Volltext Seite (XML)
Radeberg schließen sich mit ihren spitzdreieckigen Schaftenden mehr den römischen Formen und den kaiserzeitlich-völkerwanderungszeitlichen Bohrern aus Polen an. Tüllenmeißel (Abb. 16). Ebenso wie die beiden Löffelbohrer besitzt der 19,7 cm lange Meißel einen facettierten Schaft. In die kurze, runde Schlitztülle war ein Holzpflock einge setzt, der zur Abdämpfung des harten Hammerschlages diente. Die gewölbte Schneide kennzeichnet dieses Werkzeug als Hohldechsel. Eiserne Tüllenmeißel sind in Fortführung derjenigen aus Bronze seit Verwendung des Eisens zur Werkzeugherstellung bekannt. Sie erscheinen in dieser Zeit auch in Mittel deutschland 120 ). Hallstattzeitliche Funde von Hohldechseln fehlen hier zur Zeit noch, doch kann man unter Hinweis auf Stücke aus dem östlichen Hall stattgebiet 121 ) annehmen, daß sie in Mitteldeutschland in dieser frühen Zeit auch schon verwendet wurden. Aus der keltischen Spätlatenezeit sind Meißel verschiedenster Form von fast allen bedeutenderen Stätten handwerklichen Gewerbes bekannt. In der Kaiserzeit 122 ) und später fließen entsprechende Quellen spärlicher, doch läßt sich der Gebrauch des Hohlmeißels durch das gesamte Mittelalter hindurch bis in die Neuzeit hinein nachweisen. Die geringen Möglichkeiten einer Formveränderung an Meißeln sind der Grund dafür, daß eine zeitliche Einordnung des Radeberger Stückes nicht gegeben werden kann. Lanzenspitze (Abb. 7,2). Die Lanzenspitze wurde durch unsachgemäße Entrostung stark beschädigt. Die Form von Blatt und Tülle kann jedoch als völlig gesichert gelten, da eine Skizze sowie ein Foto ihres guterhaltenen Zustandes unmittelbar nach der Auffindung vorliegen. Das schmale, weidenblattförmige Blatt trägt eine deut- 12 *) Grabfund von Niederkaina, Kreis Bautzen: W. Co b lenz, Ein reiches Billendorfer Grab vom Schafberg Niederkaina, Kreis Bautzen, in: Ausgrabungen und Funde 9, 1964, S. 90ff., Abb. 2,7 auf S. 92. — Hortfund von Schlöben, Kreis Jena: E. Amende, Der Schlöbener Depot-Fund, in: Mitteilungen der Geschichts- und Altertumsforschenden Gesellschaft des Osterlandes 13, 1928, S. 8ff., Abb. 12. 121) Grab 3 von Sanski Most an der Sana (Bosnien-Herzegowina): F. Fiala, Das Flachgräberfeld und die prähistorische Ansiedlung in Sanskimost, in: Wissenschaftliche Mittheilungen aus Bosnien und der Hercegovina 6, 1899, S. 62 ff., Fig. 10 auf S. 66. 122) W. Gaerte, Urgeschichte Ostpreußens. Königsberg 1929, Abb. 194 f auf S. 251. Aus dem mittel deutschen Raume liegen unseres Wissens bisher keine Funde von kaiserzeitlichen oder völker wanderungszeitlichen Tüllenmeißeln vor. Lediglich aus einer Siedlung der späten Kaiserzeit von Döbrichau, Kreis Torgau, stammt ein 24,6 cm langer Meißel mit massivem, vierkantigem Schaft und 1,4 cm breiter Schneide (Ausgrabung P. Grimm 1932; Landesmuseum Halle, H.K. 32: 432b). Für eine Zeichnung des Meißels schulden wir Herrn Dipl, phil. H. Hanitzsch. Halle, aufrichtigen Dank.