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zur Rolle der Südeinflüsse auf die Entwicklung Polens ergibt sich eine nega tive Einstellung zur Theorie der Überschätzung der nördlichen Einflußfaktoren in der Geschichte unseres Landes 13 14 15 16 17 ). Ich erwähnte bereits, daß man bei der Erforschung der geschichtlichen Grund lagen der frühpolnischen Kultur auch die Einwirkungen anderer Völker, die früher polnisches Gebiet bewohnten, berücksichtigen muß. Es soll daran er innert werden, daß zu den am wenigsten untersuchten Fragen gerade die Probleme unseres Altertums gehören. Den Ausschlag gab das vereinfachende Denken, Beobachtungen aus dem Zusammenleben bestimmter Völker unter völlig anderen historischen Bedingungen auf die im entfernteren Altertum herrschenden Verhältnisse zu übertragen. Dies führte dazu, daß meist zwei Farben die ethnische Karte Polens bedeckten, wenn wir vom Neolithikum und der römischen Kaiserzeit absehen 14 ), und zwar entweder weiß oder schwarz, d. h. in Abhängigkeit von der Nationalität der Forscher, die der Meinung waren, daß hier — abgesehen von den im Nordosten lebenden balti schen Stämmen — entweder slawische Stämme oder auch fremde Völker lebten 15 ). Erst neuerdings treten immer nachdrücklicher Möglichkeiten des Zusammenlebens verschiedener ethnischer Gruppen in Polen hervor, wie G. Labuda 18 ) betont. Auf diese Weise können wir das Mosaik der verschiede nen ethnischen Namen auf der um die Mitte des 2. Jahrhunderts u. Z. zu datierenden Karte des Ptolemäus leichter verstehen. Ein Mosaik, das ganz und gar nicht ausschließt, daß die größte ethnische Gruppe in Polen damals gerade die Slawen bildeten sowie, um der Interpretation K. Tymienieckis17) zu folgen, daß im Vergleich zu ihnen die Goten nur einen kleinen Stamm bildeten. Eine zeitgemäßere Auffassung des Problems der ethnischen Verhältnisse auf polnischem Gebiet im Altertum erlaubt also, auch auf das von mir erwähnte Problem ordnungsgemäßer zu blicken. Unter diesen Bedingungen werden wir uns den verschiedenen nationalistischen Tendenzen leichter entgegenstellen können, die oftmals einen Schatten auf die Forschungsergebnisse verschie dener Gelehrter geworfen haben. 13) In diesem Sinne muß das Bestreben K. Tymienieckis, Ziemie polskie w staroytnoci (Polen im Altertum), zur Aufhellung der Rolle der südlichen Faktoren und Abschwächung der Tendenzen, die von nördlichen Einflüssen in der Geschichte Polens sprechen, anerkennend hervorgehoben werden. Fügen wir noch hinzu, daß der Zug Süd-Nord sehr alte Traditionen besitzt, die wenigstens mehrere Jahrtausende V. u. Z., wenn nicht noch weiter, zurückreichen. Zweifellos überschätzte A. Brückner, Dzieje kultury polskiej (Geschichte der polnischen Kultur), Bd. I, Krakw 1937, S. 27, die Einflüsse aus dem Norden, abgesehen von vielen deutschen Archäologen, besonders G. Kossinna. 14) Übrigens zogen auch auf diesem Gebiet die idealistischen deutschen Forscher eine selt same „Konsequenz“. Eine Ausnahme bildete das Verhältnis zu den Kelten sowie zu den Invasionen verschiedener Nomadenvölker. 15) Wichtig in dieser Hinsicht sind die Äußerungen K. Tymienieckis; siehe auch W. Hensel, Poznah w zaraniu dziejw (Posen in der Morgenfrühe der Geschichte), Wroclaw 1958, S. 62 ff; ders., Praslowianie (Die Urslawen), Encyklopedia Wspöiczesna. Zuvor erwähnte dies bereits A. Brückner, Dzieje kultury polskiej (Geschichte der polnischen Kultur), Bd. I, Kraköw 1937, S. 24. 16) G. Labuda, a. a. O., S. 11. 17) Siehe W. Hensel, Pozna, a. a. O., S. 106.