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Donnerstag, d«, 15. September 1S3S Pulsnitzer Anzeiger — Ohorner Anzeiger 3000 Sudetendeutfche geflüchtet Die Bevölkerung mehrerer Orte auf reichsdeutsches Gebiet übergetreten Der größte Teil der Bevölkerung des sudelendeutschen OrteS Schwaderbach, das unmittelbar an der Grenze liegt, ist heute vor anrückendem tschechischen Militär über die Grenze aus reichsdeutsches Gebiet geflüchtet und be findet sich in Sachsenberg-Georgenthal. Am Dienstag hat in Schwaderbach vor dem Zollamt die Gendarmerie von der Arbeit heimlehrende Arbeiter beschossen. Dabei wurde ein Zollbeamter durch eine ver irrte Kugel getötet. Bei der Erwiderung des Feuers durch die Zollwache erhielt ein Gendarm einen tödlichen Schuß. Der Vorfall hat dazu geführt, daß tschechische Polizei und tschechisches Militär den Ort von drei Seiten eingeschlossen und angelündigt haben, daß die Bevölkerung mit Tränengas ausgeräuchert wer- WH den würde. Daraufhin sind die meisten Familien auf deutsches Gebiet geflüchtet. In Breitenbach, einem sudetendeutschen Dorf, bas in der Nähe der deutschen Grenze bei Johanngeor genstadt liegt, ist es am Dienstag ebenfalls zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Bevölkerung gekommen, bei denen die Polizei schließlich den Ort ver lassen mußte. Als sic heute mit großer Verstärkung zurück kam und sofort eine wilde Schießerei eröffnete, flüchtete fast die gesamte Bevölkerung auf deutsches Gebiet. Nach den bisherigen Meldungen schätzt man die Zahl der nach Deutschland übergetretenen Sudetcndeutschen auf insgesamt etwa 3000. Wieder zwei lote in Eser Hauptbüro der Sudetendeutschen Partei von Polizei besetzt In Eger kam es Mittwoch abend erneut zu schwe ren Zusammenstößen. Tschechische Staatspolizer versuchte unter Einsatz von Panzerwagen im Hotel Vik toria, wo sich zur Zeit der Hauptsitz der Sudetendeutschen Partei befindet, eine Hausdurchsuchung vorzu- nehmen, um nun auch die restliche Tätigkeit der Sudeten- deutschen Partei lahmzulegen und das gesamte Sudeten- deutschtum führerlos zu machen. Da zu befürchten war, daß durch Beschlagnahme der Mitgliederlisten Zehntausende von Sudetendeutschen dem schärfsten Terror seitens der Tschcchenpolizei ausgesetzt werden würden, widersetzte sich die Hauswache zunächst dem Eindringen der Polizei. Die Polizei eröff nete darauf das Feuer. Dabei wurde durch einen Querschläger ein tschechischer Polizist getötet. Anschlie ßend drang die Polizei auch unter Anwendung von Ge waltmitteln in das Hotel Welzel gegenüber dem Haupt bahnhof ein, wo sich ebenfalls Büros der Sudetendeut- schen Partei befinden. Sie feuerte ohne Grund in die Räume hinein und tötete dabei einen Mitar beiter der Sudetendeutschen Partei. Abgeordnete der SdP. oor dem Standgericht Ihr Schicksal völlig ungewiß Nach Mitteilung von amtlicher tschechischer Seite sind eine Reihe von sudetendeutschen Abgeordneten und Amtswaltern von der tschechischen Staatspolizei festgenommen und dem Standgericht überstellt worden, das aeaen Ne auf Grund der Ausnahmegesetz Vorgehen Selbstbestimmung werde. "Von sudetendeutscher Seite verlautet dazu, daß nq unter den Verhafteten auch der Abg. Künzel befinde, der versucht habe, in Görkau im westböhmischen Braun kohlenrevier zu vermitteln und dabei von der Staats polizei, der an der Beruhigung der Bevölkerung nichts lag, rücksichtslos festgenommen wurde. Da die Standge richtsbestimmungen sehr scharf sind, bestehen für das Schicksal der sudelendeutschen Führer die schlimmsten Befürchtungen. Standrecht in zwölf Beritten Schärfster Militärtcrror im Sudetenland — Auch aus Grasliy und Joachimsthal ausgedehnt Amtlich wurde verlautbart, daß das Standrecht auch auf die Bezirke Graslitz und Joachimsthal ausgedehnt wurde. Damit ist das Sianrrecht nun über folgende Be zirke verhängt: Eger, GraSlitz, Neudeck, Joachimsthal, Falkenau, Ellbogen, Karlsbad. Kaaden. Pretznitz, Krumau, Tachau und Bischostcinitz. Weltbild-Gliese (M). Zum tschechischen Terror in Sudetendeutschland. Sudetendeutschland steht unter dem Terror des tschechischen Standrechts. Eine befristete Forderung der Sudetendeut schen Partei, Prag zur Achtung der Lebens- und Men schenrechte von 3N Millionen deutscher Männer, Frauen und Kinder zu veranlassen, blieb ohne Erfolg. Sudeten deutschland, dessen am stärksten betroffenen Teil unsere Karte zeigt, steht unter brutalster Gewaltherrschaft des tschechischen Militärs und der Polizei. Die Gebiet«, in denen das Standrecht verhängt wurde, sind auf der Karte besonders hervorgehoben. aller Volksgruppen Graf Esterhazy über die Forderungen des Ungarntums in der Tschecho-Slowakei -MW» si M WP! Graf Johann Esterhazy, der Geschäftsführende Vorsitzende der Vereinigten Ungarischen Partei in der Tschecho-Slowakei, befaßte sich im Rahmen einer Unter redung, die er mit dem Sonderberichterstatter des Regie rungsblattes „Esti Ujsag" in Preßburg hatte, mit dem sog. vierten Prager Vorschlag sowie mit den Forderun gen der ungarischen Volksgruppe in der Tschecho-Slowakei. Dieser neue Plan, so sagte Graf Esterhazy u. a., sei charakteristisch für Prag, denn abgesehen davon, daß er sehr allgemein gehalten sei, verzeichne er dort, wo er „Rechte" gewähre, sofort auch die entsprechenden Ein schränkungen. Die ungarische Volksgruppe in der Tschecho- Slowakei fordere auf allen Gebieten des öffentlichen Le bens die Selbstverwaltung nicht nur für sich, sondern ebenso auch für alle übrigen Volksgruppen in der Tschecho- Slowakei. Die Gewährung der Selb st Verwaltung bedeute aber nur einen ersten Schritt; denn das während der Friedensverhandlungen als Grundsatz aner kannte Recht der Selbstbestimmung könne auch nach der Gewährung der Autonomie von den Volksgrup pen als Forderung nicht fallengelassen werden. Esterhazy betonte ausdrücklich, daß das Ungarntum in der Tschecho-Slowakei mit seinen Forderungen nach Gleichbe rechtigung, Selb st Verwaltung und Selbstbestimmung nicht mehr verlange, wie sei nerzeit die Tschechen, als sic während und nach dem Weltkrieg ihre nationalen Zielsetzungen zu verwirklichen trachteten. Sollte der sogen, vierte Plan der Negierung Hodscha al« Verhandlungsbasis tatsächlich in Betracht kommen, so würden die Ungarn in der Tschecho-Slowakei darauf bestehen, daß Maßnahmen ergriffen würden, um solche Schädigungen der Volksgruppen, wie sie in den setzten zwanzig Jahren vorgekommen sind, zu vermeiden. Außerdem werde man auch aus eine Wiedergutma chung des erlittenen Unrechts nicht verzichten können. Fälschung im tschechoslowakischen Rundfunk 16 Tote und über 200 verletzte Sudetendeutsche ohne Habersbirk — Erklärung von sudetendeutscher Seite Der tschecho-slowakische Rundfunk hat Mittwoch abend eine Erklärung zu den schweren Zwischenfällen ausgege ben, in der er behauptet, daß bisher 23 Todesopfer zu verzeichnen seien, davon 13 Tschechen und 10 Sudeten deuifche. Ferner seien 75 Personen verletzt worden, davon nur 14 Sudctcndcutsche. Von sudclenoentscher Seite wird dazu erklärt, daß es sich hier um eine gerissene und geradezu em- pörendc Fälschung handle, indem von tschechischer Seite eine ganze Reihe von Mitgliedern der Sudetcn- deutschen Partei, die erschossen worden seien, einfach als Tschechen reklamiert würden, weil sie tschechische Namen trügen. In Wirklichkeit habe das Sudetendeutschtum ohne die Vorfälle von Habersbirk bereits 16 Tote zu verzeichnen, während aus feiten der Tschechen bisher sieben Tote zu verzeichnen seien, von denen zwei von tschechischen Kugeln getötet worden seien, während bei fünf Toten die Todesursache ungeklärt sei. Die Zahl der Verletzten auf sudctendeutschrr Seite betrüge über 200, von denen ein großer Teil sehr schwer, zum Teil lebensgefährlich verletzt worden sei. Die Terrorisierung der Bevölkerung, insbesondere einer Reihe von Grenzorten, halte an. Gestellungsbefehle, für SudetendeuMe Mau leistet keine Folge Im sudeteudeutschen Gebiet haben viele Tausende von Sudetendeutschcn heute vom tschechischen Militär auf wenige Stunden befristete Gestellungs befehle erhallen. Wie dazu berichtet wird, leisten die Sudetendeutschen den an sie ergangenen Einrückungsbesehlen der tschechi schen Regierung keine Folge. „Japan steht aus ketten Deutschlands" Warme Zustimmung der japanischen Presse zur Erklärung des Sprechers des Auswärtigen Amtes Die Erklärung des Sprechers des Auswärtigen Am ies, der, wie gemeldet, die vollste Anerkennung und Zu stimmung Japans zu den Forderungen des Führers in der sudetendeutschen Frage zum Ausdruck gebracht hatte, hat in der japanischen Presse stärksten Widerhall gefunden. Alle Blätter unterstreichen die große Bedeutung dieser Erklärung und machen sich die Stellungnahme des offi ziellen Japan ausdrücklich zu eigen. Sie heben sämtlich ohne Ausnahme hervor, daß Japan dem befreundeten Deutschen Reich bei seinem Kampfe für das Lebensrecht der Sudetendeutschcn vollsten Erfolg wünscht und allen feindlichen Machenschaften, woher sie auch immer kommen mögen, energisch entgegengetreten wird. Nr. 21« — Sette 2 Prager Mlnifterkomttee biskutterte Am Mittwoch fand um 18.15 Uhr eine Sitzung des politischen Ministerkomitees statt, das unter dem Vorsitz deS Ministerpräsidenten Dr. Milan Hodscha alle Maß nahmen zur „Ausrechterhaltung der Ruhe und Ordnung" diskutierte. Besprechmsen in Rom Der englische Geschäftsträger beim italienischen Außen minister Der englische Geschäftsträger ist Mittwoch abend vom italienischen Außenminister empfangen worden. Die Un terredung, die aus englischen Wunsch erfolgte und etwa eine halbe Stunde dauerte, galt — wie allgemein ange nommen wird — der sudetendeutschen Frage. Unter der Ueberschrift „Die Verantwortung der De mokratien" weist der Direktor der „Tribuna" nach drücklich darauf hin, daß die Lösung der Lage von der Annahme oder Ablehnung des Selbstbestimmungsrechtes abhänge, d. h. eines Grundsatzes, der nach jahrzehntelan gen heuchlerischen Redensarten seiner ursprünglichen Bannerträger endlich einmal am rechten Platz zur An wendung komme. Durch die Ablehnung dieses Grund satzes stellten sich die sog. großen Demokratien mit sich selbst in Widerspruch. Die Verantwortung der Stunde liege nicht nur bei Prag, sondern ebensosehr bei seine« Helfershelfern, und zwar in einem Augenblick, wo die Brüchigkeit der Tschecho-Slowakei, „dieses Meisterwerkes von Versailles", immer deutlicher offenbar werde. Keine SowjeMuppen -vr- Rumömen Moskaus Druck auf Bukarest ohne Erfolg Rumänischer Ministerrat einberufen Nachrichten aus bester Quelle zufolge habe, wie „Agencia Stefani" aus Bukarest erfährt, König Carol eine persönlichcBotschaftanVenesch gerichtet, die in Uebereinstimmung mit den Ideen sür eine fried liche Lösung der tschecho-slowakischen Frage stehe. Außer dem Halle König Carol aus eigener Initiative Außen minister Comnen gebeten, den Vorsitz in der Genfer Liga nicht anzunehmen, um so mehr, als der auf den Außen minister ausgeübte Druck von sowjetrussischer Seite aus ging. Weiterhin sei Außenminister Comnen, auf den in seinen Besprechungen mit Litwinow und Bonnet ein star ker Druck ausgeübt worden sei, um den Transport fowjctrutischer Truppen und sowjetruffischen Kriegsmaterials durch Rumänien zu gestatten, auch von Bukarest mitgcteilt worden, daß sich Rumäniens Haltung nicht ändere und daß derartige Forderungen absolut nicht an genommen werden können. Rumänien, so erklärte man in Bukarest, bleibe in dieser Frage der von König Carol eingeschlagenen Linie unbe dingt treu und das heiße Ablehnung der sowjetruffischcn Forderung. Diese Linie sei bereits vor einigen Tagen dem Vertreter der „Agencia Stefani" von der für die rumänische Außenpolitik verantwortlichen Stelle bestätigt worden. Der rumänische Ministerrat ist für Mitt woch abend 22 Uhr einberufen worden. Der Reichsauhenminister zur bevor stehenden Unterredung des Führers mit Chamberlain Einr Unterredung mit Ward Price München. Der Reichsminister des Auswärtigen hat am Mittwoch den bekannten Journalisten Ward Price empfangen und sich über Den bevorstehenden Besuch des britischen Pv»? nuerministers wie folgt geäußert: < Ms Reichsminister des Auswärtigen kann ich Ihnen vr» sichern, daß der Entschluß Neville Chamberlains, den Führer zu besuchen, mich mit aufrichtiger Befriedigung erfüllt hat. Ich bin davon überzeugt, daß eine Persönliche Aussprache zwischen den Heiden Regierungschefs sowohl zur Herbeiführung einer Lösung der Sudriene-Frag: als auch für die Gestaltung der Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern bedeutsam sein kann. Ls ist von jeher mein Wunsch gewesen, daß der Führen und Der Chef der britischen Regierung zusammentreffen soll ten, und ich freue mich, daß dieser Wunsch nunmehr durch Mr. Neville Chamberlain, dessen reale Einstellung zu Den Pro blemen ich während meiner Anwesenheit als Deutscher Bot schafter in London schätzen lernte und von dessen persönlichem guten Willen ich fest überzeugt bin, verwirklicht wird. Daladier zur Reife Chamberlains nach Deutschland Auf dir Initiative Les französischen Ministerpräsidenten Paris. Don Der Agentur Havas über die Abreise Chamberlains nach Deutschland befragt, erklärte Minister präsident Daladier wörtlich: „In Anbetracht der schnellen Abwicklung der Ereignisse in der Tschecho-Slowakei, durch die lokale Verhandlungen sehr schwierig gestaltet wurden, habe ich gegen Ende -es gestrigen Nachmittags (Dienstag) die Initiative ergriffen, eine pcrsön? siche und direkte Fühlungnahme mit dem britischen Ministers' Präsidenten aufzunrhmrn, um mit ihm zusammen die Möglich? keit eines außerordentlichen Vorgehens ins Auge zu fassen, Las gemeinsam mit Deutschland Lie Aebrrprüfung der wirksamsten Mittel für die Sicherung einer freundschaftlichen Lösung des Streitfalles zwischen den Sudetendrutschen und der Prager Regierung und damit dir Erhaltung des Friedens in Europa erlaubt. Ich bin besonders glücklich über das Aeberrinstimmen der Ansichten der beiden befreundetem Regierungen." Prag hält den Atem an I» Erwartung der Aussprache Adolf Hitlers mit Chamberlain Prag. Die Meldung von der bevorstehenden Zusammen" kunst zwischen Dem Führer und Neville Chamberlain hat M Prager politischen Kreisen außerordentlichen Eindruck gemacht- Als einziges Blatt veröffentlicht allerdings bisher das „Prager Tagblatt" die Nachricht und zwar ohne Kommentar.