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Donnerstag, den 16. Juli 1936 Pulsnitzer Anzeiger Str. 164 Seite 6 Aus aller Wett Diamantene Hochzeit eines Lcibgendarms Bismarcks. Das seltene Fest der diamantenen Hochzeit feierte mit sei ner Gattin der 1844 im Dorf Alt-Tramm bei Kolberg geborene Gendarmerie-Wachtmeister August Wilhelm, einst der „Leibgendarm" des Fürsten Bismarck in Friedrichs- ruh. Der 92jährige Gendarm ist der letzte Ueberlebende aus der näheren Umgebung des alten Reichskanzlers. Bei seinem sehr guten Gedächtnis steht ihm die Friedrichs- rnher Zeit Bismarcks in bester Erinnerung. Acht Schiffbrüchige aus Seenot gerettet. Das Mo- torrettungsboot „Lotsenkommandeur von Krohn" der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger, Wil helmshaven, rettete die dreiköpfige Besatzung des Segel bootes „Irene", das mit havarierter Takelage bei böigem Wetter und hartem Ebbestrom ans der Sengwarder Balje nach See trieb und Notsignale zeigte. Gleichzeitig hat das Motorrettungsboot „Bremen" der Station Norderney das manövrierunfähig gewordene holländische Motorfahr zeug „Princcß Juliana" mit drei Mann Besatzung und zwei Frauen glücklich hcimgcbracht. Schwere Ernteschäden in Polen. In vier Kreisen der Wojewodschaft Kielce haben die schweren Gewitter, die in den letzten Tagen mit Wolkenbrüchen und Hagelschlägen über Polen niedergegangen sind, außerordentlich schwere Erntcschäden nach sich gezogen. Sie werden auf rund eine Million Zloty geschätzt. Dorsbrand in der Türkei. Das Dors Goktschcdag bei Balikesir in Westanatolien steht in Flammen. 200 Häuser sind bereits niedergebrannt und mehrere hundert Stück Vieh sind in den Flammen umgekommcn. Eine große Anzahl von Menschen erlitt zum Teil erhebliche Brand wunden oder wurde durch herabstürzende Trümmer ver letzt. Die Löschung des Riesenbrandes wird durch Wasser mangel erschwert. Militär ist zur Hilfeleistung unterwegs. Fortdauer des französischen Werftarbeiterstrciks. Her bereits 20 Tage andauernde Streik auf den Werften in St. Nazaire hält weiter an, wodurch die Abwicklung des französischen Flottenbauprogramms starke Veränderungen erfährt. Die Verhandlungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern sollen am Montag in Paris wiederaufge nommen werden. Vorläufig halten die Streikenden die Werften besetzt. Die Arbeit ruht auf sieben Kriegsschiffen, die sich entweder im Bau oder in Reparatur befinden. Cholera-Impfungen in Alexandrien. Die verhäng nisvolle Tat des betrunkenen englischen Matrosen, der in das bakteriologische Laboratorium der Hafenverwaltung eingedrungen ist und dort Glasbehältcr mit Kulturen von Cholera-Bazillen zertrümmert hat, hat die Behörden zu umfangreichen Vorbeugungsmaßnahmen veranlaßt. 3M Personen, die mit dem Matrosen in Berührung gekom men waren, erhielten 'sofort eine Schutzimpfung gegen Cholera, obgleich es sich um Cholera-Kulturen gehan delt haben soll, deren Bazillen in freier Luft eingehen. Verschwörung in Paraguay aufgcdcckt. Der Polizei in Asuncion ist es gelungen, eine Verschwörung gegen die Regierung aufzudecken, an der mehrere führende Persön lichkeiten des durch die Februarrevolution gestürzten Re gimes beteiligt waren. Der Führer des Komplotts war Oberstleutnant Arturo Bray, der seierzeit von der Re-^ gierung aus Paraguay ausgewiesen und nach Argentinien Verbannt wurde. Es wurde scftgestcllt, das Bray, mit dem verschiedene srühere Offiziere und Politiker verhaftet Worden sind, sich schon seit einiger Zeit heimlich wieder in Asuncion aushielt. 1 Erstbesteigung i» den peruanischen Kordilleren. Zwei österreichische Bergsteiger und zwar das bekannte Mit glied der letzten deutschen Nanga Parbat-Bergfahrt 1934, Erwin Schneider, aus Hall in Tirol und sein Begleiter, der junge Salzburger Awerzger, haben vor kurzem zum erstenmal den 5749 Meter hohen Gipfel Chambara in den Weißen Kordilleren bestiegen. Zwei neue Fälle Wieder zwei Franziskancrbrüdcr verurteilt. Wieder standen zwei Angeklagte in dem großen Aitt- roudikdi - 5uoiri - sviki Die Auserwähtten Für die leichtathletischen Wettbewerbe wurden folgende Deutsche genannt: 100-Metcr-Lauf: Hornberger, Kersch, Borchmeyer. 200-Mctcr-Lauf: Schein, Neckermann, Steinmetz. 400-Mcter-Lauf: Metzner, Klupsch, Blazejezak. 800-Mcter-Lauf: Harbig, Defsecker, Mertens. 1500 Meter-Lauf: Schaumburg, Mehlhose, Böttcher. 5000-Meter-Lauf: Becker, Syring, Stadler. 10 000 Meter-Lauf: Gebhardt, Siegers, Schönrock. 4-mal- 100-Mcter-Staffcl: Leichum, Borchmeyer, Gillmeister, Hornberger. Ersatz: Kersch. Schein, Neckermann, Steinmetz. 4 mal 400-Mcter Staffel: Hamann. Voigt. Harbig, von Stülpnagel. Ersatz: Blazejezak, Klupsch. Metzner, Scheele. 3000-Meter Hindernis-Laufen: Dompert. Heyn, Raff. 110 Meter Hürden: Welscher, Wegner. 400 Meter Hürden: Scheele, Nottbrock, Kürten. Marathonlauf: Barsicke, Bräficke, de Bruyn. Hochsprung: Weinkötz. Martens, Gehmert. Weitsprung: Long, Leichum. Bäumle. Dreisprung: Wöllner. Long, Joch. Stabhochsprung: Müller, Schulz. Kugelstoßen: Woellke, Sievert, Stöck. Speerwerfen: Weimann, Stöck, Gerdes, Diskuswerfen: Schröder, Hillbrecht, Fritsch. Hammerwerfen: Hein, Blask, Greulich. Zehnkampf: Stöck. Huber. Bonnet. 50-K''"mcter-Gehcn: Bleiweiß, Dill. Prehm. Frauen-Wettbewerbe 100 Meter-Lauf: Krautz, Dollinger, Albus. 4-mal 100-Metcr- Staffel: Albus. Dörffeld, Dollinger, Krauß. 80-Meter-Hürdenlaus: Eckert, Steuer, Le Viseur. Hochsprung: Kaun, Natjen. Diskuswerfen: Mauermeyer, Mollenhauer, Hagemann. Speerwerfen: Fleischer, Krüger, Eberhard. ' Die deutsche Boxstaffel Vom Fliegen- bis Schwergewicht: Graff-Hamburgs Schmitz-Dortmund, Büttner-Breslau, Dixkes-Hamm» Campe-Wünsdors, Baumgarten-Hamburg, Jaspers-Stet tin, Runge-Elberfeld. Ersatz: Kaiser-Gladbeck. Stasch- Kassel, Miner-Breslau, Schmedes-Dortmund. Murach- Schalke, Loibl-Ulm, Vogt-Hamburg, Schnarre-Reckling hausen. Die Fechter Männer: Casmir, Eisenecker. Nosenbauer, Jörger (sämtlich Frankfurt a. M.), Heim-Offenbach, Wahl-Frank- furi a. M.. Adam-Wiesbaden, Geiwitz-Ulm, Uhlmann- Ulm, Esser-Düsseldorf, Röthig-Hamburg, Lerdon-Berlin, Schröder-Berlin. Frauen. Mayer-Königstein i. T., Haß- Ossenbach, Olkers-Offenbaw. Deutschlands Hockeyspieler Meßner-Berlin, Beisiegel-München, Hamel-Berlin, Schcrbarth-Berlin, Weitz-Berlin, Kubitzki-Berlin, Mehlitz- Berlin, Cuntz-Franlfun a. M., Huffmann-Essen, Bieber bach Berlin, Raack-Berlin, Schmalix-Berlin, Keller-Berlin» Menke-Gladbach, Gerdes-München, Peter Heidelberg, Dr. Zander-Potsdam. Nus der Heide-Franksun. Kemmer-Ber lin, Okrertt-Nostoa, Warnholtz-Hamburg. lichkcitsprozeß gegen die Franziskanerbrüdcr vor der 3. Großen Strafkammer in Koblenz, und zwar die Kloster brüder Emeran und Candidus. Bruder Emcran war beim Eintritt ins Kloster 18 Jahre alt. Schon nach wenigen Monaten ließ er sich mit Bruder Theodor in unzüchtige Handlungen ein. Nach einjährigem Aufent halt nahm der Bruder auf Veranlassung seiner Eltern wieder seine HandwerkerMigkett im bürgerlichen Leben aus. Auf einen Bries des berüchtigten Bruder Linus ging der Angeklagte wieder kn das Kloster in Boppard. Auch in Darmstadt gab er eine „Gastrolle", wo er mit dem Bruder Viktorian widernatürlich verkehrte. 1928 trat der Angeklagte wegen einer unglücklichen Liebe wie der als Bruder Emeran in das Kloster Waldbreitbach ein und unterhielt mit den Brüdern Hubertus, Achatius, Jordan, Constantin und Wiewald widernatürlichen Ver kehr. Seinem Treiben setzte er schließlich dadurch die Krone auf, daß er sich an zwei schwachsinnigen Zöglingen verging. Entgegen der Auffassung des Staatsanwalts hielt das Gericht die Erziehereigenschaft des Angeklagten nicht für gegeben und verurteilte ihn zu drei Jahren sechs Monaten Gefängnis. Der zweite Angeklagte, Bruder Candidus, der mit 2l Jayren ins Master eingetreten lst, twl ein yalves Jahr nach seinem Eintritt in die Waldbreitbacher Kloster niederlassung dem Bruder Wiewald zum Opfer. Später verging er sich an mehreren Anstaltszöglingen. Das Gericht verurteilte den Angeklagten wegen fortgesetzter widernatürlicher Unzucht zu einer Gefängnisstrafe von 314 Jahren. istgiEchG verheiratet« Seine Aenne weiß „Oie Liebe geht -urch den Magen". Sie kocht ihm öfter seine Lieblings« speisen: Or. «Vetker-Puöüinge. Und im Backen mit „Backin" - dem bewährten Back pulver - ist sie groß. So lebt das junge "paar nach dem Wahlspruch: „Ein Heller Kopf nimmt stets Oetker"! Drautfahvt um Aena vornan von Franz Laver Lappus - vrd<d»r.««chl»Ich»»: vrel o-tleo-veU«^ »oi^drS« l»«». !--»»«>>> Ü5I Gleich hernach fing Lena von Walter zu sprechen an, beschwingt wie bisher und unbefangen. „Sie können sich gar nicht oorstellen, wie zufrieden der Arme jetzt ist. Erst dieser Tage schrieb er mir wieder einen langen, überschweng lichen Brief. Und auch ein Bildchen war dabei, aber warten Sie mal, ich habe es ja bei mir." Damit öffnete sie ihre Handtasche und reichte die Photographie über den Tisch. 1,Der zweite in der vordersten Reihe, das ist er nämlich." Da sie ohne Antwort blieb, sprang sie aus, die schnurrende Angorakatze an sich gedrückt, mit spitzen Fingern wies sie aus eine der Gestalten. „Hier, der mit der Blume im Knopf loch. Nun, finden Sie eine Ähnlichkeit heraus? Er ist zwar viel älter als ich, trotzdem sollen wir einander gleichen, be sonders in der Mund- und Kinnpartie." Thompson murmelte etwas, das nicht zu verstehen war. Er hatte die Augen geschlossen und saß regungslos da, wie benommen von der Nähe des geliebten Gesichts, das seine Wange beinahe berührt hatte. Und auch jetzt, da Lena schon wieder drüben war, lächelte er nur unbestimmt auf das Bildchen hinab „Ja. tatsächlich, die Ähnlichkeit ist groß." Wenig später mahnte er vorsichtig zum Aufbruch. „Gut, gehen wir", stimmte Lena zu Aus dem Thielplatz wartete der offene Wagen, blitzblank und langgestreckt, von vielen Neugierigen bestaunt. „Eine teure Marke", erklärte ein junger Mann seinem Mädchen, anerkennend schnalzte er mit der Zunge „Allerhand, was die Leute Geld haben müssen." Und verstohlen musterten beide das Paar, das gelassen einstieg Zweiunddreihigstes Kapitel Innenminister Grotean war ein erfahrener Kopf, der die Feinheiten der Redetechnik ausgezeichnet beherrschte. So oft er im Parlament oder vor den Senatoren das Wort ergriff, immer wirkte er durch klaren Vortrag, überlegene Ruhe und die kürzeren oder längeren Pausen, die er hin und wieder einschob. So ließ er auch heute, da er die Inter pellation des Abgeordneten Blandsch beantwortete, wieder mehrere Sekunden verstreichen, ehe er zusammenfaßte: „Nach all dem ist kein Grund vorhanden, die Schaffung eines deutschen Kulturhauses in Heidestadt abzulehnen, weder ein sachlicher noch ein persönlicher Grund, was ich ausdrück lich betone. Wenn der zuständige Magistrat trotzdem anders entschieden hat, so nehme ich mit Vergnügen die Gelegenheit wahr, diesen Irrtum hier zu berichtigen. Die Banater Schwaben sind ein Teil der deutschen Minderheit, deren Recht um so mehr respektiert werden muß, als ihre kultu rellen Errungenschasten auch dem ganzen Lande zugute kommen. Daher erachte ich es als meine Pflicht, ihre dies fälligen Bestrebungen auf das wärmste zu unterstützen, worin ich mich mit der Gesamtregierung eines Sinnes weiß. Doppelt verurteile ich deshalb die niedrigen Angriffe, die sich gegen den Mann richten, dessen ganzes Leben im Dienste deutscher Kulturideale steht, Angriffe übrigens, die eine längst verjährte Sache betreffen und an sich ganz unhaltbar sind. Denn in meinen Augen ist Martin Eckert nach wie vor über jede böswillige Verdächtigung erhaben." Wieder wartete der Minister einen Augenblick, bis er kühl und ge schäftsmäßig schloß: „In diesem Sinne bitte ich also, meine Antwort auf die Interpellation des Herrn Abgeordneten Blandsch zur Kenntnis zu nehmen " Kaum war das letzte Wort verklungen, rauschte lebhaft, Zustimmung durch das Haus. Nur bei der Partei, die zu dem deutschfeindlichen Professor Vierescu gehörte, meldete sich einiger Widerspruch, doch der ging rasch im Beifall der Mehrheit unter Während man dann zur Tagesordnung schritt, sah August Eckert mit roten Backen vor seinem Pult, erregt und stolz auf die Genugtuung, die seinem Vater geworden war. Und wieder hob er den Kopf und suchte ihn mit den Blicken, aber der Platz auf der Galerie, wo er mit dem Buckligen gestanden hatte, war jetzt schon leer. So wurde es später Nachmittag, bis die beiden einander wieder begegneten. „Na, August", lachte Martin Eckert über das ganze Ge sicht, „was hab ich dir immer gesagt? Ich selbst muß mit dem Grotean reden, dann kommt die Geschichte sofort in Ordnung." Und mitten auf der belebten Calea Victoriai faßte er den Sohn um die Hüften, als wollte er einen schwäbischen Ländler tanzen, hin und her stieß er ihn durch die Passanten. „Was, die Überraschung für Heidestadt, au« der Haut könnte ich fahren vor Freude!" „Ja, großartig, Vater, ich gratuliere dir herzlichst." „Haha, und jedes Wort wird in der Zeitung stehen I" „In allen Blättern natürlich." „Da muß ich dazuschauen, daß ich nach Hause komme, gleich mit dem nächsten Zuge am besten." „Und die Bauerlaubnis? Oder ist sie vielleicht schon —" „Was, Bauerlaubnis? Der Teufel schert sich jetzt noch darum! Ganz klar und eindeutig war doch, was der Minister erklärt hat. So fangen wir mit der Arbeit einfach an, gleich übermorgen in aller Frühe, selbst wenn der Magistrat Gift und Galle spuckt." „Dazu das Gesicht vom Laskovics, kannst du dir das oorstellen?" „Ja, der ist jetzt gründlich versorgt, auf keine Kuhhaut geht ja hinauf, was den noch erwartet. Denn richtig war er es, der den Blödsinn im .Sianal' veranlaßt hat. Daß er deshalb vor Gericht muß, ist aber nicht das Schlimmste für ihn, viel mehr wird ihn ärgern. daß er die letzten Abonnenten verliert. Und das kommt bestimmt nach, wenn nur das Urteil erst da ist. Das Kreuz kann er dann über die .Schwä bische Wacht' machen, tot und erledigt ist sic damit, mausetot für ewige Zeiten "