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dem ich auf Anerbieten meiner Dienste in der Leipziger Ostermesse 1718 Ansgang des Monats März in Herrn Christian Genschen Buch; Handlung als ein Diener hier auf- und angenommen worden, sind mir drcy Jahre hindurch alles Gute widerfahren, und bin mit Stube, Kammer, Tisch und Bette sehr wohl und gut versorgt gewesen. Das Solarium vor diese drei Jahre habe richtig und baar empfangen, also daß ich an Nichts habe Mangel gehabt, wovor ich denn von Herzen danke, und achte mich verbunden, gegen jedermann zu rühmen, daß ich alles Gute von ihm allenseits zu sagen und zu rühmen weiß, so ich hiermit an Eydsstatt bekenne, so wahr Gott und sein heiliges Evangelium mir helfe durch Christum Amen.« Dieses schöne Bekenntnis hat sich im Geheimen Staatsarchiv in Berlin-Dahlem als Anlage einer Beschwerde erhalten, die der privi legierte Buchhändler Christian Gensch in Halberstadt gegen seinen ehemaligen »Diener«, d. h. Ladendiener (Gehilfe), Johann Michael Teubner wegen Privilegienverletzung an den König von Preußen einreichte. »Nun hat sich ein gewesener Ladendiener Johann Michael Teubner freventlich unterstanden, die drei Jahre, die er bei mir in Dienste,r gestanden, seinen heimlichen Buch- und Nebenhandel zu treiben und nunmehr drei Monate einen öffentlichen Buchhandel allhier auf der Schmiedestraße proprio auetoritoto meinem Privi- legio zuwider strafbar anzulegen.« Und der empörte Chef fügte dem Gesuch auch gleich noch eine am 5. Januar 1722 erwirkte Verfügung bei, die dem Teubner auferlegte, sich künftig jeder Störung des Genschschen'Privilegs zu enthalten. Seit 1685 bereits konnte sich Gensch des alleinigen Buchhandelsprivilegs in Halberstadt erfreuen, und es ist begreiflich, daß er über die Etablierungsabsicht seines ge wesenen Gehilfen alles andere wie erbaut war. Die Beschuldigung, Teubner habe während seiner Gehilseuzett heimlich Handel auf eigne Rechnung getrieben, trägt freilich die Erfindung an der Stirn; denn in Halberstadt wäre das wohl schon früher dem Chef zu Ohren gekommen und er hätte ihn dann nicht noch drei Jahre lang behalten. Die Akten ergeben auch keine weiteren Beweise für diese Beschuldigung. Im übrigen war Gensch selbst auch kein Engel, denn in seinen Anfangsjahren, 1676, war er, als er noch Vertreter der Johann Großerschen Buchhandlung in Leipzig und Halberstadt war, wegen Vertrieb von Nachdrucken verklagt worden (Goldfriedrich, Gesch. d. Dtschn. Bucht). II S. 193). Johann Michael Teubner beantwortete die Beschwerde Genschs mit einem Gesuch vom 26. Fe bruar 1722 an den König von Preußen um ein eigenes Privileg. »Eure Königliche Majestät haben denen Auswärtigen in dero Lan den Ziehenden allwege Freyheit zu handeln uud wandeln gestattet. Nachdem ich eingcsehen, daß allhier in Halberstadt zwey Buchhänd ler gar gute Nahrung haben und dadurch die Buchdruckereyen und Papyrmühlen in bessere Aufnahme gebracht werden können, so bin ich entschlossen, allhier noch einen Buchladen anzulegen. Weil aber Christian Gensch, der das schädliche Monopolium 50 Jahre gehabt hat, durchaus keinen anderen Buchhändler neben sich leiden will, ob er schock dadurch zu einem großen Vermögen kommen, und mich also aus Euer Königlichen Majestät Landen wegzutreiben suchet, da ich doch das Bürgerrecht mit schweren Kosten gewinnen müssen, so bitte ich Eure Königliche Majestät alleruntertänigst, mich mit einem Privilegio sowohl eines öffentlichen Buchladens als auch Proklama- toris bey denen Auctionen zu begnadigen. Vor welche hohe König liche Gnade ich die Zeit meines Lebens verharren werde Er. Kgl. Mas. allerunterthänigster Knecht Johann Michael Teubner von Grimma in Sachsen.« Es ist verwunderlich, daß Halberstadt bei seiner damaligen kul turellen Bedeutung nur eine einzige Buchhandlung gehabt hat. Dennoch wurde das Gesuch Teubners auf den Bericht der Negierung hin abgelehnt, das Privileg verweigert und ihm Strafe für den Fall unberechtigten Handels angedroht. Nach neuen Verhandlun gen wurde schließlich am 31. Mai die Erteilung des Privilegs gegen Zahlung von 150 Thalern zugesagt. Das Zusatzprivilcg als Auktio nator wurde dagegen endgültig versagt, obwohl Teubner in einer neuen Eingabe geltend machte, daß er vom Buchhandel allein un möglich leben könnte, da sein Konkurrent Gensch die größte Bekannt schaft und Nahrung davon habe, so daß er sonst mit seiner Familie »krepieren oder wieder nach Sachsen gehen« müsse. Die Meßkataloge von Leipzig führen die Firma Johann Michael Teubner in Halberstadt erstmalig 1722 mit zwei Neuerscheinungen auf: Eckhardt (Tobiae) Conjeeturse cke Cockiee 6rseco Xovi Do- stamenti. 8° llslbei^tsckii: spuck 3o. Mckaelum l'eudnerum. UV66XXII und: Caspar Julius Wunderlich, Die schuldige Pflicht eines von Gott zum Lehramt berufenen Predigers, in einer Anzugs- predigt. 4" Halberstadt: bey Johann Michael Teubnern. Im folgenden Jahre 1723 stieg die Zahl der Teubnerschen Neu erscheinungen bereits auf 16, in den beiden nächsten Jahren sind es wieder 2. Als großes Verlagsunternehmcn verdient besonders er wähnt zu werden Jakob August Frankensteins mehrbändiges »Histo risches Theater«, von dem der Band Portugal 1723, die Schweiz 1724, England uud Frankreich 1725 erschienen. In den Jahre» 1726—29 fehlt Teubners Name in den Leipziger Mcßkataloge». Offenbar wandte er überhaupt in der Halberstädter Zeit seine Auf merksamkeit mehr dem Buchhandel als dem Buchverlag zu. Für den Verlag war Halberstadt wohl doch etwas zn abgelegen. Aber auch für den Handel war der Platz nur bescheiden. Dazu kamen die Schwierigkeiten, denen der Handel durch die Privilegienwirtschast ausgesetzt war; es bedurfte wohl sorgsamster Aufmerksamkeit, um nicht Gefahr zu laufen, irgend welche Privilegien zu verletzen. Auch Teubner kam gelegentlich in Prozeß wegen solcher Privilcgienver- letzung. 1722 schon verbot ihm einmal das Halberstädtischc Ober konsistorium die Verbreitung eines Nachdrucks von Arnds wahrem Christentum, den der Goslarer Buchdrucker Struck unberechtigt her gestellt hatte, und der Buchhändler Georg Christoph Wintzer erhob bei der Leipziger Bücherkommission gegen Teubner Beschwerde. Aus den hierüber im Leipziger Ratsarchiv erhaltenen Akten geht hervor, daß Teubner bereits 1722 mit zehn Ballen Meßgut nach Leipzig kam, daß er aber seine Pakete persönlich austrug — wohl nicht aus Gründen der Sparsamkeit, sondern um unangenehmen Nachforschun gen nach unerlaubten Nachdrucken zu entgehen. Von einem zweiten Buchhändlerprozeß gegen Teubner berichten die Akten des Preußischen Geheimem Staatsarchive!» 1725 wegen eines von ihm verlegten Werkes »Vertraute Conserenzien der Ein wohner im Reiche der Tobten«, an dem wohl die Geistlichkeit An stoß genommen hatte. Teubner wurde wegen dieser Sache sogar am 10. Dezember 1724 in Arrest gebracht, und er konnte sich aus der Geschichte nur durch einen Eid herausziehen, daß er selbst das Manuskript nicht gelesen habe nnd sich der Anstößigkeit der Sache nicht bewußt gewesen sei. In den letzten Jahren seines Halberstädter Aufenthalts wandte sich Teubner in stärkerem Maße dem Auktionsgewerbe zu, ob mit oder ohne Privileg, ist nicht klar. Jedenfalls aber brachte ihn diese Tätigkeit bald in neuen Konflikt mit den Leipziger Buchhändlern. Aus späteren Urkunden, die bereits der Leipziger Zeit angehören, geht hervor, daß er »Bücher und Bibliotheken in Auctionen, sonder lich in Amsterdam, zusammengekauft, da er noch in Halberstadt ge wohnt habe«. Die Leipziger Buchhändler sprachen von zehntausen den Stück gebundener und roher Bücher, die von ihm zusammenge kauft und später in Leipzig »Gewichthalber« verauktioniert wurden. Jedenfalls entwickelten sich die Beziehungen zu Amsterdam so leb haft, daß Teubner bereits spätestens 1730 auch in Amsterdam Bücher erscheinen lassen konnte — der Meßkatalog von Ostern 1730 führt deren eine ganze Reihe auf, meist Werke in lateinischer und franzö sischer Sprache, so eine französische Ausgabe von Ovids ^rs sins- toiia (»^rt ck'simer et les rewöckes ck'smour par Ovicke«), ferner ein zweibändiges Werk in 12° »kome galante ou dibtoire 8eerete 8vr Is8 röZne8 cke 6e8sr et ck'^u§u8te«, bas noch 1816 im Ver lagskatalog von F. C. W. Vogel vertreten ist; aber auch eine Bio graphie des Holländischen Admirals Ruyter in deutscher Sprache »Leben und Taten des Admirals von Ruyter« (mit Kupfer, Folio). Im Herbstkatalog 1730 aber erscheint die Firma Johann Michael Teubner erstmalig in Leipzig. Die Übersiedelung dürfte also im Spätsommer 1730 stattgefunden haben. Von den noch bestehenden Buchhandlungen Halberstadts dürfte, soweit die höchst dürftigen Archivalien Halberstadts überhaupt einen Rückschluß erlauben, keine als Nachfolgerin des Teubnerischen Ver lags in Frage kommen. Vielmehr dürfte Teubner seine Halber städter Handlung samt dem Amsterdamer Lager nach Leipzig verlegt haben, wie schon daraus hervorgeht, daß einzelne der Halberstädter Verlagsobjekte noch nach hundert Jahren in den Verlagskatalogen von F. C. W. Vogel wicdcrkehren. Der Grund zu der Übersiedlung nach Leipzig dürste vor allem in der zunehmenden Größe des Teub nerschen Geschäfts, vor allem seines Antiquariats und des Bücher imports von Amsterdam zu suchen sein, für den Halberstadt keinen ausreichenden Platz bot. Mit dieser Übersiedlung nach Leipzig hatte einst Teubner in seinem Gesuch an den König von Preußen ge droht: er würde, wenn er das Buchhandelsprivileg nicht erhielt, »sonst mit seiner Familie krepieren oder wieder nach Sachsen gehen und die zur Transportierung derselben meiner Sachen und meiner Etablierung ausgewendeten Kosten verlieren müssen«. Seine Lage hatte sich offenbar inzwischen so gebessert, daß sein Geschäft die übersiedlungskosten tragen konnte.