Parallelen zu diesem Fund konnten noch nicht beigebracht werden. Auch hin sichtlich der ikonographischen Bedeutung der Frauengestalt war noch nichts Sicheres zu ermitteln. Es ist möglich, daß es sich nicht um die Scheide eines Dolches handelt, sondern um die Scheide eines Tafelmessers. Wäre eine viel leicht fehlende zweite Gestalt die eines Mannes gewesen, könnte man die Standarte der weiblichen Gestalt als Brautfahne deuten, womit die Verbin dung zum Schmuck auf Minnegeschenken hergestellt würde. Oder handelt es sich um ein Messer für kultische Zwecke? War es Import oder ein in Leipzig angefertigtes Exportstück ? 8. Tonfigürchen Die Untersuchung der mittelalterlichen Schicht in einem Fundamentgraben erbrachte ein Tonfigürchen(Abb. 155), vorsichtiges Weitergraben ein zweites, das noch dazu aus dem gleichen Model geformt war. Auf einem Sockel steht ein nacktes Knäblein, nur mit einer Kette um den Hals und auf dem um lockten Kopf die böhmische Kappe, die vorn mit einem aufsteigenden Zweig verziert ist, wie wir ihn mit roter Farbe schon auf einer Kindertasse aufgemalt sahen (Abb. 61). In der linken Hand trägt das pausbackige Bürschlein zwei Blumen, in der rechten vielleicht einen Ball. Die Werkspuren zeigen an, daß Vorder- und Rückseite des Tonfigürchens aus zwei verschiedenen Modeln aus gedrückt wurden. Alsdann fügte man die beiden Hälften zusammen, verstrich die Haftstellen und stellte das ganze in den Brennofen (Abb. 155 re). Wie man an einem Loch in der Standplatte für das Figürchen sieht, hat man es zuvor zum Trocknen auf den Nagel eines Brettes gespießt, wie man es auch mit den Knaufdeckeln machte. Die Entstehungszeit ist der böhmischen Kappe nach für die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts anzunehmen. Die beiden Knäb lein sind wohl als Kinderspielzeug und kaum als Votivgaben anzusehen. 9. Glasbecher Im unteren Teil eines spätmittelalterlichen „Faßbrunnens“, der nach seiner Preisgabe aufgefüllt wurde, lagen in schwarzem Schlamm wenige weißliche Scherben. Es war verderbtes Glas, das sich trotzdem noch zu einem Becher zusammensetzen und ergänzen ließ (Abb. 156). Aul einer zylindrischen, leicht gebauchten Wandung steigt kelchartig sich öffnend der hohe Mündungsrand an, wie er für das späte Mittelalter z. B. an Topfgrapen typisch ist. Das gibt dem Becher eine weitmundige und zugleich elegante Form. Auf den fallenden Gefäßschultern sind in kurzen Abständen Glasfäden aufgedrückt und nach unten gezogen: auf diesen dünner werdenden „Rüsseln“ oder „Schlangen fäden“ wiederum sind andersfarbige kleine Noppen angeschmolzen. Ein ähn licher Glasbecher ist durch eine inneliegende Weiheurkunde auf das Jahr 1456