Volltext Seite (XML)
Donnerstag, den 16 Iul> <936 Pulsnitzer Anzeiger Nr. 164 Seile 8 Nr. 32 H936 Altmeister Borchmeyer: „Mein Herz gehört dem Fußball" Seit sieben Jahren Extraklasse - Training auf dem Nasen — Erste Versuche im Dreisprung Einer unserer bekanntesten Leichtathleten ist der Sprinter und mehrfache Deutsche Meister Erich Borch- mener-Stuttgart, der mit seinen 31 Jahren noch zu den besten Kurzstreckenläufern zählt, wenn er auch fehl bei den Meisterschaften seinen Titel an einen Jüngeren abgeben mutzte. Zwischen allen erd enklichen Utensilien, die ein Sportler braucht, sitzen wir uns in einem Sportgeschäft gegenüber, und Erich Borchmeyer oder „Erka", wie sie ihn nennen, erzählt von seiner sportlichen Arbeit. ,Zch bin ja nicht gleich Leichtathlet gewesen, sondern habe früher Fuß- Borchmeyer. (Wagenborg-Bildarchiv.) ball gespielt. Zwar habe ich mich mit 16 Jahren schon einmal auf der Aschenbahn versucht, ohne daß sie mich fesseln konnte. Mein Herz gehörte damals dem Fußball; später waren es die großen Erfolge eines Houben und Jonath, die mich mit 21 Jahren wieder zur Leichtathletik brachten. Ich begann ernstlich zu trainieren und lief ein Jahr lang jeden Morgen lange Strecken. Anschließend begann ich mit dem Spezialtraining für den Sprint und lief die 100 Meter in 11,3 und 11,4 Sekun- nen. Aber schon im folgenden Jahr kam ich unter 11 Se kunden und langsam ging es aufwärts. Mein Weg führte mich dann nach Hannover, Bochum und schließlich nach Stuttgart. Seit 1929 darf ich mich zur deutschen Spitzen klasse rechnen, allerdings war ich bei den Meisterschaften dieser Jahre der ewige Dritte. 1933 glückte mir zum erstenmal der große Wurf und ich wurde Deutscher Meister über 100 und 200 Meter. Seither habe ich dreimal den Titel über 100 Meter und zweimal über 200 Meter er rungen. Mein erster internationaler Start war gegen den Holländer van den Bergh in Essen, wo ich über 200 Meter geschlagen wurde." „Wie wickelt sich Ihr Training ab, Herr Borch meyer? Haben Sie einen Lehrmeister, der Sie überwacht oder sind Sie auf sich allein angewiesen?" — „Ich trainiere ganz allein nach einem festen Plan, der sich aus meiner langen Praxis ergeben hat. Besonders den Ameri kanern habe ich viel von ihrer Arbeitsweise abgesehen und stehe heute noch mit amerikanischen Sportfreunden in stän digem Briefwechsel. Meine Trainingsarbeit aber sieht so aus: Zwei Tage in der Woche nehme ich mich hart heran. Zunächst wird eine Runde über 400 Meter gelaufen, etwa in 51 Sekunden. Nach kurzer Pause wird Zweck gymnastik getrieben und dann laufe ich etwa fünfmal über 200 Meter, aber auf dem Rasen, weil er weicher ist und die Muskeln nicht so schmerzen. Zeit: etwa 23 bis 24 Sekunden. Wieder kurze Pause, und dann übe ich 10 bis 15 Starts bis zu 30 Meter. Der Abschluß dieser harten Arbeit ist wieder eine Runde auf dem Rasen. Dauer der Arbeit rund zwei Stunden. An den anderen drei Trai ningstagen der Woche steht mein Programm so aus: Die Arbeit ist leichter, lockerer und ich laufe wieder auf Rase» 100 bis 300 Meter. Dem folgt Zweckghmnaftik und zwei bis drei 50-Meter-Läufe mit Start. Sehr wichtig sind Steigerungsläufe über 130 Meter, die ich m»t drei Kameraden unternehme. Sie laufen die Innenbahn und ich mutz außen michalten. Zum Abschluß übe» wir Stab wechsel, übrigens das beste Training für Sprinter. Neuerdings habe ich mich einmal im Dreisprung »ersucht. Hein (Hambrug) daß es diesmal klapptl H. Br. Long (Leipzig) (Scherl.) die Sprirlger bescherten uns zwei freudige Ueberraschun- gen. Wöllner (Leipzig), im Vorjahr noch Dritter, stürzte nach 14 Jahren den Dreisprungrekord und kam so als erster Deutscher über die 15-Meter-Grenze. Daß Long mit einem — man kann nicht anders sagen — verunglück ten Sprung Europarekord im Weitspringen mit 7,82 Meter schaffte, stellt ihm das beste Zeugnis aus. Auch Leichum ist in guter Form, wenn er auch ruhig die 100 Meter hätte mitlaufen können. Dagegen ist es schade, daß Borchmeyer nicht im Dreisprung vertreten war. Die Enttäuschungen waren das Hoch- und Stabhochspringen. Daß wir im Stabhochspringen gegen die Amerikaner keine Medaille gewinnen können, wußten wir auch so. Wein- kötz dagegen dürft» bei größerer Gegnerschaft so bedeu tend besseren Leistungen befähigt sein, und wir hoffen, daß er in diesem Jahr noch die zwei Meter überspringt. Eines wissen wir aber bestimmt: Daß wir eine gute Mannschaft beisammen haben, die alles bei den Spielen tun wird, um zu deutschen Erfolgen zu kommen. Noch niemals Hst es zu einer Goldmedaille bei den Leicht athletik-Wettbewerben der Männer gereicht. Hoffen wir, dem immer noch schwachen Stück gewann. Schließlich dür fen wir uns über Hein freuen, der den Hammer fast regelmäßig über 54 Meter weit wirft und damit zur Zeit auch international der beste Mann ist. Auch - Das wichtigste Ereignis der deutschen LeichtLthletik f vor den Olympischen Spielen liegt hinter uns. Die Deutschen Meisterschaften haben uns manche wertvolle Lehre für die nächste Zukunft erteilt, sie haben — und das ist mit die wichtigste Tatsache, den Sieg der Jugend bestätigt. Waren im vergangenen Jahr noch die Altmeister in der Ueberzahl, so bilden sie jetzt die Ausnahmen. Beachtlich ist auch der große Erfolg der systematischen Trainingsarbeit für die Olympischen Spiele, der sich in einer weiteren Steigerung der Durch- s ch n i t t s l e i st u n g e n zeigt. Die Meister waren nur selten hochüberlegen, meistens gab es harte Kämpfe um Sekundenbruchteile oder Zentimeter, die über Sieg oder Platz entschieden. Nicht nur die Meister sind also gut, sondern auch die, denen das Glück nicht so hold war. Bedauerlich nur, daß die Bahn nicht in einem Zustand war, der für die Meisterkämpfe erforderlich gewesen wäre. So gab es lediglich in dem technischen Hebungen neue H ö ch st l e i st u n g e n, die aller dings sehr beachtlich sind und uns gute Aussichten für die nächste Zukunft eröffnen. Bei der Betrachtung der Einzelergebnisse muß in elfter Linie Gisela Mau er mayer genannt werden, die ihre Weltrekordserie im Diskuswerfen fortsetzte und damit unter Beweis stellte, daß sie nicht nur über ragend, sondern auch zuverlässig ist. Im Speer werfen kam Tilly Fleischer in Rekordnühe, während sich die Vorjahrsmeisterin Frl. Goldmann nicht einmal in die Endkämpfe bringen konnte. Auch beim Hürdenlauf wurde die Meisterin geschlagen. Frl. Steuer, die eben erst eine Verletzung ausgeheilt hat, ist nach wie vor in der Technik gut, ließ aber bei ihrer Niederlage gegen Frl. Eckert die letzte Kampfkraft vermissen, die sie hoffentlich in den nächsten Wochen noch finden wird. In der sehr schönen Zeil von 11,9 Sekunden verteidigte Frl. Krauß ihren Titel über 100 Meter, aber man muß zugeben, daß alle sechs Teilnehmerinnen des Endlaufes nahezu gleichwertig waren. Die Rekordhalterin im Hochspringen Was lehren -ie Meisterkämpfe? Oie deutschen Leichtathleten sind gut gerüstet — Nicht nur Rekordleistungen, auch guter Durchschnitt ist wertvoll 77- Toni Merkens. (Wagenborg-Archiv.) ZWZ rennen gehen aus der neu erbauten 400-Meter-Bahn neben der Deutschlandhalle vor sich, die als eine der besten Holzbahnen der Welt bezeichnet wird. Das Straßenrennen zelfahren auf Zett, das 1-Kilometer - Mal- fahrender Einzelfahrer, das 2-Kilometer - Z w e i - sitzerfahren und das über 4 Kilometer führende Verfolgungsren nen für Nationalmann schaften. Die Wettbewerbe der Einzelfahrer werden stets in Zweikämpfen durchgeführt, so daß die Zuschauer besonders gut auf ihre Kosten kommen. Beim Verfolgungsrennen starten je zwei National mannschaften gegeneinan der und versuchen, sich zu überholen. Die Bahn- bei den Olympischen Spielen führt über 100 Kilometer. Während früher Einzel start üblich war, wird diesmal erstmalig Massenstart durchgeführt, so daß man tatsächlich auch unterwegs gleich einen Ueberblick über den Stand des Rennens hat. Start und Ziel des Rennens, in dem übrigens die drei Besten jeder Nation auch als Mannschaft gewertet werden, ist auf der Nordkurve der Avus-Rennbahn. Die Strecke führt durch den Grunewald und ist landschaftlich ausgezeichnet gelegen. Deutschlands Stratzenfahrer sind sehr stark, und da die Strecke zum größten Teil flach verläuft, kann man schon annehmen, daß sich unsere Mannschaft gut gegen die starken Franzosen, Italiener und Belgier halten wird. Die Radfahrer Die Radsportwettbewerbe auf den Olympischen Spielen liegen ganz zu Unrecht meistens etwas abseits der Betrachtungen. Sie bringen aber gewöhnlich großartigen Sport und verdienen daher ebenfalls Beachtung. In diesem Jahr ist das besonders der Fall, da wir mit unserem Welt meister Toni Merkens einen ganz großen Favoriten in den „Fliegerrennen" haben. Vier Bahn- und einen . Straßenwettbewerb gibt es. Ans der Bahn gibt es das 1-Kilometer -Ein- Gisela Mauermayer Wvcllner (Leipzig) «Weltbild.) «Schirner.) Frl. Kaun hat ihren Formrückgang noch immer nicht überwunden. Mit 1,58 Meter Höhe blieb Frl. Rat- jen siegreich, die sicher noch besser wird. Nun zu den Männern. Ein Gesamtüberblick zeigt, daß wir heute auch in den Läufen hoffnungs voller ausschauen können. Neckermanns Sieg über die 100 Meter war überzeugend, aber auf den geschlagenen Borchmeyer können wir nicht verzichten, besonders nicht in der Staffel. Daß Schein die 200 Meter gewinnen würde, hatte man kaum erwarten können. Hamann hatte die 400 Meter sicher. Selten hat sich ein neuer Mann so überzeugend durchgesetzt, wie Harbig über die 800 Meter, in denen er Dessecker hinter sich ließ. Harbigs große Zeit kommt erst noch. Schaumburg dagegen, zuver lässig wie immer, holte sich „seine" 1500 Meter, und er wird sich sicher gefreut haben, daß mit dem Rekördmann Raff ein Klubkamerad von ihm die 5000 Meter ge wann, die Schaumburg auch schon einmal in einer Meister schaft an sich gebracht hat. Nass lies wundervoll leicht und verspricht ein zweiter Syring zu werden. Der Wittenberger verzichtete diesmal nach seinem Sieg über die 10 000 Meter auf den Start in der kürzeren Strecke. Ueber die Hürden gab es verschiedene bemerkens werte Ergebnisse. Vor allen Dingen war das Versagen Wegners bedauerlich. Der Schöneberger ist noch nicht wieder von seinen Verletzungen voll hergestellt, und so ver lor er bei der kurzen Strecke schon vor der ersten Hürde die Beine und damit den Anschluß. So kamen Welscher und Scheele zu leichten Siegen. Bester noch allerdings die Werfer und Springer. Woellkes Beständigkeit brachte ihm auch dies mal im Kugelstoßen einen leichten Sieg vor Stück und Sievert. Ebenso überlegen war Weltrekordmann Schröder im Diskuswerfen, wo ihm 49 Meter zum sicheren Sieg genügten. Erfreulich die gute Form von Wei- mann, der mit über 72 Meter das Speerwerfen vor