Wenn wir uns verständlicherweise dafür interessieren, woher denn die ersten Slawen ins sächsische Gebiet eingewandert sind, so sind verschiedene Anhalts punkte gegeben, die den Anteil der Archäologie an der Lösung dieser Frage ausmachen. Da ist in erster Linie die Verbreitung ältestslawischer Funde in unserem Bereiche und die daraus abzuleitende Einzugsrichtung unter Berück sichtigung der Verbindungen über die Grenzgebiete. Daraus ergibt sich weiter hin die Notwendigkeit einer Analyse der archäologisch faßbaren Hinterlassen schaften und der Vergleich mit den Resten der materiellen Kultur aus der Gegend der vermeintlichen Herkunft. Beispielsweise sind die keramischen Funde äußerst wichtig, da Metallgegenstände bei uns in dieser Zeit nur recht selten auftreten. Hinzu kommen die Fragen des Hausbaues und der Konstruktion der ältesten slawischen Burgen. Leider fallen Beobachtungen des Grabritus völlig aus, da Brandbestattungen in den ältesten Zeiten slawischer Besiedlung allgemein üblich und weitverbreitet sind 4 ). Trotzdem sollte man das offenbare Fehlen von Hügelgräbern im Elbe-Saale-Gebiet nicht übersehen. Im Gegensatz dazu stehen deren Vorkommen in der Oberlausitz 5 ). Dieser vermuteten Trennung im Grabbrauch entspricht nun auch die klare räumliche Abgrenzung zu den anderen slawisch besiedelten Gebieten Sachsens, so daß man fast von einer Isolierung der Oberlausitz sprechen kann 6 ). Viel leicht darf man auch nicht übersehen, daß in den ersten Jahrhunderten schriftlicher Erwähnung der slawischen Bewohner unserer Gebiete die Lau sitzer Stämme (die Milcaner und die Lusicaner) niemals etwa als Teil des jüngeren Sammelbegriffs der „Sorben“ auftreten, wobei allerdings anfangs 4) Vgl. etwa J. Kostrzewski, Obrzqdek ciaopalny u plemion polskich i sowian pnocno-zachodnich (Le rite de rincin6ration chez les tribus polonaises et chez les slaves du nord-ouest), Warszawa 1960, Karte. 5) Für die eventuelle Herkunft der Elbe-Saale-Sorben aus Böhmen kann dieser Fakt jedoch nicht heran gezogen werden, da einmal Hügelgräber mit Brandbestattungen im Hauptverbreitungsgebiet des Prager Typus häufig sind und Hügelgräber älterer und jüngerer Form (mit Skeletten) gerade auch in Nordostböhmen dominieren (R. Turek, Die frühmittelalterlichen Stämmegebiete in Böhmen, Praha 1957, S. 45 und Karte 2). Inwieweit unter Umständen schon eine ostböhmische Beeinflussung der Oberlausitz in der mittleren Burgwallzeit möglich war, entzieht sich unseren Untersuchungsmöglichkeiten. 0) Zum Verständnis siedlungskundlicher Fragen muß hier nochmals betont werden, daß die Ober lausitz ohnehin in langen Zeitläufen eine Sonderstellung einnahm (so fehlt jegliche Verbindung mit dem Oberelbtal bis zum Endneolithikum überhaupt; die Bandkeramik fällt als Besiedlungs faktor trotz des in der Oberlausitz vorhandenen Lößes offenbar restlos aus — im Gegensatz zu J. Neustupny, Vorgeschichte der Lausitz, Berlin 1951, S. 14f. — und z. B. auch die latenezeitliche Entwicklung Sachsens wird von der Oberlausitz nicht geteilt). Eine nachweisliche gegenseitige Beeinflussung und Verbindung ist nur für die jüngere Schnurkeramik, die jüngere Aunjetitzer Kultur und die Zeit der Lausitzer Kultur nachweisbar. In diesen Zeitspannen werden auch die heutigen großen Heiden (Dresdner Heide und Laußnitzer Heide) durchgehend besiedelt, was dann erst wieder für das Hochmittelalter glaubhaft gemacht werden kann.