Es ist interessant, daß in einer von Kannibalen benutzten Höhle in Basutoland im ehemaligen Oranjefreistaat namentlich Schädel und Knochen von Frauen und Kindern gefunden wurden. Etwa 1839 soll das ganze Land von Menschen fressern bewohnt gewesen sein, die Jagdpartien aussandten und vorzugsweise Frauen und Kinder fingen 217 ). In Notzeiten wurden Frauen und Kinder, insbesondere faule, streitsüchtige Frauen und übermäßig schreiende Klein kinder, nach Angaben von E. Volhard von dem eigenen Stamm verzehrt. Es verdient die Tatsache Beachtung, daß häufig Fleisch von Mensch und Tier zusammen verzehrt wurde 218 ), wie es auch aus den vorgeschichtlichen Belegen hervorgeht. Da es sich bei diesen prähistorischen wie rezenten Resten des kultischen Kannibalismus vorzugsweise um Frauen und Kinder handelt, die in den angeführten Gräberfeldern oft nur in geringerer Anzahl vertreten sind, liegt es nahe, das auffallende Mißverhältnis zwischen Männern und Frauen in vielen Fällen durch solche Praktiken zu erklären. Doch mahnt auch hier ein Umstand zur Vorsicht. Der bandkeramische Kreis hat zwar besonders schöne Zeugnisse für kultischen Kannibalismus ergeben, bei dem mit besonderer Vorliebe Frauen und Kinder geopfert wurden, jedoch zeigte gerade die anthropologische Untersuchung des Skelettmaterials aus Gräberfeldern dieser Kultur ein ausgeglichenes Zahlenverhältnis der Ge schlechter. So müssen wir schließlich auch noch die Zuverlässigkeit der anthropologischen Geschlechtsbestimmung kritisch beleuchten. Auch im frühgeschichtlichen Bereich werden mitunter Zahlenverhältnisse der Geschlechter gefunden, die zu mehr oder minder phantasievollen Deutungen Anlaß geben. Bei einer Untersuchung des Skelettmaterials der Nomadenbevölkerung von Cimljan- skoe (9. bis 11. Jahrhundert u. Z.) wurden 35 Männer und 7 Frauen festgestellt und daraus auf eine Kriegergemeinschaft geschlossen 219 ), von den über 800 meist beigabenlosen Gräbern russischer Zeit (10. bis 12. Jahrhundert u. Z.) von Sarkel-Belaja Veza wurden 527 Skelette von einem Anthropologen be stimmt und 169 als männlich, aber nur 101 als weiblich ermittelt. Dieser Umstand wurde dahingehend gedeutet, daß die meisten Männer im Kampfe gefallen seien 220 ). Ein weiteres Beispiel ist die Indianersiedlung Pecos 221 ). Hier wurden sorgfältige Geschlechtsuntersuchungen vorgenommen und ein 217) E. Volhard, a. a. 0., S. 146. 218) Beispiele bei E. Volhard, a. a. 0. al ") I,. G. Vujö, Die Schädel aus einem Gräberfeld der Nomaden bei Sarkel-Belaja Veza (ross.), in: Materialy i issledovanija po archeologii SSSR 109, Moskau 1963, S. 420—445. 220) V. V. Ginzburg, Die anthropologische Zusammensetzung der Bevölkerung von Sarkel-Belaja Vea und ihr Ursprung (russ.), in: ebd., S. 265. 221) W. W. Howells, a. a. O„ S. 173 ff. 5* 67