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Führung mit den am weitesten fortgeschrittenen Ländern der damaligen europäischen Zivilisation stand. In gewissem Sinne gestaltete sich sein Schick sal also ähnlich dem z. B. vieler germanischer Stämme. Bestimmte Entwick lungserscheinungen verschiedener Kulturen gingen übrigens fast gleichzeitig vonstatten. Der von mir schon zitierte R. Holtzmann 9 ) schreibt über das Deutschland zu Beginn des 10. Jahrhunderts, daß es im Vergleich zu den byzantinischen Ländern, sowie Italien und Frankreich, ein armes Land war. Das Deutschland dieser Jahre gehörte derselben Entwicklungszone wie Polen und die Länder des Nordens an 10 ). Es bildete einen Teil dieses Bereiches, in dem sich nur ein geringer Einfluß der byzantinisch-römischen Zivilisation spürbar machte. Der Versuch einer Heraushebung der deutschen Kultur die ser Zeit über die slawische, der sich in der deutschen Fachliteratur häufig beobachten läßt, findet also in den Quellen keine Bestätigung, was ich ferner hin noch eingehender zu besprechen bemüht sein werde. Auf diese Weise habe ich gewissermaßen noch einen anderen Aspekt des Problems, das in der Fachliteratur lebhaft diskutiert wird, berührt. Man kann ihn als philorömisch sowie philonordisch bezeichnen. Eines der wesentlichsten Ergebnisse der ersten archäologischen Tagung des Institutes für die Geschichte der materiellen Kul tur der Polnischen Akademie der Wissenschaften war u. a. die Erörterung dieser Frage 11 ). Indem wir auf frühere Übertreibungen verzichten, die darauf abzielten, alles Neue und Schöpferische in der polnischen Kultur römischen Einwirkungen zuzuschreiben, müssen wir doch den Raum der — so möchte ich mich ausdrücken — römischen Beiträge bei der Bildung der slawischen wie polnischen Kultur berücksichtigen. Dieses Problem muß man zugleich um fassender sehen, und wir müssen berücksichtigen, daß in zahlreichen Ab schnitten der Geschichte Polens die Einwirkungen aus dem Süden oder Süd westen einen bedeutend größeren Einfluß auf die Entwicklung seiner Kultur als diejenigen aus dem Norden hatten. Eine wichtige Rolle spielten ebenfalls die Einflüsse aus dem Osten. Zugleich müssen wir uns veranschaulichen, daß eine bewußte Übernahme höherer Kulturformen, worauf neuerdings K. Ma jewski 12 ) in seinen Abhandlungen so großen Nachdruck legt, nur unter Bedin gungen möglich ist, bei denen ein Volk, das diese Güter empfing, sich auf einer solchen Entwicklungsstufe befand, daß es aus ihnen bewußt Nutzen ziehen konnte. Auf diese Weise erlangen wir gewissermaßen eine indirekte Illustration des Entwicklungsstandes der einheimischen Bevölkerung. Aus meiner Stellung 9) R. Holtzmann, a. a. O., S. 26. 10) Nicht zufällig trugen gerade die germanischen und slawischen Völkerbewegungen allge mein zum Niedergang der Sklavenhaltergesellschaft und zur Entstehung der Feudalordnung bei, worauf in der entsprechenden Literatur schon seit langem hingewiesen wird. 11) Vgl. die Diskussion über das Referat K. Majewskis und die Entgegnung des Referenten. Pierwsza Sesja Archeologiczna Instytutu Historii Kultury Materialnej PAN, 4—8, V, 1955, Warszawa-Wroclaw 1957, S. 214 ff. 12) Siehe z. B. K. Majewski, Importy rzymskie na ziemiach slowiaskich (Römischer Import in den slawischen Gebieten). Wroclaw 1949, sowie vom gleichen Verfasser: Recentes dcou- vertes d’importatlons romaines et leur interpretations. Annales: Economies - Socits - Civllisations 1960, Nr. 2, S. 313 ff. Der Autor macht zutreffend auch auf die Bedeutung der Einflüsse von Elementen griechischer Tradition aufmerksam. Das im Jahre 1960 vom gleichen Verfasser herausgegebene Buch über römische Importgegenstände ist mir während der Aus arbeitung des Referates nicht zugänglich gewesen.