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daß es folglich, zumindest für diese Zeit, keiner gegenseitigen Ableitung der Einzelvorkommen bedarf 77 ). Man kann noch mancherlei Übereinstimmungen zwischen den Gräbern der Jäger- und Fischergruppen und des Donauländischen Kreises nennen. Die epimesolithischen Jäger und Fischer bestatteten, abgesehen von den großen Inselnekropolen, innerhalb der Siedlung oder an deren Rand, so wie das seit dem Paläolithikum üblich ist. Auch der Donauländische Kreis zeigt in der Bandkeramik und den Lengyelgruppen das gleiche. Hier und da lassen sich innerhalb der Nekropolen einzelne Gräbergruppen unterscheiden. In beiden Fällen werden ausschließlich Flachgräber angelegt. Die Jäger und Fischer Nordeurasiens behalten diesen Brauch bis in die Neuzeit bei. Greifen wir aus dem Verbreitungsgebiet des Donauländischen Kreises wiederum Mittel deutschland heraus, so finden wir die Einführung richtiger Grabhügel erst im Mittelneolithikum mit der Baalberger Kultur, die auch in anderen Bereichen des Totenrituals und demzufolge auch der religiösen Vorstellungen grund legende Neuerungen schuf. An Übereinstimmungen im Detail, die aber nicht minder bedeutsam sind, können Mehrfachbestattungen, Doppelbestattungen von Erwachsenen verschiedenen oder gleichen Geschlechts 78 ) sowie Kinder bestattungen genannt werden. Hier und dort ist Ockerstreuung bekannt, wenn auch bei den Jägern und Fischern stärker ausgeprägt als im Donauländischen 77) Eine Zusammenstellung spätneolithischer Brandbestattungen bei Th. Voigt, Zur Problematik der spätneolithischen Brandbestattungen in Mitteleuropa, in: Jahresschrift für mitteldeutsche Vor geschichte,’ Bd. 47, Halle 1963, S. 181-242. 78) Im Falle der Doppelbestaltungen von Individuen gleichen Geschlechts wäre zu überprüfen, inwie weit hier die Erscheinung des kultischen Geschlechtswandels eine Rolle spielt, wie das von H. Bau mann bereits für die Serovo-Kultur (vgl. Anm. 66) vermutet wurde. Dabei geht der als Weib auftretende Mann mit anderen Männern regelrechte Heiraten ein und ist hierbei oft hoch angesehen.. Er kann u. a. auch Kinder adoptieren, die als von ihm stammend gelten. Durch die „Heirat" mit einem normalen Mann wird auch die Umwandlung der Geschlechtsfunktion betont, indem der als Weib verwandelte Mann die passive Rolle in der homosexuellen Partnerschaft übernimmt (H. Baumann, a. a. 0., S. 1411.). Für ein solches in rezenter Zeit besonders bei Nordasiaten, Indi anern und Indonesiern am weitesten verbreitete Transvestitentum wurden mit Vorliebe Individuen herangezogen, deren Homosexualität auf dem Überwiegen weiblicher Triebtendenzen beruht. II. Schelski, Soziologie der Sexualität, Hamburg 1955, führt an, daß sich nach Kinsey 4% der männlichen Bevölkerung der USA durch das ganze Leben ausschließlich gleichgeschlechtlich be tätigt. Für die Frauen liegt der Prozentsatz niedriger. Dazu auch 0. Frh. von Verschuer, Die erblichen Grundlagen des Geschlechts beim Menschen, in: Die Sexualität des Menschen, in: Hand buch der medizinischen Sexualforschung, Hrsg. II. Giese, Stuttgart 1955, S. 218. Wie B. Breitner, Das Problem der Bisexualität,Wien 1951, S. 31, aufführt, gehen die diesbezüglichen vor Jahrzehnten durchgeführten Berechnungen (1:22, 1:500, 1:50 und 1:20) oft auseinander. Für die Naturvölker sind entsprechende Schätzungen noch schwerer. An der weiten Verbreitung besteht jedoch kein Zweifel, vgl. F. Karsch-Haack, Das gleichgeschlechtliche Leben der Naturvölker. München 1911, dazu die vorbereitende Studie von F. Karsch, Uranismus oder Päderastie und Tribadie bei den Naturvölkern, in: Jahrbuch für sexuelle Zwischenstufen, Hrsg. M. Hirschfeld. Leipzig 1901, S. 72 bis 101. F. Karsch-Haack, a. a. ()., S. 36, kommt zu dem Ergebnis, daß bei allen Naturvölkern nicht allzu selten Ehen unter Männern vorkommen.