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Dcittwoch, den 2l. September 1938^ Wlsnstzer Anzeiger — Ohorner Anzeiger Nr. 221 Seite 6 den in den beiden letzten Tagen hier aus der Truppe die „zuverlässigsten" Leute ausgesucht und auf die einzelnen -Abteilungen der kommunistischen Roten Wehr verteilt/ die nunmehr alsdieletzteSäuledestschechischen Naubstaates dasteht. Vorbestrafte zu „Leutnants" befördert So wurden in Teplitz die berüchtigten mehrfach wegen Einbruchs und Gewalttätigkeiten vorbestraften drei Brüder Urbansky zu „Leutnants" ernannt. Damit sind nunmehr auch die von diesen Verbrechern seit Wochen in allen Wäldern des Grenzgebietes aufgehäuften Benzin vorräte gewissermaßen in die legalen Kriegsvorbereitun gen des tschechischen Heeres einbezogen. Die ursprünglich vom roten Pöbel vertretene Ausfassung, daß man im Ernstfälle die Wälder Nordböhmens in Flammen aufgehen lassen müsse, ist damit nunmehr zur regulären Taktik der tschechischen Katastrophenpolitiker geworden. Hussilenlradition: Brandstifter .' Nacht für Nacht donnern die aus Jnnerböhmen kom menden Lastwagenkolonnen mit Benzin- und Teerfäfsern durch Tcplitz-Schönau in die böhmischen Wälder. In allen deutschen Orten sind die beschlagnahmten Schulen, die Turnhallen und die Sokolhäufer gleichfalls starke Plätze für umfangreiche Brennstoffvorräte. In vielen Orten wurden die Feuerspritzen der Ortsfeuerwehren beschlagnahmt. In Hunsdorf bei Siddcnz veranstaltete ein Brandstiftungstrupp unter Führung der „Leutnants" Stjskal, des tschechischen Oberlehrers, und des aus Brünn herbeigeeilten Wiener Emigranten Kappler eine General probe: Die Geschäftsstelle der SdP. wurde aus einer Feuerspritze mit Benzin übergossen SO bis 60 Tote in Eger Ein flämisches Blatt gibt einen eindrucksvollen Be richt aus Eger. Der Berichterstatter schreibt, daß seine Nachforschungen ergeben hätten, daß in Eger allein min destens 50 bis 60 Sudetendeutsche erschossen worden seien, darunter habe sich auch ein Junge von 12 Jahren befun den. Als der Berichterstatter versucht habe, auf den Fried hof zu gehen und die Zahl der neuen Grabstellen zu zäh len, hätten ihm die Tschechen den Zugang verwehrt. Kei nem ausländischen Journalisten gelingt es, den Friedhof zu betreten. Ein Schreiner habe ihm aber vertraulich mit- geteilt, daß bei ihm am vergangenen Mittwoch allein 23 Särge bestellt worden seien. Diese Tatsache stünde im Gegensatz zu den Behauptungen Prags, daß es in Eger lediglich zwei bis drei Tote gegeben haben solle. 30000 Sudetendeutsche eingekerkeri Wie Zuchthäusler bei Wasser und Brot. Bon Flüchtlingen wird berichtet, daß die tschecho-slo- wakische Regierung in Joseph st adt ein Gefangenen lager errichtet hat, in dem etwa 30 000 Sudctendcutschc, die auf Grund des Einberufungsbefehls zum tfchcchifchen Militär cinberufcn wurden, untergcbracht sind. Das kleine Städtchen Bilin, unweit Teplitz-Schönau, steht unter dem Terror eines tschechischen Rollkommandos, das unter der Führung eines „Oberleutnants" mit dem bezeichnenden Namen Benesch von Kotterschütz nach Bilin verlegt wurde, um die im sogenannten Meierhof mtergebrachten gefangenen sudetendeutschen Soldaten vom Infanterieregiment 251 zu bewachen. Die entwaffnetenDeutschen werden hinter S1 achcldraht auf engstem Raum nicht wie Soldaten, sondern wie Zuchthäusler bei Wasser und Brot gehalten. Sic dürfen das Gebäude des Mcicrhofes ^ur zur Verrichtung ihrer Notdurft verlassen und werden, wbnld sic sich im Hof zeigen, von den tfchechische» Ma- schincngcwchrschützcn sofort aufs Korn genommen. Ungarische Kriegsteilnehmer ermordet Unter den Gefangenen befinden sich auch einige Slo- Luks Wetzl den Vogel ab Roman von Else Aung-Lipdemann Urheber-Rechtsschutz: Viet Duellen-vertag, Königsbrück lvcz. Dresden) " 281 Mit einem großen Strauß bunter Sommerblumen be trat Luks das Hotel, in dem die beiden Damen wohnten, und fragte nach Irene Velden. Der Portier bedauerte. - „Die Damen haben ihre Rechnung beglichen und find gegen 9 Uhr morgens abgefahren. Habe ich die Ehre, mit Herrn Degenhardt zu sprechen?" „Jawohl, der bin ich." s Der Portier griff in ein Fach und reichte Luks einen »lief. „Das gnädige Fräulein hat mich beauftragt, Ihnen dieses Schreiben zu übergeben." Luks dankte kurz, drückte dem Mann ein Geldstück in die Hand und verließ das Hotel. Kein Zug seines Gesichtes hatte die Enttäuschung verraten, die ihm diese unerwartete Nach, richt bereitet hatte. Der Brief würde alles klären, aber um ihn lesen zu könen, mußte er allein sein, und so setzte er sich, den Blumenstrauß in der Hand, wieder auf seine Maschine und fuhr nach Egern hinaus. Als er den Ort im Rücken hatte, lenkte er in einen Wiesenweg hinein, stieg ab und warf sich ins Gras. Ein paar Minuten gönnte er sich Zeit, um ruhig zu werden, dann öffnete er den Umschlag und las. Es waren nur wenige Zeilen: „Lieber Freund! Daß ich Sie so nenne, soll Ihnen sagen, daß Sie mir in den wenigen Stunden unseres Beisammenseins mehr geworden sind als nur eine flüchtige Bekanntschaft, deren man sich eine Zeitlang gern erinnert, um sie dann schließ lich doch wieder zu vergessen. Als wir uns gestern abend ^trennten, bat ich Sie, wiederzukommen, und nun habe ich waten und Madjaren, die in der TepUtzer Glasinduirrle beschäftigt waren. Am Montagmorgen haben zwei ungari sche Soldaten einen deutschen Bauern, der auf seinem Felde bei dem Meierhof beschäftigt war, durch den Stachel drahtzaun angerufen und um etwas Brot gebeten. Als der Bauer noch wenige Schritte von dem Zaun entfernt war, hörte er den Anruf eines tschechischen Posten und sah, wie dieser ein Maschinengewehr herumschwenkte. Der Bauer warf sich zu Boden und sah im gleichen Augenblick, wie die beiden Ungarn im Feuer der Maschi- nengcwehrsalve zusammenbrachen. Am Abend wurden zwei Leichen mit einer Strohfuhre aus dem Meierhof ge bracht und in einer Kalkgrube verscharrt. Die beiden Ermordeten sollen, wie ein tschechischer Korporal prahlend erzählte, ungarische Kriegsteilnehmer gewesen sein. Weitere Grenzverletzungen Nachts versuchten von Halbstadt kommend bei der tschechischen Grenzstation Neu sorge 14 Männer, 10 Frauen und vier Kinder, darunter Wehrpflichtige, auf reichsdeutsches Gebiet durchzubrechen. Sie wurden dabei aus dem Walde von tschechischen Finanzwachen ohne An ruf beschossen. Die Sudetendeutschen erwiderten das Feuer,! und es gelang ihnen, unversehrt deutsches Reichsgebiet zu, erreichen. Bei der Schießerei wurden sowohl beim tschechischen Zollamt Neusorge als auch aus rcichsdcutschem Gebiet eine Reihe von Gcschoßcinschlägcn festgcstellt. Es geht dar aus hervor, daß auch hier die Flüchtlinge noch beschossen wurden, als sic bereits die Rcichsgrenze überschritten hat ten. Es handelt sich also einwandfrei um eine tschechische Grenzverletzung. Drei neue Bezirke unter Standrecht Der Landcspräsident von Böhmen hat im Einverneh men mit dem Präsidenten des Obergcrichts und dem Ober prokurator auch in den Bezirken Friedland in Böh men, Braunau und Trautenau das Standrecht ver hängt. Somit herrscht nunmehr in 19 Bezirken das Standrecht. Roter Spitzel gefaßt Prag bewaffnete systematisch die Rote Wehr! In der Nacht vom Sonnabend zum Sonntag wurde in Seifhennersdorf unter den Flüchtlingen, die von Warnsdorf über die Grenze gekommen waren, ein kom munistischer Spitzel verhaftet. Es handelt sich um den in sudetendeutschen Kreisen dieser Gegend wohlbekannten kommunistischen Funktionär Gierth. Dieser kommunistische Funktionär, der glaubte, sich als Flüchtling ausgebcn zu können, aber schon wenige Stunden nach seinem Eintreffen im Lager erkannt wurde und verhaftet werden konnte, trug bei sich eine Reihe von Ausweisen, die eindeutig den Nachweis erbringen, daß die Kommunisten mit Willen der zuständigen tschechischen Staatsbehörden bewaffnet worden sind. Im Besitz dieses Kommunisten befand sich nämlich eine Anweisung der tschechischen Staatspolizei zum Erwerb einer Handfeuerwaffe und 200 Schutz Muni tion. Dieser amtliche Ausweis war in deutscher und tschechi scher Sprache abgefaßt. Dieses Dokument, das in die Hände der deutschen Polizei gefallen ist, bringt eindeutig den Beweis dafür, daß entgegen den Behauptungen der Prager Regierung, die Kommunisten, insbesondere die rote Wehr in den Grenzgebieten systematisch bewaffnet worden sind. Andere Flüchtlinge, die in den Lagern von Sebnitz uns Felsenmühle eintrafen, berichten zu der Bewaffnung der Kommunisten noch folgende Einzelheiten: Die Kom munisten, insbesondere die Angehörigen der Roten Wehr, erhalten auf ddn Militärmeldestellen der Tschechen gegen Vorweisung ihres Ausweises der Roten Wehr Uniform, Waffen und Munition. iL: Hussitengrcuel über Deutschland. Aus einer Nürnberger Chronik des XV. Jahrhunderts. Dies Bild stammt' von dem Zeichner Bartholomäus Zeitblom. Archiv Matern-Verlag (M) Soldat ungarischer Nationalität ermordet Maschincngcwchrnest im Zollhaus. Am 14. Sep^mbcr wurde in einem Unterstand am Kreitheiler Berg, nördlich des auf tschecho slowakischem Staatsbodcn liegenden Dorfes Gnadlcrsdorf ein tschecho slowakischer Soldat ungarischer Nationalität nach einem Streit von einem tschechischen Soldaten mit einem Militär- gcwehr erschossen. Der Ungar wurde in den Kops getroffen und war auf der Stelle tot. Die Leiche wurde mit einem Lastauto nach Znaim gebracht, wo als Todesursache Selbstmord angegeben wurde. Als keine Bestrafung des Täters erfolgte, beschlossen die übrigen Soldaten ungarischer und sudetcndeutscher Nationalität, auf deutsches Gebiet überzutreten. Bei die sem Versuch kam es bei dem Dorf Mitterretzbach zu einem Feuerkampf zwischen den sechs Soldaten und der Be satzung des Zollhauses von Gnadlcrsdorf. Der Feuer kampf zog sich mehrere Stunden hin, bis vom Zollhaus das Feuer eingestellt wurde und die Soldaten ungefährdet die Grenze überschreiten konnten. Zwei der Soldaten haben leichte Schußverletzungen. Das Zollamt war mit zwei Offizieren, 24 Mann und zwei Maschinengewehren besetzt. Llngarn fordert Selbstbestimmung Telegramme an den Führer, Mussolini, Chamberlain und Daladier. Der Präsidialrat der ungarischen Revisions-Liga richreie an den Führer, an Mussolini, Chamberlain. Daladier und General Skladkowski Telegramme, in denen die ungarische Revisions-Liga ihren Dank ausspricht für die zur Erhaltung des Friedens in diesen für Europa und die ganze Welt eni- scheidenden Stunden entfalteten Anstrengungen. Die Revi sions-Liga erinnert dann an die Lage der ungarischen Minder heit in der Tschecho-Slowakei und fordert zwecks Sicherung eines gerechten, dauerhaften Friedens in Europa und der Welt im Namen des gesamten ungarischen Volkes aus zur sofortigen Anwendung des Selbstbestimmungsrechies der Völker für das von dem 1000jährigen Ungarn losgerissene und dem tschecho-slowakischen Staate einverleibte Territorium. die Flucht ergriffen, weil ich nicht mutig genug bin, Sie wiederzusehcn. Lieber Luks Degenhardt... muß ich noch mehr sagen, damit Sie mich verstehen? Sie haben in mein bis dahin so ruhiges, nur der Kunst gewidmetes Leben eine große Freude, aber auch eine große Unruhe hineingetragen. Für beides danke ich Ihnen, dennoch bitte ich Sie: Lassen Sie mich meine Ruhe und Sicherheit wiederfinden, und seien Sie nicht traurig... Ihre Irene Velden." Luks las diesen Brief viele Male, und mit jedem Mal" wurde er fröhlicher. Er dachte gar nicht daran, traurig zu sein; denn was zwischen diesen Zeikbn stand, war so be glückend, daß Irenes Entschluß und ihre Bitte immer weiter in den Hintergrund rückten, und so wenig er daran dachte, ^traurig zu sein, so wenig dachte er daran, diese Bitte zu ^erfüllen. „O Frau, du kennst den Luks Degenhardt nicht, und du kennst auch dich selbst noch nicht. Du willst um deiner Kunst willen vor der Liebe die Flucht ergreifen und weißt nicht, daß gerade sie es ist, die dein Können zur höchsten Entfaltung und Reife tragen würde, wenn du dich gegen sie nicht sträubtest", sprach er in den Brief hinein, als sähe ihm daraus Irenes schönes, schmales Antlitz entgegen. Sein gutes Gedächtnis hätte den Namen der Gräfin Ritt berg in Tegernsee behalten, ihr Haus würde ja wohl nicht schwer zu finden sein. Also auf — nach Tegernsee! Vor dem Friedhof in Egern machte er halt, legte die welkenden Blumen auf Ludwig Thomas Grab und grüßte in stillem Gedenken den Dichter seiner schönen Heimat. Ich lebe noch, und ich will auch ein Dichter werden, jubelte es in ihm, als er weiterfuhr. War nicht alles Leben wundersamste Dichtung? Und war die Liebe darin nicht Gottes schönster und erhabenster Schöpfersang? Man mußte nur Augen haben, um es sehen, feine Ohren und Sinne besitzen, um es hören und fühlen zu können. Das kleine Landhaus der Gräfin lag auf einer Anhöhe mit dem Blick über den See. Blühende Geranien rankten sich über die Geländer der Balkons und flammten in Kästen vor den Fenstern. Im Garten vor den Hochstammrosen stand eine zierliche, alte Dame mit einem schwarzen Spitzeyhäubchen auf schnee weißem Haar. Sie schaute auf, als Luks die Pforte öffnete, sich ihr näherte und seinen Namen nannte. „Verzeihen Sie die Störung, gnädigste Frau Gräfin, ich bin ein Freund Irene Veldens und wollte, wenn Sie ge statten, ihr meinen Besuch machen." Die alte Dame sah ihn ein wenig mißtrauisch an. „Irene Velden hat keinen Freund!" Ein leiser Tadel lag in dieser Entgegnung, aber Luts ließ sich nicht einschüchtern, auch stimmte ihn diese Zurechtweisung, die bestätigte, was Lisa ihm bereits zu verstehen gab, nur noch glücklicher. „Es tut mir unendlich leid, bei meiner Behauptung bleiben zu müssen, Frau Gräfin. Fräulein Velden wird Ihnen gewiß Aufklärung über mich geben, wenn Sie die Güte hätten, mich ihr melden zu lassen." Die Gräfin wiegte sanft den Kopf und wußte nicht recht, was sie mit dem jungen Mann, der so selbstsicher und mit so herzgewinnendem Lachen vor ihr stand, anfangen sollte. „Die Damen sind aber noch gar nicht da, sie wollten erst übermorgen in meinem Hause einkreffen", sagte sie endlich. Jetzt war Luks in Versuchung, mißtrauisch zu sein, aber er unterdrückte diese Anwandlung gleich wieder. Nein, die alte Dame sprach die Wahrheit, aber wo in aller Welt mochten die beiden Schwestern nun stecken? „Dann bitte ich um die Erlaubnis, übermorgen noch ein mal oorsprechen zu dürfen." „Wenn Fräulein Velden Sie zu empfangen wünscht, werde ich nichts dagegen einzuwenden haben. Wie war doch Ihr Name?" ,Luks Degenhardt." Die Gräfin neigte den zierlichen Kopf, als Luks die Hacken zusammenklappte und sich verabschiedete. Merkwürdig, von diesem Freunde weiß ich nichts, dachte sie. Sollte Irene ihn mir unterschlagen haben?