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deutung. Wenn wir die Veränderungen, die in ihnen eintraten, einschätzen, können wir nicht gleichzeitig die Verhältnisse idealisieren, die in diesen Perioden vorherrschten. Die wichtigsten Prozesse, die durch weitere lange Jahrhunderte ihr dauerndes Gepräge auf drückten, fanden in der letzten der erwähnten Perioden statt. Die „Lausitzer“ Kultur entstand als Ergebnis komplizierter kulturschöpfe rischer Prozesse, und durch etwa ein Jahrtausend hindurch war sie im größ ten Teile Polens der Hauptinspirator der Entwicklung. Ihre Rolle für das künftige Schicksal unseres Landes war vor allem deswegen groß, weil wäh rend ihrer Dauer das Moment der Herauskristallisierung der urslawischen Sprache erscheint 21 ). Mit anderen Worten: einen Teil der Träger der archäo logischen „Lausitzischen“ Kultur können wir als Menschen ansprechen, aus denen sich später das polnische Volk entwickelt hat. Die Bevölkerung der „Lausitzer“ Kultur erreichte nicht die Zivilisationshöhe wie gleichzeitige Völker der antiken Mittelmeerwelt oder auch einige asiati sche Völker, wie z. B. die Bevölkerung Chinas 22 ). Dagegen beeinflußte die „Lausitzer“ Kultur nicht nur die Bildung der Verhältnisse in ihrem Heimat gebiet, sondern wirkte ebenso auf andere Länder (z. B. die skandinavischen) ein, wobei sie einige Völker des damaligen West- und Nordeuropa auf ver schiedenen Gebieten übertraf. Sie unterhielt auch ziemlich ausgedehnte Ver bindungen mit einigen in unterschiedlichen Teilen der Welt lebenden Völkern. Im Gebiet der „Lausitzer“ Kultur treffen wir daher nicht nur skandinavische, sondern z. B. ägyptische und cyprische Erzeugnisse an, ohne daß wir auf ver schiedene weitere Importe sowohl aus dem Osten als auch aus dem Süden und Westen eingehen wollen. Studien über die „Lausitzer“ Kultur 23 ), die im sogenannten barbarischen Europa zu den führenden gehörte, erwiesen, daß die urslawische Bevölkerung nicht zu solch primitiven Stämmen gehörte, wie dies früher angenommen worden war. Untersuchungen nicht nur von Gräberfeldern, sondern beson ders verschiedener Burganlagen mit dem in der Welt wohlbekannten Bis- 21) Dies ist, wie ich weiter oben hervorgehoben habe, eire Hypothese, die aber viel Wahr scheinlichkeit besitzt. Siehe in dieser Hinsicht besonders die zahlreichen Arbeiten T. Lehr- Splawinskis einschließlich der grundlegenden Arbeit: O pochodzeniu i praojczyznie Slowia (Über die Entstehung und die Urheimat der Slawen), Poznan 1946. In ähnlicher Richtung zielen auch die Studien M. Rudnickis, mit dessen vielen ausführlichen Herleitungen man je doch schwer einverstanden sein kann. Siehe neuerdings von dems., Prastowiahszczyzna, Lechia, Polska I. Poznan 1959. Es fehlt jedoch auch in der polnischen wissenschaftlichen Welt nicht an Anhängern anderer Theorien. Ich beschränke mich nur auf die Erwähnung der letzten Arbei ten, und zwar von K. Moszyiiski, Pierwotny zasig jzyka praslowiaiiskiego (Das Urgebiet der urslawischen Sprache), Wroclaw 1957, sowie von H. Ulaszyn, Praojczyzna Slowia (Die Ur heimat der Slawen), Lodz 1959 (nach dem Tode veröffentlicht). Eine eingehendere Erörterung erfordern auch die weiter oben erwähnten Formulierungen polnischer Forscher, wie besonders die bei uns mit fast völligem Stillschweigen übergangenen Arbeiten E. Gasparinis. Es gibt in ihnen viele Irrtümer hinsichtlich der archäologischen Fakten, aber auch viele Momente zur Vertiefung des hier besprochenen Problems. 22) Das, wie bekannt, u. a. die Schrift vom 12. bis 14. Jahrhundert v. u. Z. kennt. 23) Siehe die kurzgefaßte Charakteristik der Lausitzer Kultur in verschiedenen allgemeineren Arbeiten J. Kostrzewskis sowie anderer Forscher, darunter besonders der tschechischen und sowjetischen. Von den Arbeiten J. Kostrzewskis auf diesem Gebiete kommt vor allem in Frage: Praslowianszczyzna (Urslawentum), Poznah 1946. Von den Abhandlungen der tschechi schen Forscher muß J. Filips: PoCatky slovanskho osidleni v Ceskoslovensku, Praha 1946, und von den sowjetischen P. N. Tretjakovs: U kolöbky stard Russi, Praha 1958, genannt werden.