.su r. Dt. Oekr. 1. e.dinckir.-^bt. Oberlicktsnsu. , ^41lon cksnsn, ckis uns rum 2S jäkeiAS« ckurck Qlückvünscks unck Geschenks skrtsn unck sr- krsutso, cksaksn vir kerr- lickist. QLoeA Osvalck «. krau Lriecks, geb. Lisisck lückitsuberg, im jun! 1942. n II»! - - - ! c I! -F-» 1 ci ! ! ' ! ! IMW von ihm ferngshalten wird. Die leiseste Erschütterung seines geschwächten Nervensystems würde die schlimmsten Folgen nach sich ziehen." "„Das ist leicht verständlich, Herr Doktor. Ich wil! schon dafür sorgen, daß alles, was ihn aufregen könnte, von ihm fern ge halten wird." „Das ist das Beste, was Sie kür ihn tun können. Aber nun gehen Sie einige Stunden schlafen. Sie haben es ehrlich ver dient. Ich werde Sie ablösen." Else schüttelte den Kopf. „Lassen Sie nur, Herr Doktor. Ich fände- jetzt doch keine Ruhe und bin auch wirklich nicht müde." Zwar hatten Paul Ferchlands Wunden sich längst geschlossen, doch war bis in den letzten Tagen der Zustand seines Geistes ständig an der Grenze des Deliriums. Oft war das junge Mäd chen nahe daran gewesen zu verzweifeln. — Und nun war am heutigen Morgen die Temperatur des Kranken fast normal und er schlief ruhig. „Wir haben es geschafft", meinte Doktor Bodelund. Jetzt wußte sie, daß es so war. Vergessen waren alle Nöte und Sorgen der letzten Wochen und Tage, vergessen alle Angst und Qual, die sie in den einsamen Nächten empfunden hatte. Mit Freudentränen sank sie vor feinem Bett nieder und ergriff feine weiße Hand. „Oh, Paul, wie haben wir gekämpft!" hauchte sie zitternd. „Und nun haben wir doch den Sieg davongetragen." Der Kranke wendete den Kopf und sah sie an, ohne aber einen Laut des Erkennens von sich zu geben. Erst nach einer ganzen Weile öfsnete er den Mund. Aber was er sprach, war ein Gewirr von unverständlichen Worten, die in keinem Zusammenhang mit einander standen. Dann legte er den Kopf zur Seite und fchloh wieder müde die Augen. * Als Paul Ferchland am nächsten Vormittag wieder erwachte und sich mit seiner Schwester allein im Zimmer befand, galt feine erste Frage feiner Frau! Um den Kranken nicht zu erregen, gab sie eine beruhigende Antwort, indem sie erklärte, daß Inge Ferchland sich nach Magde burg zu Frau Hertel begeben hätte, um dort seine Rückkehr abzu warten. Von den Vorgängen, die sich inzwischen abgespielt hatten, wußte Else nichts. So kam es, daß Paul Ferchland, der sich jetzt zusehends erholte, weder von Inges Verhaftung noch von dem Prozeß etwas erfuhr. * Der große Schwurgerichtssaal im Magdeburger Justizpalast «ar schon um einhalb neun Uhr früh bis auf den letzten Platz gejülll. Obwohl man vorher Karten uusgegeben hatte, stand vor dem bereits geschloffenen Saaleingang Kopf an Kopf eine dichte Menschenmenge, die sensationslüstern darauf wartete, wenigstens einen Blick auf die Mörderin werfen zu können, wenn sie in den Saal geführt wurde. Denn eine des Doppelmordes angeklagte Sängerin, die noch dazu dis Gattin eines bekannten Mannes war, sah man nicht alle Tage. Es lohnte sich schon, sich eine Stunde lang drücken und schieben zu lassen. Kurz vor neun Uhr erschienen dann auch zwei Justizwacht meister mit der Angeklagten, und führten sie durch das dichte Spalier der sensationshungrigen Menge in den Saat. Einer der Beamten öffnete eine Holzgittertür und bedeutete der Angeklagten, auf der Bank Platz zu nehmen. Sie fetzte sich, ohne einen Blick in den überfüllten Zujchauerraum zu werfen. Die beiden Justizwachtmeister ließen sich links und rechts von ihr nieder. Inge Ferchland sah blaß und angegriffen aus. Die lange Unter suchungshaft war nicht spurlos an ihr vorübergegangen. Aber sonst machte sie durchaus nicht Hen Eindruck eines gehetzten Wildes, wie viele der Zuschauer es sich vorgestellt hatten. Auch sah sie gar nicht aus wie eine Mörderin, die zwei Menschen umgebracht haben sollte. Genau mit dem Glockenschlag neun Uhr trat das Schwurgerich zusammen. Sofort verstummte das leise Gemurmel der Zuhörer und machte einer unheimlichen Stille Platz. Der Vorsitzende wechselte ein paar Worte mit dem Staats anwalt, dann schlug er das vor ihm liegende Aktenbüadel aus und stellte die genauen Personalien der Angeklagten fest, worauf er sich mit beinahe wohlwollenden Worten Frau Ferchland zuwandte: „Frau Ferchland, Sie stehen unter der Anklage dreier schwerer Verbrechen. Ich glaube der Verhandlung nicht vorzugreifen, wenn ich schon jetzt ausdrücklich betone, daß sehr schwere Indizien gegen - Sie sprechen. Sie sind eine Frau von guter Bildung und haben bisher nie etwas mit den Gerichten zu tun gehabt. In der Vor untersuchung haben Sie Ihre Schuld glatt in Abrede gestellt. Ich richte deshalb noch einmal die Frage an Sie: Wollen Sie nicht Ihr Gewissen erleichtern und ein reumütiges Geständnis ablegen? Geben Sie zu, Ihren Vater und Ihre Zwillingsfchwester Helga getötet zu haben? Gestehen Sie ein, auch an ihrem Gatten, Herrn Direktor Ferchland, einen Mordversuch unternommen zu haben? Sagen Sie uns offen, was Sie dazu veranlaßte. Vielleicht läßt Ihre Tat sich dann ganz anders einschätzen, als es jetzt der Fall ist. Wollen Sie gestehen, Frau Ferchland?" Die junge Frau hatte sich erhoben. Sie fühlte die Augen des Vorsitzenden, des Staatsanwaltes und der ganzen Zuhörer mit größter Spannung aus sich gerichtet. (Fortsetzung folgt.) , Die heutig« Ausgab« umfaßt 4 Seite»