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Tiszapolgär-Basatanya ist aus dem Grunde wichtig, als nur der ältere, zur Tiszapolgär-Kultur gehörende Abschnitt diese Disproportion der Geschlechter ergab, der kontinuierlich gewachsene Teil des Friedhofes, der zur Bodrogke- resztür-Kultur gehört, dagegen nicht. Unsere Tabelle zeigt annähernd gleiche Zahlenverhältnisse der Geschlechter für bandkeramische Gräberfelder. Sollten wir deshalb annehmen, daß die mit teleuropäischen Bandkeramiker insgesamt „femininer“ waren als ihre Vor- und Nachfahren, die vermutlich in höherem Maße Jagd bzw. Viehzucht betrieben ? Bedeutet ein durch anthropologische Geschlechtsdiagnosen festgestelltes Ver hältnis von 1:1 nun tatsächlich in jedem Fall, daß es in der dazugehörigen lebenden Population eine gleich hohe Anzahl von Männern und Frauen gab ? Die Ausführungen von Acsädy und Nemeskeri zeigen, daß das durchaus nicht der Fall ist 232 ). Sie untersuchten eine aus den Jahren 900 bis 1120 u. Z. stam mende Nekropole von Halimba und stellten dabei 309 Männer, ferner 291 Frauen und 332 Kinder fest. Dabei ergab sich, daß vermutlich infolge schlechter Lebensverhältnisse, früher Ehen und Entbindungen die Sterblich keit der jungen Frauen höher war als der Männer entsprechenden Alters, so daß bei einer identischen Zaid von Männern und Frauen bis zum 70. Lebens jahr ein jedes Lebensjahr von wesentlich mehr Männern als Frauen erreicht wurde. Daraus folgt, daß „wenn z. B. in einem Friedhof die Proportion der Geschlechter 1:1 ist, das Sterbealter der männlich Gestorbenen dagegen höher liegt als das der Frauen, dann ist es offenbar, daß es in der das Gräberfeld benut zenden Gemeinschaft mehr Männer gab als Frauen, und zwar so viel mehr, als sie ein höheres Alter erreichten. Infolge der wesentlich kürzeren Lebensdauer der Frauen verschiebt sich die Proportion der Geschlechter in der Population über 15 Jahren noch stärker zugunsten der Männer. In Halimba entfielen auf 1000 Männer eigentlich nur 767 Frauen. Der Männerüberschuß war infolge der zunehmenden höheren maskulinen Säuglings- oder Kindersterblichkeit — mit Bezug auf die ganze Bevölkerung — zwar vermutlich kleiner, doch interessiert hier vor allem die Gliederung der erwachsenen Bevölkerung. Die Proportion der Frauen sank in den einzelnen archäologischen Perioden kontinuier- in. E. einen polyzentrischen Ursprung zu denken. Würde sich ergeben, daß die Theißkultur für die Rechts-Links-Polarität ausfällt, so würde damit deutlich, daß in den Lengyelkulturen und in der Tiszapolgärkultur die rechte Hocklage nur allgemein dominiert, so wie in der Bandkeramik die linke Hocklage allgemein vorherrschte. 232) Gy. Acsädy, J. Nemeskri, Paläodemographische Probleme am Beispiel des frühmittelalter lichen Gräberfeldes von Halimba-Cseres, in: Homo 8, Berlin-Frankfurt 1957, S. 133—148. Zu der von diesen Verfassern durchgeführten Berechnungsmethode vgl. L. Schott, Bevölkerungs biologische Aufschlüsse aus hochmittelalterlichem Skelettmaterial: ein Vergleich von Geschlechts verhältniszahlen, in: Wiss. Z. der Humboldt-Universität Berlin, Mat.-nat. Reihe, Jg. 13, 1964, H. 1, S. 7-15.