Volltext Seite (XML)
«AAsr-sA» NW A U Zustimmend nickte Timm, und Trose räusperte sich geräuschvoll. Dann machte er einen Schritt auf Timm zu, sagte heiser und schluckend: „Du, was ich dann noch sagen wollte ... ich wollte.. ." Aber das, was er sagen wollte, schien ihm nicht über die Zunge zu können, der Satz er stickte in einem ti?fen, unwirschen Brummen. Die Feuer tür knallte, die Schaufel kreischte auf Eisen, und Trose stand geduckt und mit einem Gesicht, als habe er nie ein Wort gesagt. Im spitzen Keil rollte die Wiese über den Hang. Erst war es nur ein schmaler Streifen neben der Maschine, aber dann leuchtete das Helle Grün herein. Timm hatte es nicht bemerkt, Trose sprang aus seiner Geducktheit herüber und starrte wieder in die Höhe, gespannt, gierig, voll Angst und Erwartung. Timm sah nur das Gesicht, nicht die Wiese, er wollte fragen, da lockerten sich schon die Muskeln des anderen, das Lächeln sprang ihm wie ein Heller Schimmer über die Backen. Trose trat zurück, Timm sah neugierig zur Wiese, aber da richteten sich braune, rote, rissige und glatte Stämme neben der Strecke auf, zogen einen dichten Vor hang vor die Wiese. „Was ist denn eigentlich los mit dir heute?" wollte Timm wissen. „Nichts ist los, was soll denn mit mir los sein?" gab Trose aufgerichtet zur Antwort. Er fuhr sich mit der Zunge über di« Lippen, und war dann wieder der alte Trose. Nach kurzem Schweigen räusperte er sich aus seinen Gedanken heraus und sagte plötzlich entschlossen: „Du mußt also unbedingt bauen?" Timm nickte mechanisch. Nun fing er doch wieder mit seinen Frozzeleien an. „Und unbedingt auf der Wiese da oben?" setzte Trose das Verhör fort. „Zum hundertsten Male: Ja!" sagte der andere un geduldig und abwehrend und sah starr geradeaus. „Es geht... Es muß gehen...und jetzt hör endlich auf damit!" „Aber wenn ich dir ganz ruhig sage: Es geht nicht?" „Quatsch!" stieß Timm heraus; aber dann schwieg er erschöpft und erschreckt von Troses unnachgiebiger, ver bissener Art. — Trose schien tief Atem zu holen, er fragte leise durch die Nase: „Liegt dir denn so viel gerade an der Wiese... steh mal..." er schluckte und wedelte unbestimmt erklärend mit der Hand in der Luft herum: „Es gibt doch so viele schöne Plätze..." „Entweder bist du verrückt, oder du willst mich ver rückt machen", brauste Timm erbittert auf, „zum letzten mal: Hör jetzt auf damit." „Ich möchte schon", nickte Trose trübsinnig; „aber ge sagt werden muß es ja schließlich doch einmal. Die Wette..." „Was hat das mit der Wette zu tun?" fiel ihm Timm hastig ins Wort. „Die Wiese und die Wette, wirf nicht alles durcheinander, und wenn du mich zum Narren halten willst, dann gefälligst zu einer anderen Gelegenheit..." Ein dumpfes Grollen kündete ein Gewitter an. Timm hörte das Blut in den Ohren zischen. Das Herz über tönte das Gewitter. Der andere redete in das Gewitter und in den polternden Herzschlag hinein. Timm sah ge radeaus nach den Signalen. Ganz und steif hielt er sich an der Wand. Er konnte nicht rutschen, gleiten, zu Boden stürzen, und doch tat sich unter ihm die Erde auf und verschlang ihn, den Zug und alle Menschen. Aber Trose redete weiter, heiser und aus der Ferne. Es war ja nicht wahr. Es konnte ja einfach gar nicht wahr sein. Verkauft. Verkauft. Immer dasselbe Wort. Ein einziges Wort kann die ganze Welt bedeuten. Die Wiese war verkauft und jemand baute da oben ein Haus. Warum sollte er auch nicht? Ein schöner Platz und eine ruhige Lage mit wunderbarem Ausblick. Ein Haus, ge wiß mit Veranda und dann mit einem Stall. Die Züge konnte man immer schon von weitem sehen. Warum sollte nicht jemand die Wiese kaufen können? Diese hier oder eine andere. Oder die andere da hinten.. — » Trose schwieg schnaufend. Er hatte eine ganze Menge i geredet, und es war schon besser, daß sie gerade durch den » Tunnel fuhren. So im Hellen läßt sich eine solche Sache ! doch nicht bereden. Nun mußte ja Timm etwas sagen. I Keine ganz einfache Sache, um die er da lange genug j herumgestottert hatte. Fluchen mußte der Timm jetzt, daß . sich das Eisen bog. Fluchen tat in solchen Fällen gut ... ! Aber Timm fluchte nicht. Er sagte überhaupt nichts » und starrte nur immer geradeaus hinter seinem erfrorenen I Schweigen her. Die Wiese flatterte grün und weit dem . Zug voraus. Hundert Jahre konnte der Zug so rasen und ! würde doch nie ans Ziel kommen. Die Wiese hob sich und I flatterte davon, immer weiter. ? Jemand baute sich auf der Wiese ein Haus. Jeder - Mensch wußte ja doch, daß die Wiese zu kaufen war. Seit ! zehn Jahren war sie zu kaufen. Solange, daß niemand I mehr daran dachte. Zweimal im Jahre schnitt der Eigen- I tümer das Gras, und dann lag die Wiese wieder einen . ganzen Sommer oder einen Winter lang still und ver- ! lassen. Trose stand immer noch grau und geduckt auf seinem Z Platz und wartete. Alles wußte der Timm ja noch nicht, . jetzt lag er am Boden, wenn er sich erhob, gab man ihm ; rasch den zweiten Schlag, und dann ging alles in einem » hin. Der mußte auch das überstehen... „Du brauchst die Wette ja nicht zu bezahlen", leitete . er seinen Schlag vorsichtig ein. „Das ist ja nun manchmal ! so im Leben. Eins fügt sich ins andere. Man weiß ja nie, I wozu etwas gut ist." Er schluckte, feuchtete sich die Lippen mit der Zunge an und sah an Timm vorbei. „Der Ver- . treter einer Maschinenfabrik baut das Haus. Ja, Kurri ! heißt er. Ulkiger Name, nicht wahr? Zwei Kinder hat er. I Ja, sagte ich ja wohl schon... Das ist nun manchmal so j im Leben... und du hast sie schon gesehen..." Vielleicht hörte Timm schon gar nicht mehr zu. Keinen ! Blick von der Strecke lassen. Der Hang war steil und I bröckelig. f Nach einer Pause streckte Trose wieder einen Fühler - aus: „Zwei erwachsene Kinder, Töchter hat er. Schöne ! Töchter... Und du hast sie schon gesehen." Dann drehte I er seinen Haken herum. Einmal mußte Timm ja doch neu- ß gierig werden und fragen, dann ließ sich auch das andere - leichter aussprechen. Aber Timm fragte nichts und hörte ! sicher gar nicht mehr zu. Da warf Trose mit einem Ruck I alles, was er wußte, von sich: „Die beiden Mädchen, die j wir neulich beinahe überrannt hätten, sind die Töchter von - Kurri. Sie waren auf dem Weg, sich das Grundstück an- ! zusehen..." > Rumpumpum, rumpumpum, brummelten die Räder. Das Gewitter kehrte nicht wieder. Einen Herzschlag lang » fiel noch einmal die Finsternis aus dem Berg über den ! Zug, aber da stieß die Sonne durch den Hellen wirbelnden I Nebelstreifen. s Timm nickte, nickte. Wer Geld hat, kann bauen, wo er » will. Wer zuerst kommt, kann zuerst kaufen und bauen. ! Der Kurri war ihm eben zuvorgekommen. Da war nun I eine tiefe brennende Wunde, und man mußte den Schmerz schon eine Weile aus sich nehmen. „Trose", sagte er nach einer ganzen Weile. „Trose", ' langsam und unsicher, wie man sich nach einer Stütze tastet, I „du mußt mich nicht für verrückt halten... Ich wollte bauen ... und ich wollte die Wiese haben. Ja, aber nicht » nur für mich..." Trose nickte mitleidig. Natürlich nicht nur seinet- k wegen. Der Mensch kann ja schließlich nicht immer allein > bleiben. Bauen und heiraten und so. „Die Wiese hat einmal meinem Vater gehört", fuhr I Timm leise fort, „davor dem Großvater und davor dem I Urgroßvater und noch einem anderen vorher. Der hat sie s von dem Landgrafen erhalten, weil er ihm einen wichtigen » Botendienst in Kriegszeiten geleistet hat. Der Ahne ist! dabei verwundet worden und gestorben. Im Schloß- I archiv hab ich die Urkunde gelesen... Der Vater hat die j Wiese verkauft, als er glaubte, sein Geschäft damit retten - zu können. Das Geschäft und seinen guten Namen. Den ! guten Namen hat er gerettet, aber das Geschäft nicht. I Darüber ist er dann gestorben und nach einem halben j Jahr die Mutter hinterher..." Timm schluckte und zog » den Atem in kleinen zuckenden Stößen in die Nase. ! (Fortsetzung folgt.) I üi s; Z Bismarck zu einem liberalen Abgeordneten, der mit f aller Hingabe und Beredsamkeit für eine uferlose Volks- bildung sprach: „Kinder, laßt mir bloß noch eenen Men- > schen übrig, der mir die Stiebeln putzt!" Kleine Bosheiten großer Männer Im Verlaufe eines wissenschaftlichen Streites sagte «in ! Gelehrter zu Leibniz: „Sie sollen meinen Kopf haben, I wenn meine Ansicht falsch ist!" — „Gut, ich nehme Ihr i Anerbieten an", erwiderte Leibniz, „kleine Geschenke er- I halten die Freundschaft!" ' , * Der berühmte Maler des Zeitalters Friedrichs deS ! Großen, „die kleine Exzellenz" Menzel, wird von einem I wenig talentierten Maler gefragt, wie ihm sein neuestes ! Kriegsgemälde gefalle. „Wissen Se!", sagte die kleine Exzellenz und kneift l dabei ein Auge zu: „Der Krieg is jar nich so schlecht, Wie > er immer gemalt wird!" släche hin und zeigte an, daß Lutra Hunger hatte. Er j tauchte und erwischte eine Wasserratte, als sie gerade , ihren Bau am Ufer verließ. Dann stieg der Otter aus. j Hell schien der Mond auf die Weiße Schneedecke, daß st« I glitzerte und funkelte. Da stutzte er. Ein Helles Pfeifen I ließ ihn aufhorchen. Wieder pfiff es und nochmals hörte ! er den wohlklingenden Laut,- der sein Blut in seltsame i Erregung versetzte. Lutra fuhr ins Wasser und schwamm I dem Bruchwald zu und ließ nun selbst ein Helles Pfeifen I ertönen, bis vom anderen Ufer Antwort kam. Es war i die Fähe, mit der Lutra schon im vergangenen Februar ; sich im Liebesspiel gejagt hatte. Nacht für Nacht waren i nun die beiden Ottern zusammen, jagten und spielten, i bis schließlich die Fähe Lutr-as überdrüssig ward und ver- ! schwand. Da kehrte auch der Otterrüde nach seiner Wasser- ; bürg zurück. Langsam wurden die Tage wieder länger, die Sonne > schien wärmer, und Lutra brachte oft ganze Stunden im » Bruchwald zu, wälzte sich in wohligem Behagen auf den » jungen Grasflächen, spielte mit einem Hasenlauf, den der l Fuchs dort im Winter hatte liegen lassen, und besuchte > gelegentlich auch wieder die Karpfenteiche des Müllers. « Um diese Jahreszeit war ihm der Tisch überreich gedeckt. ! Wo er jetzt auftauchte, verbreitete er unter dem Wasser- I geflügel Angst und Schrecken, und auch unter den Fischen j räumte er auf, denn er tötete nicht nur so viel, wie er « brauchte, um seinen Hunger zu stillen, sondern vernichtete ! aus reiner Mordlust alles, was ihm in den Weg kam. Der l Fischereipächter schwor ihm Rache, aber Lutra war auf der I Hut. Alle Hinterhalte an seinem Aus- und Einstieg, ' mochten sie noch so verwittert sein, umging er sorgfältig. ? Eines Tages aber war er verschwunden. Der Fischereipächter und auch der Müller atmeten auf. I Aber der Fischer merkte bald, daß eS noch andere Fisch- ; diebe gab. In einer von Wasserpest und Froschlöffel ver- » filzten Bucht des Schmalsees fand er eine Reuse, die einer I gelegt, der dort nichts zu suchen hatte, und als er sie hob, I da entdeckte er zu seiner größten Ueberraschung im Reu- ' sensack einen toten Otter. Es war Lutra. Er hatte einen » Karpfen verfolgt und war dabei in den Reusensack ge- ! raten, aus dem er sich nicht wieder hatte befreien können, f So war Lutra erstickt. > Als es aber Winter wurde und der Müller um die ! Jahreswende wieder den Gewinn aus seinen Karpfen ! überschlug, da fand er eines Morgens wieder die Tritt- i siegel eines alten Otters und mehrere junger am Ufer ! seiner Teiche, und Reste seiner besten Karpfen zeigten an, I daß das Geschlecht der Otter mit Lutra noch nicht ausge- I storben war. Es war die Fähe mit ihren und LutraS ! Kindern, die hier gefischt hatten, und wenn es auch dem ! Müller in den folgenden Nächten gelang, einen der jungen ' Ottern zu fangen, so hat er doch noch manchen Karpfen! den Wassermardern lassen müssen, bis sie wieder zum Fluß ! wanderten und ein Sohn Lutras die Wasserburg bezog, I die solange von seinem Vater bewohnt worden war. Oer Räuber aus -er Wasserburg Von R. Jacoby. (Nachdruck verboten.) Um die Jahreswende überschlug der Müller, wie viel die Karpfen in seinen Teichen in diesem Jahr ihm wohl bringen könnten. Im März hatte er sie als halb- und dreiviertelpfündige eingesetzt, und nun würden sie etwa drei Pfund im Durchschnitt wiegen. Das würde eine ansehnliche Summe ergeben. Am nächsten Morgen aber stand der Müller an seinen Teichen und fluchte lästerlich. Ein halbes Dutzend setter Karpfen lag da in der Nähe des Ufers. Aus dem Rücken waren die besten Stücke herausgerissen, und dann hatten sich die Krähen darüber hergemacht. Ein Otter, brummte der Müller wütend, und als sich ihm in den nächsten Tagen das gleiche Bild bot, da kannte seine Wut keine Grenzen. Einige Dutzend der besten Karpfen hatte er verloren und kam doch noch glimpflich davon, denn nach einer Woche war der Otter verschwunden, weil ihn die Fährte des Menschen am Ufer gestört hatte. Lutra, der starte Otterrüde, war über Land gegangen zu hem Fluß, der Hich wie ein breites Silberbattd durch die Wiesen zog. Dort stieg er ein, jagte einen alten Hecht und die flinke Bachforelle und ließ sich dann stromabwärts bis zu der einsamen Brücke treiben, an der ein paar alte Weiden standen. Unterhalb der Brücke begann der Bruch wald, und diese Gegend suchte Lutra besonders gern auf, denn hier war er ungestört und konnte auch am Tage an Land steigen, ohne befürchten zu müssen, von den Hunden des Jagdpächters aufgespürt zu werden. Hier hatte er auch einen Bau, den er schon mehrere Jahre benutzte. Der Eingang lag unterhalb einer der beiden Kopfweiden im Wasser verborgen und führte dann etwa zwei Meter schräg aufwärts in das Ufer hinein, wo der Gang sich zu einem geräumigen Kessel erweiterte, der mit trockenem Gras ausgepolstert war. Es war Nachmittag geworden, als Lutra in seinem Kessel erwachte. Er glitt durch die Röhre ins Wasser und schwamm stromaufwärts. Weiter oben, wo der Fluß den Schmalsee durchfloß, gab es Enten. Der Otter schwamm am Ufer entlang, tauchte nur dann und wann so weit auf, daß gerade die Nasenspitze aus dem Wasser ragte, und war wieder verschwunden. Nur eine seine Perlenkette dünner Luftbläschen, die aus seinem Balg auf- stieg, bezeichnete den Weg, den Lutra nahm. Diesen sei nen Strich aber sahen die Enten nicht; sie gründelten und schnatterten und schienen sich vollkommen sicher zu fühlen. Lutra hielt über dem überhängenden, verdorrten Schilf an und blickte nach den Enten hinüber, die nur wenige Schwimmstöße von ihm entfernt waren, ihren Feind aber nicht bemerkten. Da sah er, wie eine der Enten abermals den Hals ins Wasser senkte und den Schnabel in den moo rigen Grund bohrte. Wie der Blitz schoß Lutra unter Wasser heran, durchbiß der Ente den Hals und zog sie, die mit den Flügeln verzweifelt um sich schlug, in die Tiefe. Erschrocken stoben die Enten auseinander, wäh rend der Otter ein Stück abwärts schwamm und dann am Lande die Beute verzehrte. Der Frost hatte dem schnell fließenden Wasser bisher noch nichts anzuhaben vermocht, während alle Seen in der Umgegend schon mit einer starken Eisdecke überzogen waren und das Land eine weiße Schneedecke trug. Nachts hörte man am Ufer das leise Kichern des Otters, der sich behaglich von den Wellen treiben ließ oder am Ufer spielte. In solchen Nächten wanderte Lutra aucb gelegentlich über Land zu den Seen, in deren Eisdecke vie Fischer Löcher geschlagen hatten, um die Fische vor dem Ersticken zu bewahren. Diese Löcher suchte er auf, jagte schlangen gleich durch das Wasser, fing den gestreiften Barsch und fette Brachsen, den glatten Aal und den Zander, tauchte aus dem nächsten Eisloch wieder auf und glitt auf der Eisfläche dahin, um bei einem anderen Eisloch wieder einzusteigen. Dreimal war schon das heulende Hohnaelächter des Waldkauzes, mit dem er die Käuzin umwarb, durch den Tannenwald geklungen, als der Otter in seinem Kessel erwachte. Durch die Röhre fuhr er ins Wasser und tauchte auf. Ein lautes, gellendes Girrrk klang über die Wasser-