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Haustieren betrieben. Man könnte dies seit dem Ende dieser Epoche tun, d. h. seit den Zeiten, als unter den Bedingungen des Auftretens verschiedener archäologischer Kulturen die ersten Voraussetzungen für die Bildung einer baltisch-slawischen Sprachgemeinschaft zu entstehen begannen, als in einigen unserer Gebiete die Einwirkungen der Länder des östlichen Mittelmeergebietes ablesbar sind, seit einer Zeit also, in der wir bisweilen eine bewundernswerte und überraschende figurale Plastik antreffen. Ich beginne jedoch mit der Zeit, von der an man mit einem ziemlich großen Grad von Wahrscheinlichkeit davon sprechen kann, daß im Gebiet zwischen Oder und Dnepr urslawische Stämme lebten 20 ), deren westlichen Teil, der etwa das Gebiet zwischen Oder und Bug einnahm, die Träger der sogenannten Lausitzer Kultur bildeten, die in Polen seit etwa 1300 v. u. Z. auftrat und bis gegen 400 oder 300 v. u. Z. an dauerte. Seit der Mitte des 2. Jahrtausends v. u. Z. bis zum 10. Jahrhundert u. Z., also während eines Zeitraumes von etwa zweieinhalb Jahrtausenden, können wir gewissermaßen drei Perioden unterscheiden, in denen sich die grundlegenden Elemente der frühpolnischen Kultur herausbildeten. Die erste Periode umfaßt einen über ein Jahrtausend umfassenden Abschnitt, d. h. hauptsächlich die Zeit der Lausitzer Kultur, die zweite umfaßt sechs oder sieben Jahrhunderte, d. h. die vorrömische Zeit und die Zeit der römischen Einflüsse, und die dritte Periode umschließt die Jahrhunderte zwischen dem 6. und der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts. Jede dieser Perioden hatte eine unterschiedliche Be- 20) Die Frage der Identität der Bevölkerung der „Lausitzer“ Kultur mit der urslawischen Bevölkerung wird weiterhin diskutiert. Man kann also nur sagen, daß dies die wahrschein lichste von allen bisher vorgebrachten Hypothesen ist. Das heißt jedoch nicht, daß man in der Zelt der Dauer der Lausitzer Kultur nicht mit der Möglichkeit rechnen müßte, daß sie im Grenzgebiet von anderen ethnischen Gruppen erfaßt worden wäre (vgl. z. B. W. Hensel, Cywilizacja przedchrzeäcijahska na ziemiach polskich, Kultura wiecka w dziejach naszego narodu [Die vorchristliche Zivilisation auf polnischem Boden, Die profane Kultur in der Geschichte unseres Volkes], Warszawa 1959, S. 11). Deshalb identifiziere ich den Bereich der Urslawen im Westen nicht mit dem Gebiet der „Lausitzer“ Kultur. Neuerdings habe ich die unterschiedlichen Standpunkte zu dieser Materie sowie neuere Literatur in dem Artikel „Praslowianie“ (Urslawen), der in der Encyklopedia Wspolczesna 1959, Nr. 9, S. 413-416, ver öffentlicht wurde, vorgelegt, wo auch eine Karte das Gebiet der Urslawen entsprechend den Ansichten der verschiedenen Forscher bildlich darstellt. Außer den dort zitierten Autoren lohnt es sich hervorzuheben, daß auch P. Bosch-Gimpera, a. a. O., S. 251, obwohl er die Lau sitzer Kultur den Venetern zuschreibt, zugleich annimmt, daß ihr Volk großen Einfluß auf die Bildung der Slawen hatte. K.-H. Otto, Deutschland in der Epoche der Urgesellschaft, Berlin 1960, S. 85, hält es gleichfalls für möglich, daß Träger der Lausitzer Kultur sich bei der Bil dung der Westslawen beteiligt haben. Siehe auch G. Labuda. a. a. O., S. 11. Das Problem des Lausitzer Grenzgebietes sollte Gegenstand weiterer angelegentlicher Studien unserer Forscher sein, ähnlich wie auch die Frage des Westbereiches der Balten. In diesem Zusammenhang erscheinen mir die Bemerkungen G. Labudas, a. a. O., S. 23, daß die Urslawen evtl, nicht bis an die Ostsee gereicht hätten, nicht richtig. Es ist möglich, daß die Bezeich nungen, die auch hierbei Jörn zitiert, umgebildete Relikte sind, die aus der Zeit der baltisch- slawischen Gemeinschaft herstammen. Es scheint dagegen fast sicher zu sein, daß die „lausitzi- sehen“ Grenzgebiete mit den baltischen Kulturen in einem stärkeren Maße baltisch waren, als man dies gewöhnlich annimmt. Dabei ist es möglich, daß diese Gebiete einer sekundären Baltislerung unterlagen. Fügen wir schließlich hinzu, daß P. Bosch-Gimpera in der ange führten Arbeit die Grenze der Balten im Westen an der unteren Oder lokalisiert (vgl. z. B. Karte 1). Daß die Sitze der Urslawen nicht bis an die Ostsee reichten, glaubte auch A. Brück ner, a. a. O„ S. 16. Fügen wir jedoch hinzu, daß dieser Forscher deutliche Inkonsequenzen in der Frage der Ursitze der Slawen verrät (vgl. z. B. S. 7 und 17); ähnliche Vermutungen brin gen auch die tschechischen Forscher vor. Siehe z. B. J. Poulik, Jini Morave zem davnych Slovonu, Brno 1948-1950, S. 39. Ich führe hier nicht die Diskussion zur Frage der Balto-Slawen an, well dieses Problem den Rahmen des Referats sprengt, obgleich ich seine Bedeutung für Fragen der Ethnogenese der Slawen hoch einschätze.