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Die Dresdner Geschworenen hatten sich in wenigen Jahrzehnten einen außer ordentlichen Einfluß gesichert. Auf Grund der Privilegien, die ihnen seihst unmittelbar verliehen worden waren, hatten sie Verwaltung und Rechts pflege der Stadt im wesentlichen in ihre Hände gebracht. Sie standen nicht nur der Einwohnerschaft, sondern auch dem Markgrafen als geschlossene Körperschaft gegenüber und verhandelten mit ihm weniger als Untertanen denn als wirtschaftliche Partner. Diese selbstsichere Haltung könnte die Meinung entstehen lassen, das Geschworenenkollegium sei aus einem Grün dungsunternehmungskonsortium hervorgegangen, wie es Rörig und seine Schule für Lübeck, Freiburg im Dreisgau, Freiberg und andere Städte be hauptet haben. Nach dieser Hypothese habe eine Gruppe kaufmännischer Unternehmer in Verhandlungen mit dem Landesherrn den Auftrag über nommen, die Stadt auf ihre Kosten planmäßig anzulegen. Als Ausgleich für ihre Mühe und ihr Risiko hätten sie öffentlich-rechtliche Befugnisse erhalten, so daß ihre private Gründerorganisation zur Verwaltungsbehörde der Stadt geworden wäre 10 ). Für Dresden läßt sich dies nicht nachweisen. Aus seiner Gründungszeit sind nur zwei „Freiheiten“ bezeugt: das Weideprivileg und die Verleihung des Magdeburger Stadtrechts. Die führende Stellung der Geschworenen beruht aber auf Ermächtigungen, die ihnen erst seit 1260 gegeben worden sind. Sie waren mit Gegenleistungen verbunden, die uns freilich meist unbekannt sind. Nicht selten mag es einfach ein Kaufgeschäft gewesen sein, wie der Erwerb des Marktzolls 1271 für zehn Mark Silber. Im übrigen aber erwuchsen die Privilegien aus der Bevölkerungsstruktur Dresdens, das schon im 13. Jahr hundert eine ständische Gliederung aufwies. Unter den Bauern der Wald hufendörfer gab es im Anfang kaum eine soziale Differenzierung; mit Aus nahme des Lokators besaß jeder den gleichen Anteil an der Flur. Auch in einer Stadt wie Meißen war nach den Untersuchungen Grögers um 1329 noch keine Schichtung nach Vermögen und Besitz festzustellen. Die Masse der Einwohner bestand auch in Dresden aus Bauernsöhnen und dörflichen Hand werkern, die nicht viel mehr als ihre Arbeitskraft mitbrachten. Für den ge planten Ausbau zur Handelsstadt wurden aber Männer mit kaufmännischer Erfahrung, weitreichenden Geschäftsverbindungen und großen Geldmitteln gebraucht. Es war dringend notwendig, sie zur dauernden Niederlassung zu gewinnen. Wenn sich diese Geschäftsleute dazu entschlossen, so erwarteten 10 ) Freiburg: H. Planitz, Die deutsche Stadt im Mittelalter..., S. 137. Lübeck: F. Rörig, Der Markl zu Lübeck, in: Wirtschaftskräfte im Mittelalter. Weimar 1953. Freiberg: R. Kötzschke. Zur Geschichte des städtisch-bürgerlichen Unternehmertums im deut schen Osten, in: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft 92, 1932, S.481 ff., M. Unger. Stadtgemeinde und Bergwesen Freibergs im Mittelalter. Weimar 1963, S. 12 ff. Codex diploma- ticus Saxoniae regiae, Bd. II, 12, Nr. 14, 49. Unternehmerkonsortium: J. Bärmann, Die Städtegründungen Heinrichs des Löwen. Köln, Graz 1961, S. 76 ff.