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Sie reichte ihm die Hand. Sie wußte eigentlich selbst nicht, warum sie es tat. In diesem Augenblick kam der Pförtner und öffnete das Tor. „Bitte", sagte Tornquist mit einer einladenden Hand bewegung, „wenn es Ihnen recht ist, dann fahre ich Sie hinauf. Es ist gut, daß ich Sie getroffen habe." Sie stieg schnell ein, der Wagen setzte sich in Bewe gung, glitt die Allee hinauf, bog links ab und hielt vor der Seitenfront. Dann wandte sich Tornquist ihr zu: „Seltsam, nicht wahr?" begann er. „Herr Tornquist, wollen Sie nicht etwas ausführ licher werden?" „Kann ich augenblicklich noch nicht, Sie müssen sich bis morgen gedulden." „War Hollmann bei Ihnen?" „Jawohl." „Wann?" „Vor ungefähr acht Tagen. Er ist dann nach London geflogen. Hatte es sehr eilig." „Und er hat Ihnen — er hat Ihnen alles erzählt?" „Vieles, Fräulein Fischer, wir sind nämlich alte Freunde." Sie erschrak. „Davon hat mir Hollmann nie etwas erzählt." „Warum sind Sie gekommen?" fragte Toni. „Um Jo guten Tag zu sagen. Aber Sie dürfen ihm noch nicht verraten, daß ich da bin. Hören Sie — es muß noch ein Geheimnis bleiben, ich habe eine kleine Ueberraschung für ihn. Hollmann, Jo und ich — wir sind nämlich uralte Freunde." „Herr Tornquist, was soll das alles?" „Mehr kann ich Ihnen augenblicklich noch nicht sagen." „Warum haben Sie mir denn überhaupt etwas ge sagt?" Run sah er sie offen an. Weil Sie wissen sollten — daß Hollmann in London ist." Es würgte sie in der Kehle. Ein schwerer Kampf. Sie versuchte, mit ihrem Stolz fertig zu werden. „Was geht es mich an", sagte sie endlich. „Hm." „Nur noch eine Frage, Herr Tornquist: wie ist es gekommen, daß Ihre Schwester Jo das Geld gab?" „Sehr einfach. Meine Schwester bewohnt mit meiner Mutter eine Villa." „Das weiß ich." „Eines Tages stand Jo vor dem Zaun mit seinem Bandonion. Er kam dann jeden Tag. Endlich ließ meine Schwester ihn heraufrufen. Und da Hat er sie dann überredet..." „Weiter nichts? Sie standen doch dahinter?" Er antwortete nicht, sah sie nur an. „Warum haben Sie es getan?" fragte Toni leise. „Weil es mir Freude machte, ihm wieder auf die Beine zu helfen." „Und Sie sind im Hintergrund geblieben, Herr Tornquist?" „Ja." „Warum?" „Weil Jo mir — weil Jo das Geld von mir viel leicht nicht angenommen hätte." „Nun erzählen Sie doch schon!" flehte sie ihn an. „Nein, morgen erst, ich bin müde, entschuldigen Sie, Fräulein Fischer." Sie reichte ihm die Hand. „Gut, morgen..." Sie wollte aussteigen. „Fräulein Fischer — einen Augenblick. Wollen Sie mir, bitte, versprechen..." „Ich verrate nichts." „Ich danke Ihnen. Noch eines: es wird vielleicht morgen etwas sehr Seltsames geschehen. Ich sprach schon vorhin von einer Ueberraschung... Bitte, mischen Sie sich nicht ein. Es ist etwas Gutes für Jo, glauben Sie mir, und es ist gut für Sie alle." Sie stieg aus, trat aber dann noch einmal an den Schlag zurück. „Sie sagten vorhin, daß Sie ein Bild von mir gesehen hätten. Hat Hollmann es Ihnen ge zeigt?" Er schüttelte lächelnd den Kopf. „Nein... das Bild von Ihnen hat ein anderer ausgenommen. Einer, der von mir einen gewissen Auftrag hatte. Er hat es heim lich geknipst, in Herzogenlust..." „Ranke?" „Jawohl. Ungemein tüchtiger Mensch." Sie nickte. „Also morgen. Ich höre von Ihnen?" „Ja, Sie hören von mir. Gute Nacht, Fräulein Fischer. Ich danke Ihnen." * * * Um zwölf Uhr wurde das Fest durch Frau von Querstrnp abgebrochen. Für die Arbeitsmänner begann der Tag beim Morgengrauen, und sie wollte keine Vor würfe auf sich laden. Sie traten unten in geschlossenem Zuge an. Die Baronin stand mit ihren Gästen oben auf der Terrasse, und der Führer der Kolonne brachte ein Hoch auf sie aus. Dann marschierten die jungen Leute singend von dannen. Elly lag noch lange wach. Sie hatte sich regelrecht in Herrn von Malkow verliebt. Es war natürlich ein großer Unsinn, sich irgendwelche Hoffnungen zu machen. Sie kannte das Leben, es war furchtbar schwer und un heimlich. Man durfte nichts ernst nehmen, sowie man etwas ernst nahm, kam gleich das Pech hinterher. Diese Tournee ging zugrunde. Und Malkow?... Mit Jutta und Jo hatte es seine eigene Bewandtnis. Er hatte sie beschworen, noch ein wenig mit ihm allein zu sein, und seltsamerweise war sie darauf eingegangen. Sie hatten einen kleinen Salon aufgestöbert. Nun lag sie auf der Ottomane, und er saß vor ihr im Sessel. Sie summte ein Lied und war fröhlich und guter Dinge. Vielleicht war sie auch ein wenig verliebt, ver liebt in den Sommerabend und in die Musik, in ihre Jugend und das ganze Leben. Es war ein gedämpftes, gelbliches Licht im Zimmer, eine milde Dämmerung. Die Fenster standen weit offen, und der Duft der Wiesen kam herein. Sie hatte die Hände unter den Kopf verschränkt und starrte an die Decke. Sie unterbrach ihr Gesumme: „Noch eine Geschichte, bitte, bitte!" Und Jo erzählte an diesem Abend seine sechste Ge schichte. Er wußte genau, daß er damit jeden Zuhörer behexte, er konnte wundervoll erzählen. Es war eine zarte Liebesgeschichte, und sie ging traurig aus. Er lächelte sanft, seine Stimme hatte einen Weichen und tiefen Klang, seine Hände formten plastische Gesten. Nun war er zu Ende. Die Stille summte. Jutta setzte sich auf und sah ihn an. „Es war wunderschön, Herr Swentikow, und ich danke Ihnen. Ich danke Ihnen für diesen schönen Abend." „Aber Fräulein Jutta — Sie wollen doch nicht schon gehen?" „Wir müssen doch schlafen." Er beschwor sie, er würde ihr noch eine siebente Ge schichte erzählen. Etwas sehr Lustiges. Da ließ sie sich bereden und legte sich noch einmal auf die Ottomane zurück. Er begann, und sie schloß die Augen, sie lächelte. Und sofort kam er ins Stocken. „Warum erzählen Sie nicht weiter?" fragte sie ihn. Aber ihre Augen hielt sie geschlossen, sie rührte sich nicht. Er kämpfte mit sich. Es war eine so große Sehnsucht in ihm, eine so unermeßliche und innige Leidenschaft. Und sie liebte ihn, er fühlte es doch. Trotzdem, er konnte sich nicht entschließen. Er schwieg und sie rührte sich nicht. Natürlich lieble sie ihn. Aber sie war so sonderbar. Vielleicht schlug sie ihm ins Gesicht, falls er es wagen würde, sie zu küssen. Jede Erfüllung war Enttäuschung. Man rettete das Glück, in dem man es nicht antastete. Er täuschte sich in Jutta. Kaum hatte er wieder mit seiner Erzählung begonnen, als sie die Augen aufschlug und ihn seltsam ansah. „Haben Sie mich nicht eben küssen wollen?" fragte sie leise. „Ja", sagte er und erschrak maßlos. (Fortsetzung folgt.) Aufregung im S. Stock Von George Gal weit. (Nachdruck verboten.) Wann und wo das Gerücht eigentlich feinen Anfang genommen hatte, wußte schon nach kurzer Zeit niemand mehr zu sagen. Selbst die Frage, ob es nur die Aus geburt einer erhitzten Phantasie (Fräulein Kranz!) gewe sen oder wirklich auf reale Tatsachen zurückzuführen war, wurde von keinem Menschen bei Matten und Co. näher untersucht. Das Gerücht entstand eines Tages — wie das so zu sein Pflegt — und zeigte vom ersten Augenblick seines Daseins an einen geradezu erstaunlich hartnäckigen Lebenswillen. Damit begann die Aufregung im 3. Stock werk bei Matten und Co. Mittelpunkt dieses Gerüchts waren — so unglaublich das klingen mag — Fräulein Stelzer, die 1. Sekretärin der Exportabteilung, und der bei allen Damen des Betrie bes allgemein so beliebte Chef des juristischen Büros, Dr. Erwin Kens. Irgend jemand behauptete, Fräulein Stelzer und Dr. Kens eines Abends gemeinsam im „Blauen Kakadu" gesehen zu haben. Im „Blauen Ka kadu"! Das war eindeutig genug und schaltete jeden Zweifel von Anfang an aus: Fräulein Stelzer und Dr. Kens, darüber war sich der ganze 3. Stock einig, „hatten" etwas miteinander. Zwar ließ sich nicht leugnen, daß sie es ausgezeichnet zu verbergen verstanden, denn wann auch immer man (sie sich im Korridor) treffen sah, grüßten sie beide mit unnahbarem Kopfnicken. Aber machte diese doch offensichtlich beabsichtigte Geheimtuerei sie nicht noch ver dächtiger? Ueber die gegenseitigen Sympathiegefühle zweier Kol legen hätte man sich auch im 3. Stock von Matten und Co. nur gefreut, wenn es sich nicht gerade um diese beiden gehandelt hätte. Aber ausgerechnet die sonst so unnahbar tuende Anneliese Stelzer und der Liebling aller, Erwin Kens, der doch weiß Gott eine andere hätte haben kön nen. Unter der offenen Aufregung im 3. Stock schlum merte bald eine nicht geringe Empörung. Bei dieser Sachlage konnte die Existenz des Gerüchts den beiden Nächstbeteiligten natürlich nicht lange verbor gen bleiben, zumal sich die Empörung bald in kleinen Explosionen verschiedener Art Luft machte. So fand Dr. Kens eines Morgens einen Strauß herrlicher Rosen auf seinem Schreibtisch. Dabei lag eine Karte, auf der nichts weiter als die beiden Worte „Wir gratulieren!" stand. Der oder die Spender wurden nie ausfindig gemacht. Während sich so die Empörung in der Umgebung der juri stischen Büros noch von einer freundlichen Seite zeigte, enthüllte sie in der Nähe der Exportabteilnng bereits ihren gehässigen Charakter. Anneliese Stelzer begegnete überall entweder übertrieben ironischer Liebenswürdigkeit oder direkter und offener Ablehnung. Sie verstand nichts da von. Das dauerte so lange, bis sie diesen Zustand nicht mehr aushalten konnte, und den kleinen Moritz Günther, mit dem sie eigentlich immer auf recht freundschaftlichem Fuße verkehrt hatte, anhielt und fragte. Moritz behauptete erst, sie sehe Gespenster, dann aber brach seine eigene Empörung, die — im Gegensatz zu den anderen — sei nen Gefühlen für Anneliese entstammte, durch und er sagte ihr ins Gesicht: „Warum tun Sir auch mit Kens immer so geheim nisvoll? Wo es doch sowieso schon alle wissen!" Anneliese verstand kein Wort davon. Sie bat um nähere Aufklärung. Moritz lachte sie aus. Er sagte etwas davon, daß sie ja wohl selbst nicht glaubte, und lief da von. Als sie dann auch von anderen Seiten die Bestäti gung erhielt, daß man sie anscheinend einer Freundschaft mit Dr. Kens beschuldigte, beschloß sie, den Stier bei den Hörnern zu packen, und rief bei Kens an. Ob sie mal etwas mit ihm besprechen könnte? „Ihr Anruf kommt mir wie gerufen, Fräulein Stel zer", sagte Kens liebenswürdig. „Auch ich habe vor gehabt, mich mit Ihnen in Verbindung zu setzen. Heute mittag?" Anneliese sagte zu. Mittags stiegen sie vor dem Hause in den Wagen des Rechtsanwalts. Moritz, der den Vorgang am Fen ster beobachtete, verschlug es den Atem. Seitdem er am Vormittag in Annelieses so ehrlich erstauntes Gesicht geblickt hatte, war er im Begriff ge wesen, seine Meinung über die Sache zu ändern. Jetzt beschloß er, keinem weiblichen Wesen mehr Glauben zu schenken. In der Weinabteilung eines kleinen Restaurants be teuerte Anneliese immer wieder, daß sie mit der ganzen Sache nicht das geringste zu tun habe. „Ich glaube Ihnen ja", sagte Kens beruhigend. „Jedenfalls jetzt, nachdem ich Sie kennengelernt habe." Sie überlegten gemeinsam, wie das Gerücht zustande gekom men sein mochte, fanden aber für das Rätsel keine Lösung. Auch die Beantwortung der Frage, wie man der sonder baren Verdächtigung in Zukunft begegnen könne, erwies sich als äußerst schwierig. Plötzlich fiel Kens etwas ein. Er mußte laut lachen. „Ich finde das alles gar nicht sehr komisch!" sagte Anneliese verletzt. „Gewiß nicht. Ich fürchte nur, wir haben es gerade mit dieser Zusammenkunft noch schlimmer gemacht. Den ken Sie, wenn uns jemand bei der Abfahrt gesehen hat?" Nun mußte auch Anneliese lächeln. Dr. Kens fand dieses Lächeln so reizend, daß er sie bat, auch den Abend mit ihm zu verbringen. „Es fehlt uns ja jetzt doch jede Ruhe, die Geschichte richtig zu überlegen", meinte er. Und weil die Besprechung am Abend ebenso ergebnis los verlief wie die am Vormittag, mußten sie eine dritte für den folgenden Tag ansetzen. Es folgten dann wei tere, aber sehr bald wurde die Aufregung im 3. Stock dabei kaum mehr erwähnt. Es gab ja auch so viel ande res zu reden, was überdies wesentlich erfreulicherer Natur war. Was übrigens die Aufregung betrifft, so fand sie erst mit dem Austritt des Fräulein Stelzer aus der Firma ihren Abschluß, der ein paar Tage vor ihrem endgültigen Namenswechsel erfolgte. Kampf der Erkältung Viele Menschen begehen den großen Fehler zu glauben, sie seien abgehärtet genug und könnten ; jeder Erkältung trotzen. Sie lassen vielleicht nur » die einfachsten Vorsichtsmaßregeln außer acht und wun- I dern sich, wenn sie schon nach wenigen Tagen einen hef- I tigen Schnupfen oder vielleicht sogar eine hartnäckige ; Grippe bekommen. Auf dem Lande braucht man vielleicht » nicht so vorsichtig zu sein, als wenn man in der Stadt lebt. I Die Luft an der See oder auf dem Lande ist viel gesünder I als die Atmosphäre in der Stadt mit ihren vielen Krank- ; heitskeimen. Daher kann man es auch auf dem Lande ein- » mal wagen, sich gründlich naßregnen zu lassen oder leichter I angezogen als in der Stadt zu gehen, ohne gleich fürch- I ten zu müssen, eine Erkältung werde daraus folgen. ; Im Kampf gegen Grippe und Erkältung möge man » folgende fünf Gebote beachten: 1. Körperliche oder geistige I Uebermüdung macht weniger widerstandsfähig gegen die I Einwirkung von Krankheitskeimen, da der ganze Orga» ; nismus infolge der Ueberanstrengung geschwächt ist. » 2. Bekümmere dich im Herbst um die Temperatur, und I nimm einen Ueberzieher mit, falls nötiß. Sind die Ar- I beitsräume noch ungeheizt, so schließe die Fenster, sobald ; du ein Kältegefühl verspürst. 3. Man überheize di« » Zimmer nicht. Ueberheizte Zimmer sind schädlich, l schwächen den Körper und machen ihn empfänglich für > Krankheitskeime. 4. Der Körper braucht Bewegung. Da- ; her sorge in der freien Zett dafür, daß durch vernünftigen » Sport die Muskeln in Bewegung gehalten werden. Durch > tiefes Atmen wird die Blutzirkulation angeregt und ein l allgemeines Wohlgesühl erzeugt. Hast du keine Mög- ; lichkeit, Sport zu treiben, so lege wenigstens einen Teil » des Weges zur Arbeitsstätte zu Fuß zurück. 5. Laß dir i Zeit beim Essen, iß vor allem regelmäßig und kleide dich > der Witterung entsprechend, dann brauchst du dich vor ; Kälte nicht zu fürchten, und es besteht Aussicht, daß du » von Schnupfen und Grippe verschont bleibst. j