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Pulsnitzer Anzeiger Ohorner Anzeiger Haupt- und Tageszeitung für die Stadt und den Amtsgerichtsbezirk Pulsnitz und die Gemeinde Ohorn Diese Zeitung erscheint täglich mit' Ausnahme der gesetzliche« Gom>' mW Feiertage. Der Bezugspreis beträgt bei Abholung wöchentlich 45 Rpf-, bei Lieferung frei Hauk 50 Rpf., Postbezug monatlich 2.80 NM. Im Falle höherer Gewalt oder sonstiger Betriebsstörungen Hai der Bezieher keinen Anspruch auf Lieferung der Zeitung ober Rückzahlung des Bezugspreises. — Preise und Nachlaßsätze bei Wiederholungen nach Preisliste Nr. S — Für das Erscheinen von Anzeigen in bestimmten Nummern und an bestimmten Plätzen keine Gewähr. Anzeigen sind an den ErschetnungStagen bis oorm. 10 Uhr aufzugeben. — Verlag: Mohr K Hoffmann. Druck: Karl Hoffmann «. Gebrüder Mohr. Hauptschriftleiter: Walter Mohr, PulSnitz; Stellv.: Walter Hoffman«, PulSnitz. Verantwortlich für den Hetmatteil, Sport u. Anzeigen Walter Hoffmann, PulSnitz; für Politik, Bilderdienst und den übrigen Teil Walter Mohr, Pulsnitz. D. A. IX.: 2200. Geschäftsstellen: Albertstr aße 2 und Abols-Hitler-Straße 4. Fernruf 518 und 550 ^er Pulsnitzer Anzeiger ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft zu Kamenz, des radikales zu Pulsnitz und des Gemeinderates zu Ohorn behördlicherseits bestimmte Blatt und enthält Bekanntmachungen des Amts gerichts Pulsnitz, sowie des Finanzamtes zu Kamenz 88. Jahrgang Mittwock- den 21. Oktober 1936 Nr. 247 Graf Cianos politische Mission Herzliche Begrüßung des italienischen Gastes Der italienische Außenminister Graf Ciano ist am Dienstagabend in der Reichshauptstadt eingctroffen. Der italienische Gast kam im direkten Zug von Nom über München. Auf dem Münchener Hauptbahnhof wurde Graf Ciano von dem italienischen Botschafter in Berlin, Reichsmini ster Dr. Frank und dem Münchener Oberbürgermeister Fiehler herzlich begrüßt. Im Königssalon des Bahnhofs unterhielt sich Graf Ciano in angeregter Weise mit den deutschen Herren. Dann trat der italienische Außen minister in Begleitung von Dr. Frank die Weiterfahrt nach Berlin an. Der Empsang Limor in Berlin Am Dienstag gegen 20 Uhr traf der italienische Mini ster des Aeußern, Graf Ciano, zu einem offiziellen Besuch der Reichsregierung auf dem Anhalter Bahnhof in Berlin ein. In feiner Begleitung befanden sich die Gesandten Buli. Gras Bitetti Grazzi. der stellvertretende Protokollchef, Graf Littadini, der Vizekavinetksches Lommendatore Anfuso sowie die Vizekonsuln Marquis Lanze d'Aseta, Marquis Sonselice di Montsorte, Lao. Bellia und der italienische Botschafter Attolico, der dem Grafen Ciano nach München enkgegenge- fahren war. Im Auftrag des Führers und Reichskanzlers begrüßte der Staatssekretär und Chef der Präsidialkanzlei, Meiß ner, den italienischen Minister des Aeußern und seine Begleitung; ferner hatten sich zur Begrüßung der italieni schen Gäste eingefunden der Reichsminister des Aeußern von Neurath, der stellvertretende Staatssekretär Dieck hoff, der Chef des Protokolls, Gesandter von Bülow- Schwante, im Auftrag des Oberbefehlshabers der Luftwaffe, Generalmajor Dransfeld, sowie der Kommandeur der Leib standarte „Adolf Hitler", Obergruppenführer Sepp Diet rich, und der Jtalienreferent im Propagandaministerium, Dr. C. Willis. Von italienischer Seite waren unter Führung des Bot schaftsrats Graf Magistrats die Mitglieder der Botschaft anwesend, außerdem der italienische Generalkonsul Mon delli und zahlreiche Mitglieder des Fascio, der Ballila und der italienischen Kolonie. Eine Ehrenkompanie der Leib standarte „Adolf Hitler" erwies den italienischen Gästen unter den Klängen der italienischen Nationalhymnen dis Ehrenbezeugung. Graf Ciano spricht am Mttwoch in einer Kund gebung, die das Gebiet Berlin der Hitler-Jugend abhält, und bei der auch Reichsjugendführer von Schirach das Wort ergreifen wird. Richt besser kann der freundschaft liche Geist charakterisiert werden, unter dem der Besuch Cianos in Deutschland steht. In offenen Worten und ernsthaftem Gedankenaustausch sollen die Probleme der europäischen Politik behandelt werden. Dazu bedarf es keiner Umwege über internationale Versammlungen, das geschieht am zweckmäßigsten in der Aussprache von Mann zu Mann zwischen den Verantwortlichen Männern der betreffenden Staaten. In diesem Sinne begrüßen wir Cianos Besuch. Das Wettecho -es italienischen Besuches Die gesamte Weltpresse verfolgt den Besuch des ita lienischen Außenministers in Deutschland mit großem Interesse und stellt umfangreiche Vermutungen und Be- trachtnngen über das Ausmaß der deutsch-italienische» Besprechungen an. London: Vier Hauptpunkte Unter den englischen Blättern gibt der Berliner Kor respondent des „Daily Telegraph" die allgemeine Auffassung dahin wieder, daß mit einer engeren Verstän digung zwischen Deutschland und Italien zu rechnen sei. Folgende vier Hauptpunkte würden erörtert werden: die geplanten Fünf-Mächte-Besprechungen, die Möglich keit einer deutsch-italienischen Vereinbarung über Oester reich, die zukünftige Stellungnahme Berlins und Noms zum Völkerbund und die spanische Frage. Der römische Vertreter der „Morning Post" erwar tet, daß eine gemeinsame Front in der Frage der Völker bundsverfahren und hinsichtlich Spaniens und Sowjet- rußlands gebildet werde. Paris: Auseinandergehende Meinungen In der Pariser Presse gehen die Meinungen über die auf der Tagesordnung stehenden Fragen auseinander. Einerseits will man der Reise Cianos nur einen all gemeinen Charakter zubilligen; andererseits „befürchtet" man, daß Deutschland und Italien doch vielleicht irgend wie feste Bindungen eingehen könnten, deren Auswirkun gen für die französische Politik nur neue Unannehmlich- keiten mit sich bringen würden. Der Außenpolitiker des „Journal", Saint-Brice, stellt bei seinen Betrachtun gen die Reise Cianos in den großen Zusammenhang der europäischen Politik. Er schreibt u. a., daß diese Reise sich in einer an Ueberraschungen so reichen Zeit durch eine lange Vorbereitung auszeichne. Dieser Punkt ver diene, festgehalten zu werden. Die „Figaro" bringt die Meldung seines römi schen Korrespondenten, wonach in Rom der Parallelis- mus der deutschen und der italienischen Stellungen her vorgehoben werde, woraus schließen müsse, daß beide Regierungen entschlossen seien, sich gegenseitig vorbehalt los in den wesentlichen Punkten einer europäischen Po litik zn unterstützen. Die italienische Regierung werde auf ihrem durch die Protokolle von Rom vorgezeichneten Wege beharren, d. h. Reorganisierung des Donaubeckens mit wirtschaft licher Unterstützung des Reiches, aber in voller politischer Unabhängigkeit nnd unter moralischer Leitung Italiens. Warschau: Gegenseitige Freundschaft Zum Besuche des Ministers Ciano in Berlin heißt es in einem römischen Artikel der „Gazeta Polsk a", man könne natürlich noch nicht die Ergebnisse des Ber liner Besuchs voraussehen, aber man könne schon einige Tatsachen feststellen, die für den Besuch charakteristisch seien. Als solche nennt der Artikel die Hinweise der ita lienischen Presse auf die Wichtigkeit des Besuches Cianos sowie ihre Zitate aus ausländischen Blättern, die aus die ausgezeichneten Beziehungen zwischen Deutschland und Italien Hinweisen. Der italienische Minister werde in Deutschland, schließt „Gazeta Polska", zweifellos sehr herzlich empfangen werden; denn es seien wichtige Gründe für beide Staaten vorhanden, ihre gegenseitige Freundschaft und Zusammenarbeit zu manifestieren. Rom: Gemeinsame positive Aktion Sehr umfangreich sind natürlich die Kommentare der römischen Blätter und der Zeitungen aus der italieni schen Provinz. Das „Giornale d'Jtalia" schreibt u. a.,- es handele sich nicht nur darum, die natürliche Ueber einstimmung bestimmter Anschauungen und Interessen zu! betonen, sondern auch darum, bei diesen Besprechungen klarzustellen, daß die italienisch-deutschen Beziehungen im Rahmen der europäischen Politik eine positive Entwick lung zu fördern vermögen. Notwendig sei daher im gegenwärtigen schwierigen Zeitpunkt eine positive Aktion Italiens und Deutsch lands, und man habe, wie in Berliner Kreisen ver sichert werde, sowohl in Berlin wie in Rom den Vor satz, nichts unversucht zu lassen, damit die internatio- ! nale Atmosphäre eine wirksame Verbesserung erfahre. > Der erste Abschnitt dieser Anstrengungen werde einer gründlichen und erschöpfenden Prüfung der Lage unter Berücksichtigung aller Fragen dienen müssen, wobei die mehr oder weniger unmittelbare Möglichkeit von Ver-> Handlungen mit den übrigen europäischen Mächten und! in allererster Linie in bezug auf eine neue Westmächte- Vereinbarung beachtet werden müsse. Unter der Ueberschrift: „Stärkste Genugtuung in Deutschland" schildert der Berliner Vertreter des „Po- polo di Roma" die Volkstümlichkeit, die der jugend liche italienische Außenminister seit langem in Deutsch land genieße. Der Korrespondent erinnert ferner an die „untadelige neutrale Haltung" des Reiches und der deut schen Presse während des ganzen abessinischen Feldzuges und des Sanktionskrieges. Diese Haltung habe die Grundlage für die italienisch- deutsche Freundschaft geschaffen. So stehe man nach An sicht des genannten Berliner Vertreters vor einer „poli tischen Begegnung, die vielleicht dazu bestimmt fein werde, die tiefsten Spuren in der Geschichte des im Aufbau be findlichen Europa zu hinterlassen". Auch die norditalienische Presse unter streicht die große politische Bedeutung der Reise des ita lienischen Außenministers Graf Ciano nach Berlin. Der „Corri ere della Sera" schreibt, das Zusammen treffen Cianos mit den Leitern der deutschen Politik habe weder platonischen noch demonstrativen Charakter, son dern sei ein Element der Mion und der Zusammen arbeit zwischen zwei Ländern, die in der Lage seien, ver schiedene große und kleine Fragen des gegenwärtigen Europa unter dem gleichen Gesichtspunkte zu betrachten. Weder Deutschland noch Italien wünschten, die Probleme ohne oder gegen die Gesamtheit der an deren europäischen Staaten zu lösen, aber sie müßten auch dem bösen Willen Rechnung tragen, mit dem jene Staaten den wichtigsten Fragen gegenüber- getreten seien, sowie dem geringen Gerechtigkeitssinn, den sie bei den gescheiterten Lösungsversuchen gezeigt hätten. Letztere hätten Schiffbruch erlitten, da man weder die Rechte Ita liens noch jene Deutschlands habe berücksichtigen wollen. Der Wiederaufbau Europas, den man nun seit fünfzehn Jahren anstrebe, könne nicht begonnen werden, wenn man nicht mit realistischem Sinne Deutschlands und Italiens Stellung auf dem internationalen Gebiete anerkenne. Wenn aber ein allgemeiner Wiederaufbau bis jetzt aus geblieben sei, dann dürfe niemand überrascht sein, wenn Rom und Berlin unter sich einen Plan sür eine einträch tige friedliche Aktion verwirklichen. „Gazzetta del Popolv" erklärt, wenn der Be such des Grafen Ciano keinen konkreten Zweck und kein politisches Ziel hätte, so würde er gar nicht erfolgen. Ein fache Höflichkeits- oder Unterhaltungsbcsnchc im Ausland wären für den Außenminister eines so realistischen Landes wie des faschistischen Italiens jetzt nicht an der Zeit. Die doppelte Bedeutung des Berliner Besuches Die bereits erwähnte Mailänder Zeitung „Cor- riere dela Sera" bringt den Besuch des italieni schen Außenministers in Berlin in Zusammenhang mit der Erteilung außerordentlicher Vollmachten an Minister präsident Göring zur Durchführung des Vicrjahrcsplanes. Das Blatt schreibt u. a., Hermann Göring, der un mittelbarste und engste Mitarbeiter Hitlers, habe mit dem Auftrage des Führers außerordentliche politische Voll machten für die Ausführung des Vierjahresplanes und die Mobilisation aller Kräfte der Ration. Er werde da mit unmittelbar nach dem Führer die mäch tigste Persönlichkeit des Staates. Politik und Wirtschaft seien Gebiete, die sich in der gegenwärti gen Lage Deutschlands überschnitten, da die wirtschaft lichen Fragen von den politischen und umgekehrt beein flußt würden. Infolgedessen sei eine einheitliche Zusammenfassung der Führung notwendig. Die Aussprache, die Graf Ciano mit Göring drei Tage nach dessen Ernennung zum Be vollmächtigten des Vierjahresplanes haben werde, sei des halb von allergrößter Wichtigkeit.